Meinung

Die Ineffizienz der Eliten in der Pandemie zeigt ihre Unfähigkeit zu jeder Art von "Verschwörung"

Der beste Schutz gegen Verschwörungstheorien besteht darin, einen realistischen Blick auf die Arbeitsweise der Eliten zu werfen, wenn sie tatsächlich versuchen, ein Problem zu lösen.
Die Ineffizienz der Eliten in der Pandemie zeigt ihre Unfähigkeit zu jeder Art von "Verschwörung"Quelle: www.globallookpress.com © Christian Ohde / www.imago-images.de

von Ashley Frawley

Man könnte sagen, dass die Versäumnisse der europäischen Staaten, COVID-19 zu bewältigen, einen idealen Impfstoff gegen konspiratives Denken hervorgebracht haben – was passend wäre, da die Corona-Impfungen möglicherweise die einzige Erfolgsgeschichte in dieser Pandemie sein werden. Die einzige Rolle, die Staaten für sich selbst sehen, besteht zunehmend darin, den Menschen zu sagen, was sie tun oder lassen sollen. Angemessene Gesundheitsversorgung? Zu teuer! Aber haben Sie es schon mit einem Mund-Nasen-Schutz versucht?

Auf diese Weise haben sich viele europäische Staaten bei der Bewältigung des Ausbruchs der COVID-19-Krise als völlig unzureichend vorbereitet erwiesen. Doch gerade in solchen Notsituationen wollen wir Regierungen, die regieren. Stattdessen hat die Pandemie gezeigt, worin die wahren Fähigkeiten der Eliten liegen: sich als Verwalter und Regulierer aufzustellen und dabei so wenig wie möglich zu tun.

Es mag für einige überraschend sein, dass Großbritannien vor 2020 im Ranking der Bereitschaft, auf eine Pandemie zu reagieren, weit oben war. Tatsächlich hatte der Global Security Index des WEF 2019 Großbritannien und die USA als weltweit am besten auf eine globale Pandemie vorbereitet eingestuft. Und doch verrät diese hohe Einstufung eher etwas über das Versagen dieser Staaten, mit einer realen Pandemie umzugehen, als sie dann wirklich eintraf.

Wie Lee Jones und Shahar Hameiri in einer aktuellen Studie zu diesem Phänomen beschreiben, hat sich zum Beispiel der britische Staat über mehrere Jahrzehnte hinweg von einem Regierungsstil entfernt, der einen von oben nach unten autoritativen Ansatz verfolgt, um Ressourcen zu mobilisieren und direkt einzugreifen und damit Probleme zu lösen. Stattdessen hat sich der Regierungsstil zu einem Modell entwickelt, in dem einfach versucht wird, zu regulieren und zu steuern, um die Ziele des Staates zu erreichen.

Das bedeutet, dass man anstatt Pläne aufzustellen, in denen das Verhalten und Vorgehen eines Staates in einem Notfall festgehalten sind, Regeln und Vorschriften für das Verhalten einzelner Behörden festlegt. So räumte beispielsweise eine 2011 veröffentlichte britische Vorbereitungsstrategie für den Fall einer Grippepandemie des Gesundheitsministeriums ein, dass die Gesundheits- und Sozialdienste selbst im Falle einer moderaten Pandemie überfordert wären. Anstatt jedoch zusätzliche Kapazitäten in der Intensivpflege aufzubauen, wurden die Gesundheitsdienstleister angewiesen, eigene "Pläne für den Fall einer Pandemie" aufzustellen, unabhängig davon, ob diese in der Lage waren, mit einem raschen Anstieg an Hospitalisierungen umzugehen oder nicht – nun, so viel sei verraten: Sie waren es nicht.

Dies erklärt zumindest teilweise auch die Besessenheit von Regierungen von der Verhaltenspsychologie. Sie sehen sich selbst in keiner Rolle bei der tatsächlichen Lösung von Problemen und haben sich selbst davon überzeugt, dass wir, die Bürger, das Problem sind. Zwei Jahre nach den ersten Anzeichen dafür, dass in Wuhan etwas schiefgelaufen ist, haben die öffentlichen Gesundheitsdienste ihre Kapazitäten immer noch nicht erhöht. Personalmangel, Rekordwartezeiten und abgebaute Krankenhausbetten sind nach wie vor die krasse Realität in vielen öffentlichen Gesundheitssystemen, sei es im Vereinigten Königreich oder in anderen europäischen Staaten. Trotzdem ist die anhaltende Botschaft, dass wir, die Bürger, das Problem sind. In Wirklichkeit gab es einfach keine Pläne, nur Regeln. Und jetzt sagt man uns, dass alles, was man tun kann, ist, sich an diese Regeln zu halten.

Und dieser Ansatz ist nicht nur auf Regierungen beschränkt. Es scheint keinen Mangel an Gremien zu geben, deren Zweck nicht das Leben der Bürger zu vereinfachen und zu verbessern ist, sondern nie enden wollende Regeln und Rahmenbedingungen und Satzungen zu erschaffen. Gigantische Berge von Papierkram und Pläne, die jemand anderes irgendwann ausführen soll.

Im Hochschulbereich werden Studenten manchmal mit dem Versprechen angelockt, während des Studiums Arbeitserfahrungen sammeln zu können, über die Option einer Unterbringung bei einer Arbeitsstelle, die an die Studienzeit angerechnet werden kann. Wenn sie jedoch in der Uni ankommen, stellen sie fest, dass sie diese Unterbringung selbst organisieren müssen. Die Universität hat lediglich den Rahmen festgelegt, innerhalb dessen sich die Studierenden bewegen können, und die Bedingungen formuliert, von denen die Studierenden selber nachweisen müssen, dass sie ihnen entsprechen können, um am Ende des Semesters die Arbeitserfahrungen an die Studienzeit anrechnen zu lassen. Keine "einzigartigen Chancen" werden von den Unis angeboten, nur Regeln und Bedingungen.

Überall entwickeln Eliten hervorragende Fähigkeiten beim Erstellen von Papierkram und Power-Point-Präsentationen. Doch wenn es darum geht, anstehende echte Probleme tatsächlich zu bewältigen, bleibt dies an uns hängen.

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Übersetzt aus dem Englischen. Ashley Frawley ist Senior Dozentin für Soziologie und Sozialpolitik an der Universität von Swansea und Buchautorin. Folgen Sie ihr auf Twitter unter @Ashleyafrawley.

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