Europa

"Das schafft militärische Bedrohung" – Ukraine will auch nach Einigung gegen Nord Stream 2 kämpfen

US-Außenpolitiker baten die Ukraine diskret um Zurückhaltung bei Kritik an der deutsch-US-amerikanischen Einigung über die Pipeline Nord Stream 2. Nach der Bekanntgabe des Abkommens zeigt sich Kiew dennoch schwer enttäuscht.
"Das schafft militärische Bedrohung" – Ukraine will auch nach Einigung gegen Nord Stream 2 kämpfenQuelle: AFP © John Macdougal

Am Dienstag berichtete das US-Politmagazin Politico über heikle Gespräche zwischen der Biden-Administration und ukrainischen Unterhändlern. US-Regierungsbeamte hätten ihre ukrainischen Amtskollegen leise aufgefordert, Kritik an der bevorstehenden Vereinbarung mit Deutschland zu Nord Stream 2 zurückzuhalten, so mehrere Personen aus den Verhandlungskreisen.

Die US-Beamten hätten angedeutet, dass ein öffentliches Auftreten gegen die erst am Mittwoch veröffentlichte Vereinbarung den bilateralen Beziehungen zwischen Washington und Kiew schaden könnte, so diese Quellen. Die Beamten hätten die Ukrainer auch dazu gedrängt, die möglichen Pläne der USA und Deutschlands nicht mit dem Kongress zu diskutieren. Denn der Kongress bringt auch ohne die Ukrainer genug Ärger für die Biden-Administration: Obwohl es einen überparteilichen Konsens in der Ablehnung des Projekts gibt, gehören seine lautstärksten Gegner wie Senator Ted Cruz der Republikanischen Partei an.

Um die Unterstützung der Ukraine für die Einigung zu gewinnen, reiste am 20. bzw. 21. Juli der Berater des US-Außenministers Antony Blinken Derek Chollet nach Kiew. Ein ähnliches diplomatisches Ziel verfolgt Chollet derzeit auch in Warschau, dort soll er zumindest dafür sorgen, dass Kritik am Abkommen aus der mittelosteuropäischen Region nicht zu laut wird. Es war zu erwarten, dass die Ukraine und Polen die USA des Verrates an ihren wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen beschuldigen würden.

Gemessen an der gemeinsamen polnisch-ukrainischen Erklärung ist ihm diese Schadenbegrenzungsaktion schwerlich gelungen. Die Entscheidung der USA und Deutschlands, "Versuche aufzugeben, den Start der Gaspipeline Nord Stream 2 zu stoppen, hat zusätzliche politische, militärische und energetische Bedrohungen für die Ukraine und Mitteleuropa geschaffen", heißt es in der Erklärung des ukrainischen und polnischen Außenministers Dmitri Kuleba und Zbigniew Rau, die am Abend des 21. Juli auf der Webseite des ukrainischen Außenministeriums veröffentlicht wurde.

Die Entscheidung "erhöht Russlands Fähigkeit, einen zerstörerischen Einfluss auf die Sicherheit in Europa zu haben" und "vertieft außerdem die Spaltung zwischen den NATO- und EU-Mitgliedsstaaten", hieß es in der Erklärung.

Das Ziel, das Energieprojekt zu stoppen, haben beide Staaten noch nicht aufgegeben. "Die Ukraine und Polen werden mit ihren Verbündeten und Partnern zusammenarbeiten, um sich Nord Stream 2 zu widersetzen" – bis durch das Projekt entstandene Bedrohungen des Friedens und der Energiesicherheit überwunden seien.

Der ukrainische Parlamentspräsident Dmitri Rasumkow äußerte sich in ähnlich alarmistischem Ton. "Ich fordere den US-Kongress auf, keine Abkommen zu genehmigen, die die europäische Energiesicherheit bedrohen und eine Gefahr für die nationalen Interessen der Ukraine und der USA darstellen", schrieb Rasumkow in einem offenen Brief an die Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi. Er merkte an, dass der Kongress noch weitere, verschärfte Sanktionen gegen beteiligte Unternehmen erlassen könne.

Nach seiner Überzeugung ist Nord Stream 2 als "Teil der aggressiven Politik zu sehen, die Russland nicht nur gegen die Ukraine, sondern gegen die gesamte westliche Welt betreibt".

Der Vertreter des Präsidialamtes Dmitri Podoljak reagierte deutlich gelassenerer. Ihm zufolge ist das deutsch-US-amerikanische Dokument lediglich eine Absichtserklärung. Zu einer "maximalen Konkretisierung der Garantien für die Ukraine im Bereich der Sicherheit und Energiestabilität" werde es nach dem Besuch von Präsident Wladimir Selenskij in Washington (am 30. August – Anm. der Red.) kommen.

Noch optimistischer zeigte sich an diesen Tagen der Naftogaz-Chef Juri Wetrenko. Er teilte auf Facebook mit, dass er jetzt in den USA sei, wo die ukrainische Opposition gegen Nord Stream 2 "starke überparteiliche Unterstützung" erhalte.

"Das Ergebnis zahlreicher Verhandlungen ist, dass wir eine starke überparteiliche Unterstützung in beiden Kammern des Parlaments haben! Unsere amerikanischen Partner im Kongress teilen voll und ganz die Position, dass Nord Stream 2 die Sicherheit der Ukraine bedroht. Deshalb sind sie bereit, weiterhin gemeinsam gegen dieses russische Projekt zu kämpfen. Die Werkzeuge dafür sind noch da", versicherte Wetrenko.

Ukrainische Medien weisen darauf hin, dass Besuch des ukrainischen Präsidenten in Washington zunächst für Juli geplant gewesen war. Nun sei der Termin auf den 30. August verschoben worden, zu diesem Zeitpunkt könne der Bau auf See schon beendet seien, schreibt das Nachrichtenportal strana.ua. Außerdem seien die Kongressabgeordneten noch (bis 20. September) in den Ferien, was negative innenpolitische Reaktionen in den USA deutlich begrenzen würde.

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