Deutschland

Nach Springer-Kampagne: WDR will nicht mehr mit Nemi El-Hassan zusammenarbeiten

Der WDR hat sich nach wochenlanger Prüfung gegen eine mögliche Zusammenarbeit mit der Journalistin Nemi El-Hassan entschieden. Die Debatte über den gesamten Fall geht damit in die nächste Runde. In einem offenen Brief kritisiert El-Hassan die Entscheidung des WDR.
Nach Springer-Kampagne: WDR will nicht mehr mit Nemi El-Hassan zusammenarbeitenQuelle: www.globallookpress.com

Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) hat sich endgültig gegen eine Zusammenarbeit mit der Journalistin Nemi El-Hassan entschieden. Das teilte der öffentlich-rechtliche Sender in Köln am Dienstag gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mit. Zuvor hatte die Journalistin einen Gastbeitrag in der Berliner Zeitung veröffentlicht, wo sie Kritik am WDR zum Umgang mit ihr in den vergangenen Wochen äußerte. Seitens des Senders hieß es als Begründung für seine Entscheidung: "Das Vertrauen für eine künftige Zusammenarbeit ist nicht mehr vorhanden."

Der ganze Fall rund um die Beschäftigung El-Hassans hängt vor allem mit von der Bild-Zeitung erhobenen Antisemitismusvorwürfen zusammen. Ursprünglich sollte die Journalistin die Wissenschaftssendung Quarks moderieren. Der Start war für November 2021 vorgesehen. Die Bild-Zeitung hatte dann im Kontext der neuen Aufgabe El-Hassans von ihrer Teilnahme an einer Al-Kuds-Demo in Berlin vor einigen Jahren berichtet. Bei den alljährlichen Al-Kuds-Demos in Berlin waren in der Vergangenheit auch antisemitische Parolen gerufen worden. El-Hassan hatte sich nach dem Medienbericht in einem Statement von der Demo distanziert. Außerdem wurde ihr vorgeworfen, "israelkritische Posts" im Netz gelikt zu haben. In einem Fall ging es dabei um den Ausbruch von palästinensischen Häftlingen aus einem israelischen Hochsicherheitsgefängnis.

Der WDR hatte sich im weiteren Verlauf der Debatte gegen eine Moderation El-Hassans in der Wissenschaftssendung entschieden. Als Begründung hieß es seitens des Senders, "dass die Auseinandersetzung um ihre Person zu einer unangebrachten Politisierung der renommierten Wissenschaftssendung geführt hat." Die ARD-Anstalt hatte dann zunächst weiter geprüft, ob sie möglicherweise als Autorin für Quarks arbeiten könnte.

Am Dienstag hatte El-Hassan in ihrem Gastbeitrag in der Berliner Zeitung dem WDR im Zuge der von dem Bild-Bericht angestoßenen Debatte vorgeworfen, der Sender habe sich selbst aus der Schusslinie ziehen wollen. "Die Reaktion des WDR zeigt exemplarisch, dass es schlecht steht um die vielfach gerühmte Debattenkultur in diesem Land", kritisierte El-Hassan.

Grenze zwischen Journalismus und Kampagne

Die Journalistin sprach in dem Gastbeitrag auch von einer gezielten Kampagne. Der Bild-Zeitung warf sie vor, sie demontieren zu wollen. "Natürlich darf auch die Bild-Zeitung zur Vergangenheit einer öffentlichen Person recherchieren und Fragen stellen", schrieb El-Hassan. "Aber es gibt eine Grenze zwischen kritischer journalistischer Arbeit und einer gezielten Kampagne zur Demontage einer Person."

Die Kampagne gegen sie sei in rechten Foren von langer Hand vorbereitet worden. Dort verfolge man das Ziel, möglichst viele Menschen muslimischen Glaubens aus der Öffentlichkeit hinauszudrängen. Antisemitismusvorwürfe würden dazu gezielt eingesetzt, weil sie besonders wirksam seien, um jemanden auf Dauer unmöglich zu machen. Dabei gehe es den Rechtsextremen natürlich nicht um den Schutz jüdischen Lebens. Vielmehr sei der Antisemitismusvorwurf nur Mittel zum Zweck. Denn:

"Im Land der Täter will sich – verständlicherweise – niemand in eine Situation begeben, die nahelegen könnte, dass man sich nicht vehement an der Bekämpfung des gesamtgesellschaftlichen Problems Antisemitismus beteiligt."

El-Hassan warf dem WDR indirekt vor, eingeknickt zu sein:

"Der WDR hat sich – in der Hoffnung, sich selbst aus der Schusslinie zu ziehen – allen Argumenten der Bild-Zeitung angeschlossen und somit auch zukünftigen Kampagnen Tür und Tor geöffnet."

Der öffentlich-rechtliche Sender reagierte am Abend auf den Gastbeitrag mit der Erklärung, der Vorwurf, dass der WDR die Moderatoren-Auswahl von einer Bild-Kampagne abhängig mache, sei unsinnig.

"Unabhängig von der medialen Berichterstattung und dem öffentlichen Druck im Fall Nemi El-Hassan hat der WDR sorgfältig und umfangreich beraten, weil die Verantwortlichen den beruflichen Weg der jungen Journalistin nicht leichtfertig behindern, sondern ihr eine Chance geben wollten."

Weiter hieß es, ausschlaggebend sei am Ende ihr Verhalten in und der Umgang mit den sozialen Netzwerken gegenüber dem WDR gewesen.

"Relevante Informationen – wie zum Beispiel das Löschen von Likes – erfuhr der WDR erst aus den Medien, obwohl er mit Nemi El-Hassan im intensiven Austausch war. Dies hatte von Beginn an das Vertrauensverhältnis belastet."

Der Fall El-Hassans war in den beiden vergangenen Sitzungen des Rundfunkrates als Aufsichtsgremium beim WDR debattiert worden. In der ersten Diskussion Ende September 2021 hatten sich zahlreiche Rundfunkratsmitglieder zu Wort gemeldet und sich ganz überwiegend gegen eine Beschäftigung von El-Hassan beim WDR, in welcher Form auch immer, ausgesprochen. In der zweiten Sitzung vor einigen Tagen gingen die geäußerten Meinungen hingegen stärker auseinander. Avi Primor, der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, und der Antisemitismusforscher Moshe Zimmermann hatten etwa für die Beschäftigung von El-Hassan als Moderatorin plädiert.

Mehr zum ThemaDer Fall Gil Ofarim: Alle Zeugen bestreiten Schilderung des Sängers – er drohte Hotelangestellten

(rt/dpa)

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.