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"Alle sagten uns: Kehrt nicht zurück!": Afghanische Boxer blieben nach WM in Serbien

Fast ein Dutzend Mitglieder einer afghanischen Boxmannschaft, die jüngst in Belgrad an der Weltmeisterschaft der Männer teilgenommen hatte, sitzt immer noch in der serbischen Hauptstadt. Aus Angst vor den Taliban versuchen sie, in einem EU-Land Asyl zu bekommen.
"Alle sagten uns: Kehrt nicht zurück!": Afghanische Boxer blieben nach WM in SerbienQuelle: AP © Darko Vojinovic

von Marinko Učur, Belgrad

Obwohl seit den AIBA-Boxweltmeisterschaften der Männer in der serbischen Hauptstadt Belgrad fast 50 Tage vergangen sind, hält sich immer noch ein elfköpfiges Box-Team in Serbien auf und wagt es nicht, in sein Heimatland zurückzukehren.

Es handelt sich um Sportler aus Afghanistan, die nach eigener Aussage aus Angst vor der neuen Taliban-Regierung beschlossen hatten, vorerst in Belgrad zu bleiben. Demnach wollten sie am 7. November, einen Tag nach der Weltmeisterschaft, als ihr Visum für Serbien auslief, in ihr Heimatland zurückfliegen. Doch dann handelten sie anders. Einer der Boxer erklärte gegenüber Medien in Serbien:

"Als wir am Belgrader Flughafen bei der Passkontrolle waren, bekamen wir dramatische Anrufe unserer in Afghanistan zurückgebliebenen Kollegen. Sie alle sagten uns: Kehrt nicht zurück! Und wir sind nicht zurückgekehrt und sind immer noch hier, in Serbien, in der Hoffnung, dass uns eine Abreise ermöglicht wird."

Die afghanischen Sportler hoffen nämlich, dass ihnen eines der westlichen Länder Asyl gewährt. Da diplomatische Vertretungen der EU-Staaten in Belgrad bislang keine Bereitschaft gezeigt hatten, den Athleten entgegenzukommen und ihnen ein Visum sowie einen Transfer in die Länder Westeuropas zu gewährleisten, sind die Boxer in Serbien praktisch "gefangen".

Doch sie sind fest entschlossen, ihr Vorhaben nicht aufzugeben. Ein weiteres Problem ist, dass ihr serbisches Visum auch abgelaufen ist und sie sich in Belgrad praktisch illegal aufhalten.

Es scheint jedoch, dass ihre kaum beneidenswerte Lage Aufsehen in der serbischen Öffentlichkeit erregt hat, denn einige humanitäre Organisationen haben begonnen, Interesse für den Fall zu zeigen. So wurden sie vom Rechtsteam des Belgrader Zentrums für Menschenrechte (BCHR), geleitet von dem Rechtsanwalt Marko Štambuk, unter Schutz genommen, wobei ihnen dessen Rechtsbeistand angeboten wurde. Die Sportler weigerten sich jedoch allerdings, ihren derzeitigen Aufenthaltsort – "irgendwo in der Umgebung Belgrads" – preiszugeben. Štambuk betont: 

"In diesem Fall würde dies ihre Lage gefährden, da das als Ordnungswidrigkeit sanktioniert wird und gegen sie dadurch andere restriktive Maßnahmen aufgrund von Verstößen gegen das Ausländergesetz verhängt werden. Diese Menschen erfüllen jedoch alle Voraussetzungen, um internationalen Schutz zu bekommen."

Eines ist schon jetzt klar: Die Mannschaft hat nicht die Absicht, in Serbien zu bleiben. Die Männer wünschen sich eher, in eines der westlichen Länder zu gelangen, wohin auch ein Großteil ihrer Landsleute während der amerikanischen Besatzung, aber auch nach der Etablierung der Taliban-Herrschaft in diesem Land, emigriert war. Als die Afghanen noch bereit waren, mit den serbischen Medien zu sprechen, äußerten sie Befürchtungen, in ihrem Land von den Taliban schikaniert zu werden. Einer der Boxer, Silab Nouri,  erklärte gegenüber serbischen Medien:

"Die aktuelle Situation in Afghanistan ist völlig chaotisch. Wir sind täglich Zeugen von Selbstmordattentaten, Explosionen und gezielten Tötungen. Wir können weder in unserem Sport noch in unserer Ausbildung vorankommen, und wir warten in Serbien darauf, in ein Land zu ziehen, in dem unsere sportlichen Aktivitäten und unsere Zukunft garantiert sein werden."

Ähnlich sieht es der Generalsekretär des afghanischen Boxverbands, Waheedullah Hameedi, der ebenfalls in Belgrad geblieben ist:

"Als das Taliban-Regime in Afghanistan an die Macht kam, änderte sich alles. Es war schwierig, während des neuen Regimes und der neuen Regierung zur WM zu kommen."

Boxen war in Afghanistan übrigens schon vor der amerikanischen Besatzung während der früheren Taliban-Herrschaft von 1996 bis 2001 verboten. Deshalb waren die Boxer beim Training vor der Weltmeisterschaft in Serbien bereits Risiken ausgesetzt. Ihren Aussagen zufolge fanden die Vorbereitungen meist an geheimen Orten statt. Der Weg nach Belgrad und in die internationale Szene war gar nicht so einfach – er führte sie zunächst nach Teheran, wo sie ein Visum für Serbien erhalten hatten.

Obwohl dieses Phänomen – dass Sportler beschließen, im Gastland Asyl zu beantragen – während des Kalten Krieges recht weit verbreitet war, ist dies allerdings das erste Mal, dass das in Serbien als ein unabhängiger Staat vorkommt.

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