Meinung

Was zählt der hippokratische Eid in Coronazeiten?

In diesen Tagen kann es Ihnen passieren, dass die Tür beim Arzt verschlossen bleibt, weil die Symptome Ihrer Krankheit ähnlich denen sein könnten, die COVID-19 zugeschrieben werden. Hilfe? Fehlanzeige.
Was zählt der hippokratische Eid in Coronazeiten?Quelle: www.globallookpress.com © Thomas Koehler / photothek.net

von Klaus Krickow

Es gab einmal Zeiten, da standen die Türen der Ärzte all jenen offen, die erkrankt waren. Und, was noch viel wichtiger war, man durfte Hilfe erwarten. Doch das war einmal. Man braucht sie schon gar nicht mehr zu nennen, diese eine Krankheit, der heutzutage alles andere – aber auch wirklich alles – untergeordnet wird. Wer aber in diesen Zeiten mit anderen gesundheitlichen Herausforderungen zu kämpfen hat, wird verstehen, wovon die Rede ist.

In meinem Fall geht es um eine Chemotherapie. Eine "leichte" soll es sein, so wurde mir gesagt, ich könne zu Hause bleiben. Aber dennoch fällt vieles schwer. Und hin und wieder sind die Nebenwirkungen so stark, dass es keinen Alltag gibt. Im konkreten Fall waren dies vor allem starke Ausschläge, Übelkeit, Schwäche und – jetzt kommt's – grippeähnliche Symptome.

Dinge gehen einem durch den Kopf und ich beschloss, meinen Hausarzt aufzusuchen. Das Problem: Mein Hausarzt vergibt gerade keine Termine. Wegen Corona. Was das eine mit dem anderen zu tun hat, verstehe ich zwar nicht, aber das geht mir in "Pandemiezeiten" ohnehin häufiger so. Stattdessen läuft das beim Hausarzt so ab: Man geht um 7 Uhr hin und hofft bis 7.30 Uhr, zu denen zu gehören, die am selben Tag behandelt werden. Wer später kommt, hat Pech gehabt. Das mag für Praxen in Gegenden mit wohlhabenderem Publikum womöglich anders funktionieren, hier jedoch ist es so.

Diese Option fiel für mich aber flach – undenkbar in meinem Zustand. Ich griff also zum Telefon und nachdem ich erklärt hatte, dass ich zu schwach sei, um draußen vor dem Haus zu warten, und dringend behandelt werden müsse, gab man mir ausnahmsweise doch einen Termin. Alles war also geklärt, man wusste, was für ein Patient da kommt. Und so ging ich zum vereinbarten Termin und bekam am Eingang prompt die Frage gestellt, ob ich grippeähnliche Symptome hätte. An der Tür, auf dem Treppenabsatz, versuchte ich zu erklären, was ich habe. Mittlerweile bin ich es ja durch viele vorangegangene Besuche schon gewohnt, mein Krankheitsbild auf dem Bürgersteig zu verkünden. Auch als ich meine Mutter begleitete, die im Juni an einer Krebserkrankung verstarb, hatte ich mehrfach miterleben müssen, wie gnadenlos das Gesundheitssystem ist, wenn es um die pflichtgetreue Erfüllung von Coronamaßnahmen geht.

Trotz alledem habe ich mit dem jetzt Erlebten nicht gerechnet. Man verweigerte mir den Eintritt, weil ich den Fehler machte, nicht mit einem klaren "Nein" auf die Frage nach den grippeähnlichen Symptomen zu reagieren. Ich solle zu dem Arzt fahren, der die Chemotherapie veranlasst hat, mich dort testen lassen und dann könnte ich zurückkommen. Wie bitte? Ich soll in meinem Zustand quer durch die Stadt fahren? Ja, lassen Sie sich testen und dann lässt der Arzt Sie rein. Moment mal, Sie glauben, ich habe Corona und schicken mich – mal ganz abgesehen davon, dass ich gerade körperlich nicht dazu in der Lage bin – durch die ganze Stadt? Warum machen Sie denn keinen Test? Das können wir nicht!

Es wurde immer verrückter. Schließlich kam ich auf die Idee, auf der anderen Straßenseite einen Schnelltest machen zu wollen. Das ginge aber gar nicht, denn diese Tests seien unbrauchbar. Moment, es gibt Tests, die unbrauchbar sind? Ja. Für mein Gegenüber schien es kein logisches Problem darzustellen, dass überall mit Tests hantiert wird, die eigentlich unbrauchbar sind. Also, ich lebe zwar im "hippen" Berlin, bin aber im Dorf aufgewachsen. Wir haben gerochen, wenn etwas stinkt. Auch heute noch.

Ich ersparte mir nun aber jegliche Diskussion und sagte nur noch: "Geben sie mir wenigstens einen Krankenschein und meine Medikamente." Man verneinte. Jetzt sah ich nur noch eine Möglichkeit. Ich setzte mich auf die kleine Treppe und verkündete sehr lautstark: "Ich habe Krebs und kein Corona! Gibt es hier einen Arzt, der mich behandelt?" Als dann Zeugen hinzukamen – es war ja alles draußen auf dem Bürgersteig – gab man mir endlich ein Medikament und einen Krankenschein. Ohne den hätte ich rein theoretisch zur Arbeit gemusst. Natürlich erhielt ich dies nicht ohne die wiederholte Aufforderung, ich solle nur mit dem ("richtigen") Test zurückkommen, nur so würde man mich rein lassen.

Das ganze Gespräch fand übrigens mit der Sprechstundenhilfe statt, die dann zwischen mir und dem Arzt hin und her wechselte. Der Arzt wusste jedenfalls, dass auf seiner Treppe ein Patient sitzt, der gerade mit den Nebenwirkungen einer Chemotherapie kämpft. Aber, wie so oft und überall in diesen Zeiten, Corona geht vor. Und was bleibt? Nur einmal mehr viele Fragen über den Sinn oder Unsinn all dieser Maßnahmen. Ansonsten bin ich einfach nur froh, dass gerade Spätsommer war und nicht Winter.

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