Europa

Heute vor 30 Jahren war die UdSSR Geschichte – Wie es zu dem Zerfall kam

Am 25. Dezember 1991 legte der erste und letzte Präsident der Sowjetunion Michail Gorbatschow sein Amt nieder. Damit endete die fast 70-jährige Geschichte des ersten sozialistischen Vielvölker-Staates und der einstigen Supermacht. Die Gründe für die Implosion waren vielfältig.
Heute vor 30 Jahren war die UdSSR Geschichte – Wie es zu dem Zerfall kam© Screenshot Rossija 1

eine Analyse von Wladislaw Sankin

Die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, kurz UdSSR, war ein Staat in Eurasien, der von 1922 bis 1991 bestand. Zum Zeitpunkt ihres Zusammenbruchs beanspruchte die UdSSR mit 293 Millionen Einwohnern fast ein sechstel der bewohnten Landmasse der Erde und war der zweitgrößte Industrieproduzent der Welt – 16,5 Prozent der Weltproduktion. 

Offiziell wurde die Sowjetunion durch die Alma-Ata-Deklaration am 21. Dezember 1991 als Union, bestehend aus 15 Unionsrepubliken, aufgelöst. Es hieß: "Mit der Schaffung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten hört die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken auf zu bestehen." Doch ins öffentliche Bewusstsein ging der 25. Dezember als letzter Tag ein. 

Am 25. Dezember um 19 Uhr legte der Präsident der UdSSR Michail Gorbatschow in einer Fernsehansprache sein Amt nieder und übergab die Steuerung des Atomkoffers an den Präsidenten der Russischen Föderation Boris Jelzin. Wenige Stunden zuvor wurde die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik (RSFSR) bereits in Russische Föderation umbenannt. Sofort nach Gorbatschows Ansprache wurde das weltweit bekannte Staatssymbol der Sowjetunion, die rote Flagge mit Hammer und Sichel, am Mast des Senatspalasts im Moskauer Kreml durch die russische Trikolore ersetzt. 

Doch die Auflösung des multinationalen Superstaates ist nicht an einem Tag festzumachen. Bereits Ende der 1980er Jahre traten die zentrifugalen Tendenzen in den Republiken der Sowjetunion und deren Teilrepubliken wieder deutlich zutage und erwiesen sich am Ende als unaufhaltsam.

Bereits zuvor hatten sich die unterschwelligen nationalen Ressentiments zurückgemeldet. Das hatte in großen Teilen mit der Krise der herrschenden Ideologie zu tun, deren wesentliche Teile einerseits der Lobpreis der Völkerfreundschaft und andererseits die Schaffung einer neuen Menschenprägung war – des Sowjetmenschen.

Die Regimewechsel im sozialistischen Lager und der rasche geopolitische Rückzug aus Osteuropa verstärkten den Dominoeffekt im eigenen Land. Versorgungsprobleme und das so genannte "Defizit" begleiteten den Zerfall des noch kurz zuvor so mächtigen Bündnisses. All diese Probleme schob man auf die Ineffizienz des sozialistischen Wirtschaftssystems, der so genannten "Kommandowirtschaft".

Die frei gewordene Presse zerschlug kurzerhand die einstigen Helden der sowjetischen Geschichte und ersetzte sie durch neue Antihelden. Da man nun über alles schreiben durfte, wetteiferten die Medien in der Problematisierung aller Lebensbereiche, was den Eindruck noch verstärkte, dass alles in der Sowjetunion schlecht war. Auch die Kunst reagierte sofort auf die neuen Stimmungen mit dem Genre der "Schwarzmalerei", die in Musik, Film, Bildender Kunst und Literatur Einzug hielt. Die Gesellschaft feierte das "Fest des Ungehorsams".

Als die alten Bindungen sich aufzulösen begannen, entstanden sofort neue. Die Nationalismen erhoben in fast jeder Republik, auch in Russland innerhalb weniger Monaten ihre Häupter. Die Stunde der verschiedenen Volks- und nationalen Fronten war gekommen. Die lokalen Eliten fanden sich in den durch die sowjetische Führung eigenhändig geschaffenen staatlichen Strukturen mit ihren Obersten Räten, Ministerien, Sicherheitsbehörden und Akademien der Wissenschaften wieder.

Aus dieser Position heraus fühlten sie sich berufen, die wirtschaftlichen Probleme durch das Kappen der Wirtschaftsbeziehungen mit dem "Zentrum" zu lösen. Nach Stammtischart hieß es: "Hören wir auf, Moskau zu ernähren". In Moskau hieß es wiederum: "Wir ernähren nun keine Randgebiete mehr". Ein riesiger autarker Binnenmarkt begann sich rasch zusammenzubrechen. 

