Deutschland

Wiener Gestapochef und SS-General diente zwölf Jahre lang dem BND

Als Adolf Eichmann 1962 hingerichtet wurde, war einer seiner wichtigsten Komplizen noch im Dienst des BND tätig. Franz Josef Huber ließ Zehntausende österreichische Juden in Konzentrationslager deportieren. Nach Kriegsende diente er erst dem CIA, dann dem BND – im Kampf gegen die UdSSR.
Wiener Gestapochef und SS-General diente zwölf Jahre lang dem BND© Bundesarchiv, Bild 192-303 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 DE , via Wikimedia Commons

Heute jährt sich der Prozessbeginn gegen den NS-Verbrecher Adolf Eichmann in Jerusalem zum 60. Mal. Eichmann war als Leiter des Referats IV B 4 ("Judenangelegenheiten, Räumungsangelegenheiten") im Reichssicherheitshauptamt für die Deportation von mehreren Millionen Juden in die Konzentrationslager verantwortlich. Auf der Wannsee-Konferenz 1942 führte Eichmann Protokoll über die sogenannte "Endlösung der Judenfrage". Eichmann floh nach dem Ende des zweiten Weltkriegs nach Argentinien, wo er unter umstrittenen Umständen aufgespürt und 1960 von Mossad-Agenten nach Israel entführt wurde. Dort machte man ihm seit dem 11. April 1961 der Prozess. Eichmann wurde vom Jerusalemer Bezirksgericht zum Tode verurteilt und am 1. Juni 1962 hingerichtet.

Einen anderen Lebensverlauf hatte einer von Eichmanns wichtigsten Komplizen, der SS-Brigadeführer Franz Josef Huber. Huber wurde 1938 gemeinsam mit Eichmann nach dem "Anschluss" Österreichs nach Wien abkommandiert und fungierte dort als Gestapo-Chef. Er leitete die von Eichmann aufgebaute Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien und schickte Zehntausende in die Konzentrationslager. Einer seiner Befehle lautete "unerwünschte Juden sofort zu verhaften und ins Konzentrationslager Dachau zu überführen".

Trotz eines Haftbefehls aus Österreich wurde Huber nach dem Zweiten Weltkrieg nie von Deutschland ausgeliefert. Er arbeitete erst für die CIA und dann zwölf Jahre für den Bundesnachrichtendienst (BND) bis zu seinem Rentenalter. Huber starb 1975, ohne sich je für seine Verbrechen verantworten zu müssen.

Die Rolle von Huber in der Massendeportation von österreichischen Juden ist schon länger bekannt. Neu sind die Rechercheergebnisse beim Report München, einem ARD-Politmagazin, über Hubers Arbeit für den BND. Dafür wertete der Report München Hunderte Seiten bisher unbekannter Unterlagen aus dem BND-Archiv aus. Die vom BND deklassifizierten Unterlagen zeigen, dass Huber dem BND bzw. dessen Vorläuferorganisation von 1955 bis 1967 zu Diensten war.

Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkrieges bot sich Huber, der von US-Soldaten festgenommen wurde, dem US-Geheimdienst CIA an. Die New York Times, die Unterlagen vom Report München erhielt, berichtet mit Verweis auf CIA-Unterlagen, dass der US-Geheimdienst vor allem an Hubers Netzwerk aus Kriegstagen interessiert gewesen sei, um Agenten in der Sowjetunion zu rekrutieren. Ein CIA-Bericht von 1953 besagt:

"Obwohl wir uns der Gefahren bewusst sind, mit einem Gestapo-General zu spielen, glauben wir auf Basis uns vorliegender Informationen, dass Huber für unsere Organisation sehr nützlich sein kann."

1955 wurde Huber von der Organisation Gehlen, der Vorgängerorganisation des BND, angeworben, trotz genauer Kenntnisse seiner NS-Vergangenheit. Ein interner Bericht des BND vom 13. Januar 1964 stellt fest, Huber sei "insbesondere verantwortlich für die Unrechtsmaßnahmen, die im Bereich seiner Dienststellen aus rassischen oder anderen Gründen getroffen wurden".

Trotz eines Haftbefehles aus Österreich und mehrerer Versuche von Anwälten von NS-Opfern verhinderten CIA und BND eine Strafverfolgung Hubers. Belastendes Material wurde entfernt. Seine Rolle für die Geheimdienste war offenbar zu wichtig. Auf Anfrage vom Report München sagte der BND-Chefhistoriker Bodo Hechelhammer:

"Der Hintergrund ist natürlich, dass man zu dieser Zeit im aufkommenden Kalten Krieg natürlich vor allem Dingen stramme Antikommunisten gesucht hat und die hat man leider allzu oft auch in früheren Nationalsozialisten gesucht und gefunden."

Der BND täuschte vor, dass Huber nach seiner "Entnazifizierung" in seiner Heimatstadt München lediglich als "kleiner Angestellter" offiziell gearbeitet habe, während er tatsächlich für den BND tätig war. Im Jahr 1964 befürchtete der BND, Details über Hubers Vergangenheit könnten publik werden. Da Huber sich aber loyal gegenüber dem BND gezeigt hatte, wurde auf eine Entlassung verzichtet und Huber in einen bezahlten Vorruhestand geschickt, bis er 1967 in Rente ging. Bis zu seinem Tod 1975 konnte Huber unbehelligt unter seinem wirklichen Namen in München leben.

Professor Shlomo Shpiro von der Bar-Ilan-University in Israel ist erschüttert über das unbehelligte Leben, das Huber führen durfte:

Shpiro erklärte in der New York Times, Österreich sei damals "eine Hauptfrontlinie des Kalten Krieges" gewesen. Die westlichen Geheimdienste "konkurrierten untereinander", um "vertrauenswürdige antikommunistische Kontakte zu rekrutieren":

"Viele früher führende Nazis nutzten die neue kommunistische Gefahr aus, um sich selbst Immunität zu sichern vor einer möglichen Ermittlung wegen Kriegsverbrechen und um saftige Gehälter von US- und westdeutschen Geheimdiensten zu empfangen."

Der Historiker Stefan Meining, der an der Dokumentation über Franz Josef Huber mitwirkte, resümiert:

"Der BND hat viele Nazis rekrutiert, aber kaum jemand hatte eine derartig herausragende Position. Sie wussten genau, dass Huber kein kleiner Gestapo-Mörder war, sondern ein SS-General, der sich in den innersten Kreisen des NS-Terrorapparates bewegte und für den Tod Zehntausender Juden und Regimegegner verantwortlich war."

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