Verfassungsrechtler hält Impfpflicht für vertretbar – inklusive polizeilicher Vorführung beim Arzt

Der Rechtswissenschaftler Christian Pestalozza findet nicht nur, dass eine allgemeine Impfpflicht vertretbar sei – dem Redaktionsnetzwerk Deutschland erklärte Pestalozza, dass auch Sanktionen gegen sogenannte Impfunwillige möglich sein könnten.

Die gesamtgesellschaftliche Diskussion um die sogenannte "vierte Welle" in der Corona-Krise lenkt ihren Fokus, resultierend aus den Schwächen und Mängeln der Pharmaprodukte sowie der existierenden Planlosigkeit der Politik, nun gezielt auf eine spezielle Gruppe der Bürger – die sogenannten Ungeimpften, auch als Impfverweigerer tituliert.

Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) behauptet daher:

"Je höher die Infektionszahlen steigen, umso lauter werden die Rufe nach einer Impfpflicht in Deutschland."

Zwei Politikerinnen werden in dem Beitrag des RND vom 16. November 2021 als Gradmesser der aktuellen Diskussion erwähnt. Unionsfraktionsvize Katja Leikert (CDU) und Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Leikert warnte demnach davor, mit der Einführung einer Impfpflicht weiter zu warten: "Es wird sehr teuer für uns mehrheitlich Geimpfte, für das Gesundheitswesen, die Wirtschaft und vor allem für unsere Kinder", wird die Politikerin zitiert.

Göring-Eckardt drohte derweil: "Wir werden eine Impfpflicht brauchen für Einrichtungen, bei Pflegeheimen, bei Kindertagesstätten et cetera. Wir werden das auf den Weg bringen."

Eine generelle Impfpflicht für die Gesamtbevölkerung gibt es in Deutschland derzeit noch nicht, außer für die gern in diesem Zusammenhang erwähnte Masernimpfung. Diese Impfpflicht bezieht sich jedoch nur auf bestimmte Altersgruppen und nicht auf die Gesamtbevölkerung.

Der Verfassungsrechtler Christian Pestalozza wurde nun vom RND zur Causa Impfpflicht befragt. Rein rechtlich sei eine Impfpflicht in bestimmten Fällen sogar zwingend notwendig, lautet seine Einschätzung:

"Wenn die kleinen Hilfsmaßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie nicht ausreichen, ist die Politik sogar verfassungsrechtlich zu strengeren Maßnahmen wie der Impfpflicht verpflichtet."

Pestalozza fordert daher laut RND gesetzlich festgelegte Kriterien, die auf medizinischer Faktenlage beruhen sollten. Diese Vorgabe sei der Grundstein, damit die Bevölkerung sich dementsprechend darauf vorbereiten könnte. "Die Bevölkerung muss wissen, was wann auf sie zukommt", so Pestalozzas Aussage. Wer diese Faktenlage zukünftig alleinig definieren soll, erwähnt der Verfassungsrechtler nicht. Er mahnt jedoch an:

"Aber die Politik darf nicht aus Sorge vor dem Verfassungsgericht die Hände in den Schoß legen."

Als mögliches Drohszenario wird erneut die Masernimpfung genutzt, bei der im Falle eines Verstoßes, also einer Verweigerung der Impfung eines Kindes, zum Beispiel ein Bußgeld von bis zu 2.500 Euro droht.

Im Extremfall, also bei wiederholter Abmahnung, kann es laut RND sogar bis zu 25.000 Euro betragen. Diese Zusatzinformation entpuppt sich als sogenannte Fake News. Der Faktencheck von Correctiv stellte diese Information im November 2020 als Fehlinformation dar:

"Nein, Jens Spahn kündigte keine Geldstrafe von 25.000 Euro für Nicht-Geimpfte an."

Pestalozza war schon Anfang November vom RND zum Thema Impfpflicht interviewt worden.

Dieses Interview entstand zwei Tage, nachdem der ARD-Deutschlandtrend via Tagesschau vermeldet hatte, dass sich laut Umfrage aktuell rund 57 Prozent der Deutschen für eine Impfpflicht aussprechen. Die vermeintliche Repräsentativität resultierte aus 1.329 Befragten (869 Telefoninterviews und 460 Online-Interviews). 

Anfang November hatte Pestalozza die Impfpflicht als unbedingte Notwendigkeit gesehen:

"Da sich offenbar nicht ausreichend Menschen freiwillig haben impfen lassen, halte ich diesen Schritt für unumgänglich."

Laut dem Verfassungsrechtler stehen vier Aspekte beim Thema Impfpflicht im Vordergrund:

  1. Der Eingriff muss ein legitimes Ziel verfolgen.
  2. Er muss geeignet sein, um sich diesem Ziel zu nähern.
  3. Er muss erforderlich sein, das heißt, mildere Mittel zur Erreichung des Ziels darf es nicht geben.
  4. Der Eingriff muss zumutbar sein.

Anfang November hatte er die Notwendigkeit disziplinarischer Maßnahmen noch nicht gesehen. Gut vierzehn Tage später wurde er nun erneut befragt und stellte fest, dass Sanktionen, etwa Bußgelder und bei wiederholten Verstößen auch hohe Zwangsgelder, durchaus in Erwägung zu ziehen seien. Als (noch) theoretische Ultima Ratio sieht er folgendes Szenario:

"Das bedeutet, dass jemand durch die Polizei dem Impfarzt vorgeführt wird."

In einer Demokratie sollte es aber nicht so weit kommen, so Pestalozza abschließend im Interview.

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