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Bericht der LMU München: Intensivbettenbelegung besserer Indikator als Inzidenz

Da die Sieben-Tage-Inzidenz als Begründung für die staatlichen Corona-Maßnahmen immer wieder kritisiert wird, fordern Wissenschaftler nun, stattdessen die Neuaufnahmen auf den Intensivstationen als Grundlage heranzuziehen. Dadurch könne die Corona-Lage sachgerecht dargestellt werden.
Bericht der LMU München: Intensivbettenbelegung besserer Indikator als InzidenzQuelle: www.globallookpress.com © imago stock&people

Obwohl bereits etliche Wissenschaftler kritisierten, dass die offiziellen Zahlen von positiv auf SARS-CoV-2 getesteten Personen nicht das tatsächliche Infektionsgeschehen widerspiegeln, wird im "angepassten" Infektionsschutzgesetz dennoch ausschließlich die Sieben-Tage-Inzidenz als Grundlage für weitreichende staatliche Einschränkungen des öffentlichen Lebens herangezogen. Zu den Kritikern dieser Methode gehören auch Statistiker der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, die im jüngsten Bericht der COVID-19 Data Analysis Group (CODAG) empfehlen, die Anzahl der Neuaufnahmen auf den Intensivstationen als zentralen Indikator für Maßnahmen zu verwenden.

In dem Bericht, an dem auch der Epidemiologe Gérard Krause vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung mitarbeitete, weisen die Wissenschaftler gleich zu Beginn darauf hin, dass es konsequente Meldeprobleme der Gesundheitsämter gebe, die sich durch die Verzögerungen an den Wochenenden und Feiertagen ergeben. Beispielsweise gab das Robert Koch-Institut (RKI) während der Osterfeiertage die Inzidenz in München an einem Tag mit 94,4 an, während das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit für denselben Tag eine Inzidenz von 116,4 mitteilte.

Weitere Probleme liegen in der Dunkelziffer der nicht erkannten Corona-Fälle, die auch von der Teststrategie, der untersuchten Region und der jeweiligen Altersgruppe abhängen. Laut CODAG-Bericht könne die Einführung von Reihentestungen an Schulen zu einer geringeren Dunkelziffer in den Altersgruppen und damit zu einer höheren gemeldeten Inzidenz führen, während sich an der Anzahl an schwer erkrankten Patienten wenig ändern sollte. Es sei andererseits aber auch möglich, dass präventive Maßnahmen die Gesamtinzidenz senken, während es bei den Hochrisikogruppen vermehrt zu Ansteckungen kommt:

"Dies war beispielhaft im November letzten Jahres zu beobachten, als die Inzidenzen bei den Hochbetagten zunahmen, die Meldeinzidenz (aller Altersgruppen) hingegen nur wenig Veränderung zeigte."

Wie die Wissenschaftler schreiben, sei egal, welcher Grenzwert für die Sieben-Tage-Inzidenz festgelegt werde, sie sei kein geeigneter Indikator. Es gehe dabei aber nicht darum, die Dinge zu verharmlosen, so Krause, sondern die Lage sachgerecht darzustellen. Wünschenswert wäre den Wissenschaftlern zufolge eine Kombination mehrerer Faktoren, doch falls nur ein Indikator verwendet werden soll, empfiehlt das CODAG-Team, die Zahl der wöchentlichen Neuaufnahmen auf den Intensivstationen zu verwenden. Im Vergleich zum bekannten DIVI-Register habe dies den Vorteil, dass diese von der Belegungsdauer und Verlegungsstrategien unabhängig sei.

Auch der Einwand von Kritikern, dass es zu spät zum Gegensteuern sei, wenn die Zahl der Neubelegungen auf den Intensivstationen steige, sei haltlos: Eine gewisse Zeitverzögerung könne durch einen niedrig gewählten Grenzwert ausgeglichen werden, wie selbst Christian Karagiannidis, Leiter des DIVI-Intensivregisters, bestätigt. Karagiannidis erklärte ebenfalls, dass die Intensivbettenbelegung unabhängig von Schwankungen sei. Dadurch gebe es keine Meldeverzögerungen oder Abhängigkeiten von der Testhäufigkeit.

