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Die Aggression der Ukraine gegen den Donbass setzt den Westen mehr unter Druck als Moskau

Der Westen wollte die Ukraine als Hebel gegen Moskau einsetzen – so war der Plan. Dass die Ukraine selbst den Angriff auf den Donbass startet und damit Russland provoziert, hatten die Herren im Westen nicht auf dem Schirm. Jetzt sitzen sie planlos zwischen den Stühlen, während Russland Fakten schafft.
Die Aggression der Ukraine gegen den Donbass setzt den Westen mehr unter Druck als Moskau© Kay Nietfeld / dpa

Eine Analyse von Rüdiger Rauls

Es ist anders gelaufen, als der Westen es sich vorgestellt hatte. Die Ukraine hatte Waffen erhalten, um sich gegen Russland verteidigen zu können. Nicht vorgesehen war aber, dass die Ukraine selbst zum Angriff übergeht. Dieses Szenario hatten Joe Biden und seine Geheimdienste nicht auf dem Schirm, und so hatte es denn auch in den fast täglichen Prophezeiungen des Westens über Putins Invasionspläne gefehlt.

Die Ukraine bringt nun den Westen in die Bredouille, nicht etwaige russische Invasionspläne. Sie ergreift selbst die Initiative, nachdem auf der Münchner Sicherheitskonferenz nicht das herauskam, was man in Kiew erwartet hatte: substanzielle Unterstützung aus dem Westen. Der Amboss, auf dem jeder herumhämmerte, ist zum Hammer geworden. Die Ukraine beschießt den Donbass und provoziert Russland. Aber sie setzt damit weniger Russland unter Druck, das vermutlich mit einem solchen Vorgehen gerechnet hatte. In erster Linie gerät der Westen in Not, in Entscheidungsnot.

Der Westen, der die Ukraine so gerne als Hebel gegen Russland genutzt hatte, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen, gerät nun selbst zwischen die Fronten. Ohne es zu merken, spielte er ein gefährliches Spiel, und das scheint ihm erst jetzt bewusst zu werden. Denn durch den Angriff der Ukraine auf den Donbass und die russische Reaktion darauf kam er in die unbequeme Lage, sich zwischen den Forderungen Russlands und der immer wieder beteuerten Solidarität mit der Ukraine entscheiden zu müssen.

Unterstützt der Westen Letztere bei ihrem Angriff gegen den Donbass, indem er die Waffenlieferungen ausweitet, dann muss er mit einer zunehmenden Eskalation der Lage durch Russland rechnen. Was aber könnte er dagegen unternehmen? Sanktionen scheinen die Russen nicht mehr zu schrecken, und eigene Soldaten ins Feuer zu schicken, hatte man in den NATO-Hauptstädten von vornherein ausgeschlossen.

Will der Westen eine weitere Eskalation verhindern, muss er mit der russischen Regierung nun ernsthaft verhandeln. Und die wird in der augenblicklichen Situation mit den Vorteilen auf ihrer Seite nicht mehr so leicht um den Finger zu wickeln sein, wie man es in den Verhandlungsrunden zuvor versucht hatte. Ohne es zu wollen, spielt die Ukraine damit Wladimir Putin in die Hände.

Wenn überhaupt die Aussicht auf weitere Verhandlungen mit Russland gewahrt werden soll, werden die Russen mit Sicherheit vom Westen Maßnahmen gegen die Ukraine verlangen. Das würde aber bedeuten, dass der Westen seinem Schützling trotz aller vorheriger Treueschwüre und Solidaritätsbekundungen in den Rücken fallen müsste. Der Westen wird wegen der Ukraine keinen Krieg mit Russland riskieren.

Aber diese scheint mit dem Rücken zur Wand zu stehen, wie Wladimir Selenskijs Auftritt auf der Münchner Sicherheitskonferenz zeigte. Hier waren die hochrangigen Repräsentanten des Wertewestens und der NATO versammelt. Wo also besser seinen Hilfeappell an die Weltöffentlichkeit richten als hier? Jedoch schien Selenskij eher zu stören, auch wenn er mit Standing Ovations bedacht wurde. Denn die Teilnehmer der Konferenz waren doch eher überrascht, dass der ukrainische Präsident es wagte, "seine Hauptstadt, sein Land in diesen Stunden zu verlassen" (FAZ).

Aus dem Vortrag des Präsidenten ist zu erkennen, dass den Ukrainern offensichtlich immer klarer wird, dass man sie als "Puffer zwischen Russland und dem Westen" (ebenda) benutzt und sie mit der Aussicht auf den NATO- und EU-Beitritt in dieser Funktion bei der Stange halten will. Wenn auch die NATO ständig von offenen Türen für Beitrittskandidaten spricht, so bleiben diese der Ukraine aufgrund der schwierigen Lage im Land und den Spannungen mit Moskau weiterhin verschlossen. Die NATO will sich mit der Ukraine keine russische Laus in den Pelz setzen.

Angesichts der Stimmung in der ukrainischen Führung und der schwierigen wirtschaftlichen Lage im Land kann der Angriff auf den Donbass als Provokation, vielleicht sogar Verzweiflungstat gesehen werden, um vom Westen endlich die Hilfe und Unterstützung zu bekommen, auf die man immer wieder gehofft hatte und die auch immer wieder in Aussicht gestellt worden war. Man will eine Entscheidung vom Westen, und gerade damit bringt man ihn mehr in Bedrängnis als alle Aktionen Russlands.

Es wird sich in der nächsten Zeit zeigen, wie die NATO-Mitglieder mit diesem Vorpreschen der Ukraine umgehen werden. Steigt der Druck auf den Westen, mit Russland ernsthaft über dessen Sicherheitsinteressen zu verhandeln, oder hat er wirksame Mittel außer Sanktionen, aber gleichzeitig unterhalb der Schwelle eines Krieges, um den Ukrainern zu Hilfe zu kommen? Zugespitzt stellt sich die Frage: Entscheidet sich der Westen für Verhandlungen mit Russland oder für die Aufnahme der Ukraine in das Bündnis?

Angesichts der eigenen schwierigen Lage ist nicht zu erwarten, dass die Ukraine Ruhe geben wird. Sie riskierte, angetrieben und angestachelt vom Westen, ähnlich wie Georgien 2008 das Kräftemessen mit Russland. In diesem Konflikt erlitt die Ukraine nur Nachteile, denn sie hat wirtschaftlich wichtige Gebiete verloren. Den Westen hatten die Verluste der Georgier ebenso wenig geschmerzt wie die Nachteile, die nun die Ukraine erlitt.

Es stellt sich die Frage, ob die Ukraine sich damit abfinden wird. Und es stellt sich zudem die Frage, wie lange die Bevölkerung der Ukraine sich mit dieser Regierung noch zufriedengibt, die durch ihren politischen Aktionismus die ohnehin nicht gerade einfache Lage der Menschen in der Ukraine weiterhin verschlechtert, ohne dafür erkennbare Vorteile zu erringen, die das Leben der Bürger verbessert.

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RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

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