Meinung

Drohnenangriff in Kabul: Mögen ihre Geister euch für den Rest eures erbärmlichen Lebens verfolgen

Nach dem Eingeständnis des Pentagon, mit dem "gerechten" Drohnenangriff gegen ISIS-K-Terroristen in Wahrheit Kinder und Zivilisten getötet zu haben, gibt es keine Konsequenzen, keine Rücktritte, keine Strafen. Das zeigt das wahre Gesicht des amerikanischen Imperiums.
Drohnenangriff in Kabul: Mögen ihre Geister euch für den Rest eures erbärmlichen Lebens verfolgenQuelle: AFP © Hoshang Hashimi

von Nebojša Malić

General Kenneth McKenzie, der Oberkommandierende des US-Zentralkommandos (CENTCOM), sprach am Freitag den Familien von zehn Menschen – darunter sieben Kinder –, die beim Drohnenangriff am 29. August in Kabul getötet worden waren, sein "tiefes Beileid" aus. Der Angriff wurde "im ernsthaften Glauben angeordnet, dass eine unmittelbare Bedrohung für unsere Streitkräfte bevorstand. Aber es war ein Fehler, und ich entschuldige mich aufrichtig dafür", sagte er.

McKenzie tat dann das, was das Pentagon am besten kann: Er zeigte eine Powerpoint-Präsentation, in der erklärt wurde, wie der US-Geheimdienst zum Schluss kam, dass der 43-jährige Mitarbeiter einer Hilfsorganisation Semari Ahmadi, der in seinem weißen Toyota erst zur Arbeit gefahren und dann wieder nach Hause zurückgekehrt war, in Wirklichkeit ein Terrorist des Islamischen Staates Khorasan (ISIS-K) gewesen war und einen Autobombenanschlag auf den Flughafen von Kabul geplant hatte.

Was er jedoch nicht tat, war, zurückzutreten und zu versprechen, dass alle, die an dieser Gräueltat beteiligt waren, dasselbe tun werden – oder dass sie zumindest gerügt oder auf andere Weise diszipliniert werden. Man müsste meinen, das wäre zumindest angebracht, wenn man bedenkt, dass Kinder getötet wurden.

So tickt das Pentagon aber nicht. Zwei Wochen lang hatte sich das US-Militär durch die Angelegenheit gelogen – und die Konzernpresse hatte mitgespielt. Das CENTCOM von McKenzie hatte zunächst behauptet, der weiße Toyota habe eine "unmittelbare Bedrohung" für den Flughafen Kabul und für die laufende Evakuierung dargestellt, und es habe beim Angriff keine zivilen Opfer gegeben. Dann sprach es davon, dass es zivile Opfer gegeben haben könnte, gab aber einer angeblichen Sekundärexplosion die Schuld.

"Wir wissen, dass es infolge der Zerstörung des Fahrzeugs zu einer erheblichen und mächtigen Folgeexplosion kam, was auf eine große Menge an explosivem Material im Inneren des Fahrzeugs hindeutet, was möglicherweise zusätzliche Opfer verursacht hat", hatte CENTCOM-Sprecher Captain Bill Urban am 29. August gesagt.

Buchstäblich nichts davon entsprach der Wahrheit.

Laut einer Untersuchung der New York Times, die am 10. September veröffentlicht wurde, hatte sich das, was das US-Militär für verdächtig hielt, als Büro einer von den USA finanzierten Hilfsorganisation entpuppt, für die Ahmadi 14 Jahre lang gearbeitet hatte. Die verdächtigen Taschen und Container in seinem weißen Toyota? Laptoptaschen und Wasserkrüge, die er mit nach Hause brachte.

Ahmadi hatte sogar ein Visum für die Auswanderung in die USA beantragt, als einer der "speziellen Einwanderer", die angeblich mit der Luftbrücke aus Kabul evakuieren werden sollten. Jemand gab jedoch einen Befehl, und eine Hellfire-Rakete löschte ihn, sein Auto und sieben Kinder, die den Heimkommenden begrüßten wollten, aus.

Der letzte US-Flug aus Kabul war am 30. August kurz vor Mitternacht gestartet. Präsident Joe Biden wandte sich am folgenden Tag an die Nation und nannte die Luftbrücke einen "außerordentlichen Erfolg". Am Tag darauf standen Verteidigungsminister Lloyd Austin und der Vorsitzende des Generalstabs, General Mark Milley, Reportern im Pentagon gegenüber und klopften sich für ihre gute Arbeit gegenseitig auf die Schultern.

Nach dem Drohnenangriff gefragt, beschrieb Milley ihn als "gerecht" und sagte, er habe einen ISIS-K "Mittelsmann" getötet.

"Wurden andere getötet?"

"Jawohl."

"Wer waren sie?"

"Wir wissen es nicht", sagte er und schien mehr daran interessiert zu sein, über seine Wut und seinen Schmerz über den gerade zu Ende gegangenen Krieg in Afghanistan zu sprechen.