Die Autoren des CODAG-Papiers fordern zudem, die Daten von positiv auf SARS-CoV-2 getesteten Patienten nicht dem Standort der Intensivstationen, sondern ihrem Wohnort zuzuordnen, da in Ballungsgebieten die Einzugsgebiete der Intensivstationen häufig auch benachbarte Landkreise umfassen. Zudem müsse man die doppelte Erfassung in der Statistik durch Verlegungen vermeiden und außerdem zwischen Patienten unterscheiden, die wegen einer tatsächlichen COVID-19-Erkrankung eingewiesen werden und solchen, die sich aufgrund einer anderen Erkrankung auf der Intensivstation befinden und nachträglich positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden. Derzeit haben die Neubelegungen einen ähnlichen Verlauf wie die Inzidenzen, sodass sich keine Änderungen ergeben würden. Laut LMU-Statistiker Helmut Küchenhoff hätte man dann jedoch eine rationale Grundlage.

Mittlerweile haben auch einige Mediziner vor dem allgegenwärtigen Alarmismus in der Corona-Krise gewarnt, der derzeit die Auslastung der Intensivstationen betrifft. Thomas Herman Voshaar, Chefarzt der Lungenklinik Bethanien Moers, sagte gegenüber der Bild:

"Wir waren und sind zu keiner Zeit am Rande unserer Kapazitäten."

Voshaar zufolge sei nicht einmal ein Viertel der Intensivbetten mit mutmaßlichen COVID-19-Patienten belegt. Auch Rolf Dembinski, Leiter der Klinik für Intensivmedizin und Notfallmedizin des Klinikums Bremen-Mitte, erklärte, dass die Lage in den Kliniken "angespannt, aber beherrschbar" sei. Die Krankenhäuser sind seit der "zweiten Welle" wieder dazu angehalten, Betten für potenzielle COVID-19-Patienten freizuhalten. Seit dem 18. November 2020 erhalten sie deshalb Ausgleichszahlungen, um die Liquidität der Häuser zu sichern. Wie jedoch aus einer Mitteilung der Krankenkasse AOK hervorgeht, ist dies, anders als im Frühjahr 2020, diesmal an die regionalen Inzidenzen geknüpft:

"Erst wenn die Sieben-Tage-Inzidenz je 100.000 Einwohner in einer Region über 70 steigt und mehr als 75 Prozent der Intensivbetten über sieben Tage hinweg belegt sind, können Kliniken die Gelder erhalten."

Dies gelte für Kliniken in der Region, die 2019 oder 2020 Zuschläge für eine umfassende oder erweiterte Notfallversorgung vereinbart haben.

Bei einem der Autoren des CODAG-Berichts ist es im Übrigen nicht das erste Mal, dass er eine Abkehr von der Inzidenz als zentralen Richtwert in der Corona-Krise forderte: RT DE berichtete bereits, dass der ehemalige Chef-Virologe an der Berliner Charité, Prof. Detlev Krüger, und der Epidemiologe Klaus Stöhr in einem offenen Brief an den Bundestag forderten, den Fokus nicht auf die Inzidenzen, sondern auf die tatsächliche Häufigkeit der Erkrankungen in ihrer jeweiligen Schwere zu legen.

Nach Informationen des Springerblatts Bild wollte auch Gérard Krause den offenen Brief unterzeichnen, durfte jedoch nicht. Als Begründung führte das Institut an, dass sich Forscher der Helmholtz-Gemeinschaft "seriös und neutral" äußern sollten, ohne sich dabei "in irgendeiner Weise politisch oder anderweitig vereinnahmen zu lassen". Doch diese Ansprüche scheinen nicht für alle Wissenschaftler der Helmholtz-Gemeinschaft zu gelten: Die Virologin Melanie Brinkmann und der Physiker Michael Meyer-Hermann, die wie Krause zum selben Helmholtz-Institut in Braunschweig gehören, zählen zu den bekanntesten Personen unter den Verfassern des sogenannten "NoCOVID"-Papiers, das nach einem Bericht der Zeit am 18. Januar dem Kanzleramt und den Ministerpräsidenten vorgestellt wurde.

Ziel der umstrittenen "NoCOVID"-Strategie war es, eine Inzidenz von Null anzustreben und mutmaßliche "Neuinfektionen" sowie Todesfälle zu verhindern. Demnach solle Deutschland in Zonen aufgeteilt werden: In grünen Zonen ohne positiv auf SARS-CoV-2 getestete Personen könne die Bevölkerung langsam zur Normalität zurückkehren, während in roten Zonen mit einer hohen Inzidenz weiterhin harte Maßnahmen wie Kontakt- und Mobilitätsbeschränkungen gelten sollen.

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