Meinung

Hilfe! Der Wahl-O-Mat macht mich zum Nazi! Oder: Warum werden meine Anliegen gar nicht thematisiert?

Seit Mittwoch ist der Wahl-O-Mat zur anstehenden Bundestagswahl online. Während beispielsweise der Klimawandel, Migration und Gender viel Platz einnehmen, fallen Themen wie die Corona-Krise, die deutsche NATO-Mitgliedschaft oder soziale Fragen kaum ins Gewicht. Umso kurioser sind oftmals die Ergebnisse.
Hilfe! Der Wahl-O-Mat macht mich zum Nazi! Oder: Warum werden meine Anliegen gar nicht thematisiert?© BpB

von Kaspar Sachse

Bereits seit 2002 gibt es für orientierungslose Wähler den von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) konzipierten Wahl-O-Mat. Seit Mittwoch ist die neue Version zur anstehenden Bundestagswahl am 26. September online. 38 Thesen bzw. Fragen können Interessierte mit "Ja", "Nein", oder "Neutral" beantworten und anschließend mit den 40 zur Wahl stehenden Parteien vergleichen. Grundsätzlich also eine feine Sache.

Entscheidend sind jedoch die aufgestellten Thesen und wie kompatibel sie mit den einzelnen Wahlprogrammen sind. Dabei zeigt sich: Themen, die besonders den Grünen, der SPD und der Linkspartei (Tempolimit auf Autobahnen, Wählen ab 16, Legalisierung von Cannabis, Klimawandel (letzteres wurde gleich sechsmal thematisiert), Migration und Gender zusammen neunmal) wichtig sind, stehen dabei verstärkt im Fokus.

Interessant ist: Wer den menschengemachten Klimawandel oder auch lediglich die Zweckmäßigkeit der Maßnahmen dagegen anders als die Qualitätsmedien und Premiumwissenschaftler einstuft, wer gegen unkontrollierte (!) Migration ist oder einfach konservative Werte vertritt (wie bei der Familienfrage), bei dem landen AfD, NPD, III. Weg und Co. (falls die aus purer Neugier mit ausgewählt wurden), aber auch die neue coronakritische Partei "dieBasis" ganz weit oben – und die Frage stellt sich: Bin ich schon Nazi, oder kann ich mich noch bessern?

Mindestens genauso spannend ist die Palette an dringenden Fragen bzw. Thesen zu anderen Themen, die vielen Menschen auf den Nägeln brennen und überhaupt nicht thematisiert werden. Anregungen wären z. B.:

Corona/Lobbyismus/Schuldenkrise

  • Das massenweise Impfen mit völlig neuartigen mRNA-Impfstoffen soll freiwillig bleiben – und nicht an Eintrittsbeschränkungen zu öffentlichen Veranstaltungen und Gebäuden (geregelt über den digitalen Impfpass) gekoppelt werden.
  • Wenn jeder ein "Impfangebot" erhalten hat, sollen alle Maßnahmen beendet werden.
  • "Bürgertests" sollen kostenfrei bleiben, wenn sie schon verlangt werden.
  • Aus der "3G-Regel" darf niemals "2G" oder "1G" werden.
  • Das Patientengeheimnis darf auch wegen COVID-19 nicht abgeschafft werden.
  • Politiker in Fachministerien sollten eine nachgewiesene Expertise vorweisen können.
  • Die Transparenz von Lobbyregistern an der Schnittstelle von Politik und Wirtschaft soll ausgebaut werden.
  • Die Hälfte der Gewinne von BioNTech, dessen Forschung mit Steuergeldern finanziert wurde, sollte zurück an den Bund fließen.
  • Aktiengewinne zwischen Februar 2020 und September 2021 über 50.000 Euro sollten mit 75 Prozent versteuert werden und zur Tilgung der Schuldenkrise ("Corona-Krise") herangezogen werden.

Deutsche NATO-Mitgliedschaft/Bundeswehr/"Flüchtlingskrise"/Russland

  • Deutschland soll aus der NATO austreten.
  • Sämtliche US-Truppen sollen aus Deutschland abgezogen werden.
  • Die Bundeswehr hat im Ausland nichts verloren.
  • Die Bundeswehr ist als reine Verteidigungsarmee anzusehen. Zivile Einsätze im Inneren gehören nicht dazu. 
  • Für nicht politische Verfolgte soll es eine jährliche Asylobergrenze von 100.000 Personen geben.