Die Ereignisse entwickelten sich rasant und es ist schwer, im Nachhinein zu sagen, ob die Menschen darüber wirklich im Bilde waren, was sich vor ihren Augen vollzieht, dass sie kurz vor der, wie Wladimir Putin es nannte, "größten geopolitischen Katastrophe des 20. Jahrhunderts" stehen. In der Tat schwankten die Stimmungen sehr stark im schicksalhaften Jahr 1991.

Im ersten und letzten Referendum der UdSSR vom 17 März 1991 hieß es von 76 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 80 Prozent, sie wollten die reformierte Sowjetunion erhalten sehen. Die Einwohner der Ukraine stimmten mit 70 % für den Verbleib der Ukraine in der UdSSR, wennschon "auf der Grundlage der Souveränität".  

Nach der Unabhängigkeitserklärung im August 1991 führte die ukrainische Führung am 01. Dezember jedoch eigenes Referendum mit der Frage durch, ob die Einwohner der Ukraine lieber in einem unabhängigen Staat leben möchten. 90 Prozent der Befragten stimmten dafür, selbst auf der Krim gab es eine knappe Mehrheit. Am 17. März 1991 stimmten 70 % der Ukrainer für den Erhalt der Sowjetunion. Das besagte, dass die Leute zwar die Sowjetunion als solche, aber nicht die enge Bindung an Russland und andere Republiken der Sowjetunion in Frage stellten.    

Für die Politiker, die schon vom Empfang auf Augenhöhe durch andere Staatschefs träumten, spielte es jedoch keine Rolle, was die Leute bei der Abstimmung wirklich dachten. Der Präsident der Ukraine, Leonid Krawtschuk, von den Ergebnissen des Referendums beflügelt, lud die Vertreter aus Weißrussland und Russland zu geheimen Verhandlungen über die Modalitäten der Auflösung nach Kiew.

Die übernationalen sowjetischen Staatstrukturen mit ihrem höchsten Repräsentanten Michail Gorbatschow als Präsident sollten dabei übergangen werden. Daran hatte vor allem der im Juni 1991 gewählte russische Präsident Boris Jelzin Interesse. Der Konflikt zwischen ihm und Gorbatschow ist legendär und gibt vielen Analysten Anlass, die damaligen Ereignisse durch das Prisma der zwischenmenschlichen Fehde und des Machtkampfes zu sehen.

Doch die Gründe für das Scheitern des Sowjet-Sozialismus und den Zerfall der Sowjetunion – immerhin handelt es sich hierbei um zwei verschiedene, obgleich miteinander zusammenhängende Prozesse – waren zahlreich und verschiedenartig. Vor diesem Hintergrund sind die Handlungen damaliger Spitzenpolitiker lediglich im Sinne einer technischen Abwicklung bedeutsam.

Am 8. Dezember 1991 unterzeichneten die Präsidenten Russlands, der Ukraine und Weißrusslands, Boris Jelzin, Leonid Krawtschuk und Stanislau Schuschkewitsch, im Nationalpark Beloweschskaja nahe der polnischen Grenze in Weißrussland die sogenannten Vereinbarungen von Beloweschskaja Puschtscha. Diese Vereinbarungen setzten den Unionsvertrag vom Dezember 1922 außer Kraft, auf dessen Grundlage die Sowjetunion erst geschaffen wurde, und verkündeten die Schaffung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), eines losen Staatsbündnisses, das bis heute lediglich als Plattform für gelegentliche Treffen der Staatschefs fungiert.

Damit waren Gorbatschow und sein Amt überflüssig. Mit seiner Fernsehansprache vom 25. Dezember legte er es nieder. Sein Versuch, das Gesicht zu wahren, indem er in der Ansprache sein Nichteinverständnis zum Ausdruck brachte, sollte im Gegenteil nur den Eindruck vollständiger Hilfslosigkeit verstärken. Die UdSSR sollte nur noch sechs Tage lang auf dem Papier existieren, bis zum 31. Dezember 1991.

Nicht alle Staatschefs in den Republiken begrüßten die Auflösung. Vor allem die zentralasiatischen Republiken zögerten bis zum letzten Moment, diesen Prozess zu unterstützen. Die Ironie der Geschichte besteht darin, dass der damalige Gegner der Auflösung und spätere Vordenker der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU), Kasachstans Präsident Nursultan Nasarbajew, derjenige ist, der von allen Staatschefs der Nachfolgestaaten der Sowjetunion bis zum Jahr 2019 am längsten an der Macht blieb.

Seitdem ist der Prozess des Zerfalls eine Legende und ein Rätsel zugleich. So widersprüchlich die Stimmungslagen damals waren, die zwischen den Weltuntergangs- und Aufbruchsstimmung wechselten, so widersprüchlich ist auch die Bewertung der Folgen des Endes der Sowjetunion in den Nachfolgestaaten bis heute. 

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