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Fragen nach Berlin-Wahl: Geschätzte Ergebnisse und Wahlbeteiligung bei 150 Prozent in einem Bezirk

Das Chaos bei den Wahlen am Sonntag in Berlin hat schon für reichlich Schlagzeilen gesorgt. Nun wurde bekannt, dass in einem Berliner Bezirk bislang lediglich geschätzte Ergebnisse gemeldet wurden. Anderswo habe die Wahlbeteiligung gar bei 150 Prozent gelegen.
Fragen nach Berlin-Wahl: Geschätzte Ergebnisse und Wahlbeteiligung bei 150 Prozent in einem BezirkQuelle: AFP © Odd Andersen

In mindestens 99 Wahllokalen seien auffällig viele Stimmzettel ungültig gewesen, heißt es etwa in einem aktuellen Bericht vom rbb. Dies könnte offenbar damit zusammenhängen, dass die Wähler falsche Stimmzettel aus anderen Bezirken ausgefüllt hätten. In der Hauptstadt wurden am 26. September 2021 gleichzeitig neue Parlamente für Bund, Land und die Bezirke gewählt – und ein Volksentscheid fand auch noch statt. Bereits am Wahlsonntag war bekannt geworden, dass der Urnengang von zahlreichen Pannen und Problemen begleitet wurde. So waren etwa in den Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg Stimmzettel aus einem anderen Stadtbezirk geliefert worden. Anderswo fehlten Wahlkabinen, so dass die Wähler mit einer Wartezeit von mehreren Stunden rechnen mussten. Noch als die ersten Prognosen über die Bildschirme liefen, wurden in einigen Teilen Berlins weiterhin Zettel in die Urnen geworfen.

Wie viele Lokale von Pannen betroffen waren, blieb bis Mitte der Woche noch unklar. Am Montag hatte die Landeswahlleitung von Problemen in etwa 100 Wahllokalen gesprochen. Auch bei den Ergebnissen herrscht wohl immer noch Unklarheit. Laut einem Bericht vom rbb habe der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf bei der Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung offenbar mehrere fiktive vorläufige Wahlergebnisse gemeldet. So wurden etwa für 22 Wahlbezirke genau die gleichen Stimmenanteile der Parteien genannt.

Zudem wurde für jeden einzelnen dieser Wahlbezirke eine identische Zahl der gültigen und ungültigen Stimmen gemeldet. Der Bezirkswahlleiter von Charlottenburg-Wilmersdorf, Felix Lauckner, erklärte gegenüber dem rbb, dass die Zahlen geschätzt seien. Wie wirklich gewählt wurde, sei noch nicht bekannt. Lauckner sagte: 

"Sofern in der Wahlnacht von einzelnen Wahlvorständen abschließend keine Ergebnisse gemeldet werden, ist in Einzelfällen eine händische oder maschinelle Schätzung auf der Grundlage des bis dahin erfassten Gesamtergebnisses zulässig."

Erlaubt seien solche Schätzungen aber nur, "soweit keine Mandatsrelevanz ersichtlich ist." Das tatsächliche Wahlergebnis werde in den Folgetagen "nacherfasst", wird Lauckner beim rbb zitiert.

Wie der Tagesspiegel jüngst berichtete, sollen in einigen Wahllokalen mehr Menschen gewählt haben als zugelassen. So waren laut der Zeitung etwa im Wahlbezirk 124 in Berlin-Reinickendorf beim Volksentscheid insgesamt 1.382 Menschen wahlberechtigt, aber es wurden am Ende 2.146 Stimmen abgegeben. Die Zahl deute auf eine Wahlbeteiligung von rund 150 Prozent hin. In einem anderen Lokal im Bezirk Tempelhof-Schöneberg soll die Wahlbeteiligung bei 126 Prozent gelegen haben.

Die Landeswahlleiterin Petra Michaelis stellte inzwischen ihr Amt zur Verfügung. Nun wird gar die Frage laut, ob die Wahl vielleicht sogar wiederholt werden muss.

Rechtsprofessor Christian Waldhoff von der Humboldt-Universität Berlin schrieb im Internetforum Verfassungsblog von "professionellem Versagen" und "gravierendem Organisationsverschulden der Landeswahlleitung". Es sei vorhersehbar gewesen, dass Wähler wegen der fünf Stimmzettel und sechs Stimmen deutlich mehr Zeit brauchen würden. Dass Stimmzettel ausgegangen seien, sei "beispiellos und unerklärbar". Die Vorkommnisse seien rechts- und damit auch verfassungswidrig. Die Pannen in der Hauptstadt eines der wichtigsten, reichsten und entwickeltsten Länder der Erde seien nicht nur "peinlich, sondern zugleich ein gravierendes Demokratieproblem."

Scharfe Kritik kam zuletzt auch von FDP-Bundespolitikern. So schrieb der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff auf Twitter:

"'Geschätzte Wahlergebnisse'? Die Integrität demokratischer Wahlen gefährden, aber einen Marathon durchziehen, um 'weltoffen' daherzukommen. Mir fehlt inzwischen jedes Verständnis für die Wurstigkeit, mit der das in Berlin einfach hingenommen wird."

Inzwischen forderte auch der Linken-Spitzenkandidat Klaus Lederer eine Nachzählung der abgegebenen Stimmen in seinem Wahlbezirk im Berlin-Pankow. Der noch amtierende Berliner Kultursenator war bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus knapp der Grünen-Politikerin Oda Hassepaß unterlegen. Ihm fehlten 30 Stimmen für ein Direktmandat. Über die Listenplätze rückt Lederer aber trotzdem ins Parlament ein.

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