  • Nach dem Vorbild von Kanada und Australien sollen Einwanderer eine entsprechende Qualifikation und ein geregeltes Einkommen nachweisen.
  • Straffällig gewordene Asylbewerber gehören sofort abgeschoben.
  • Edward Snowden und Julian Assange sollen politisches Asyl in Deutschland erhalten.
  • Die Wirtschaftssanktionen gegen Russland sollen beendet werden.

Soziale Frage/Steuern

  • Hartz IV soll abgeschafft werden.
  • Ein Bürgergeld bzw. Grundeinkommen soll vom Staat gezahlt werden.
  • Die Politik soll den Steuertarif jährlich an die Inflationsrate anpassen (um eine kalte Progression zu vermeiden).
  • Die Mehrwertsteuer soll gesenkt werden.
  • Die Erbschaftssteuer soll erhöht werden.

Doch all diese Fragen spielen beim neuen Wahl-O-Mat keine Rolle – man sollte die Bürger ja nicht überfordern. Wichtiger scheinen Thesen wie: "Das Tragen eines Kopftuches soll Beamtinnen im Dienst generell erlaubt sein" oder "Bundesbehörden sollen in ihren Veröffentlichungen unterschiedliche Geschlechtsidentitäten berücksichtigen". Die "alternativlosen" politischen neoliberalen und identitätspolitischen Nebelkerzen sind also zuhauf zu finden. Dabei hat die bpb einen klaren "Auftrag", wie man auf ihrer Homepage nachlesen kann:

"Die Bundeszentrale für politische Bildung unterstützt alle interessierten Bürgerinnen und Bürger dabei, sich mit Politik zu befassen. Ihre Aufgabe ist es, Verständnis für politische Sachverhalte zu fördern, das demokratische Bewusstsein zu festigen und die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit zu stärken." 

Chef der bpb ist seit 2000 Thomas Krüger: SPD-Mitglied, DDR-Bürgerrechtler und ehemaliger evangelischer Theologe mit spannender Biografie. Laut Wikipedia war er "2002 Mitglied der Jury, welche das Internet-Netzwerk Indymedia mit dem Poldi-Award auszeichnete (der Preis war auch von der Bundeszentrale für politische Bildung mitinitiiert worden)" und warnte im letzten Jahr  "vor einer Diskursverengung durch Antisemitismusvorwürfe" und plädierte für eine "Öffnung der öffentlichen Debatte über die politischen Positionen der israelfeindlichen und vom Deutschen Bundestag 2019 als antisemitisch eingestuften BDS-Bewegung".

Der Wissenschaftliche Beirat besteht aus zwölf Professoren aus den Bereichen Pädagogik, Geschichte, Ethik, Politikwissenschaft, Kommunikationswissenschaft, Wirtschaft, Islamwissenschaft, Turkistik und Migrationsforschung. Dabei lassen sich unter anderem Verbindungen zur den Grünen nahestehenden Heinrich-Böll-Stiftung, zur CDU/CSU und zur Evangelischen Kirche Deutschlands nachweisen. 

Das "Kuratorium" der bpb besteht aus 22 Mitgliedern des Deutschen Bundestages, es "kontrolliert die Arbeit der Bundeszentrale auf Wirksamkeit und politische Ausgewogenheit". Entsprechend ihrer Anzahl im Parlament sind die einzelnen Fraktionen vertreten: Acht kommen von der CDU, fünf von der SPD, drei von der AfD und jeweils zwei von FDP, Grünen und Linken.

Eine gewisse Staats- bzw. Regierungsnähe ist bei diesem Personal folglich unverkennbar. Ein politisches – vom Wähler goutiertes – "Weiter so!" nach dem 26. September ist daher durchaus erwünscht – ob nun mit CDU, SPD oder den Grünen an der Spitze (die Unterschiede sind sowieso marginal), ist relativ egal. Doch wer das nicht will, der ist eben Nazi – und sollte dringend noch sein "demokratisches Bewusstsein" durch die zahlreichen Veranstaltungen und Broschüren der bpb schärfen. 

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln. 

Mehr zum Thema  -  Bundeszentrale für politische Bildung ändert Definition im Dossier über Linksextremismus

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.