Zwölf Tage später, am Montag nach der Veröffentlichung der Times-Untersuchung, bestand Pentagon-Sprecher John Kirby immer noch darauf, dass der Angriff in Kabul einen "drohenden Angriff" auf den dortigen Flughafen und die dortigen US-Streitkräfte verhindert habe. Erst am Freitagnachmittag, als Washington traditionell seine schlechten Nachrichten veröffentlichte, erschien McKenzie auf dem Bildschirm im Besprechungsraum des Pentagon und lieferte sein "Hoppla" – bloß dass es sich hier nicht um ein "Hoppla" handelt, sondern um ein Kriegsverbrechen. Sie haben Kinder getötet.

Ahmadi und die Kinder wurden getötet, weil das sich Weiße Haus nach dem Selbstmordanschlag vom 26. August am Kabuler Flughafen, bei dem 13 US-Soldaten und 170 Afghanen ums Leben gekommen waren, knallhart geben und die Fähigkeit demonstrieren wollte, "über den Horizont zu agieren", die man angeblich haben soll.

McKenzie wollte es so aussehen lassen, als sei der Rückzug keine Demütigung gewesen. Milley musste kompetent aussehen – etwa so wie im vergangenen Januar, als er China versichert hatte, dass "die amerikanische Regierung stabil ist und alles in Ordnung sein wird", während er sich mit den Demokraten zusammengetan hatte, um Präsident Donald Trump kaltzustellen und Washington auf Biden vorzubereiten – dies laut einem Buch, aus dem seit vergangener Woche viel zitiert wird.

Zurücktreten? Natürlich nicht. Außerdem sagte Milley, er habe nichts falsch gemacht, und Biden sprach ihm sein "völliges Vertrauen" aus. Die Sache ist die, Joe, Ken und Mark und alle anderen, die an dieser Befehlskette beteiligt waren: Ihr habt Kinder getötet.

Schlimmer noch, sie hätten sofort wissen müssen, was Sache ist. Lokale Medien berichteten umgehend über die zivilen Opfer des Angriffs, gefolgt von Medien wie CNN. RT hat die Überlebenden Tage vor der Veröffentlichung der Times-Untersuchung interviewt. Behauptet irgendjemand ernsthaft, dass die New York Times über die Ressourcen und Fähigkeiten verfügt, in der Sache zu recherchieren, die das unendlich besser finanzierte Pentagon und die CIA nicht hat? Oder war man zu sehr damit beschäftigt, kritische Rassentheorie zu studieren und die eigenen Reihen von einheimischen "Nichtsnutzen" zu säubern, um darauf zu achten, welchen weißen Toyota man in Kabul in die Luft jagt? Sehen diese Toyotas nicht alle gleich aus?

Sie. Haben. Kinder. Getötet.

Und das nicht zum ersten Mal. Laut den im Oktober 2015 veröffentlichten "Drone Papers", die US-Angriffe mit Drohnen in Afghanistan, Somalia, im Jemen und anderswo detailliert auflisten, waren bisher die Opfer zu 90 Prozent unschuldige Zivilisten – aber das Militär stuft sie trotzdem als Terroristen ein. Der Mann, der dies enthüllt hatte, Daniel Hale, wurde im vergangenen Juli für 45 Monate ins Gefängnis gesteckt.

Der Mann, der das Folterprogramm der CIA enthüllt hatte, John Kiriakou, landete ebenfalls hinter Gittern. Julian Assange von WikiLeaks steckt immer noch in einem englischen Kerker fest, ein Jahrzehnt nachdem er US-Kriegsverbrechen im Irak aufgedeckt hat, während in der Zwischenzeit die Generäle und Politiker, die Kinder ermordet und andere Kriegsverbrechen begangen hatten, Orden erhielten und befördert wurden, fette Buchverträge einheimsten und üppige Beraterhonorare aus der "Verteidigungsindustrie" einstrichen – und Macht bekamen, natürlich.

So funktioniert das Imperium. Das war schon immer so, auch wenn seine Kinder mordende Führungskaste von "Verteidigung der Demokratie", "regelbasierter internationalen Ordnung" und "Menschenrechte für Frauen und Mädchen" schwafelt.

Die sollen das mal der den beiden Zweijährigen Malika Ahmadi und Sumaya Yousoufi sagen, die sie am 29. August in Kabul getötet haben. Ich hoffe, ihre Geister verfolgen euch für den Rest eures erbärmlichen Lebens.

Übersetzt aus dem EnglischenNebojša Malić ist ein serbisch-US-amerikanischer Journalist, Blogger und Übersetzer, der von 2000 bis 2015 eine regelmäßige Kolumne für Antiwar.com schrieb und heute Autor bei RT ist. Man kann ihm auf Telegram unter @TheNebulator und auf Twitter unter @NebojsaMalic folgen.

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