Europa

Wegen Schwedens "anderer" Corona-Strategie: Wissenschaftler sollen Öffentlichkeit manipuliert haben

Laut Berichten schwedischer Radiosender soll eine Gruppe aus Wissenschaftlern und Akademikern durch eine Social-Media-Kampagne versucht haben, Schwedens Ruf im Ausland aufgrund seiner "anderen" Corona-Strategie zu diskreditieren, die auf Freiwilligkeit der Bevölkerung setzt.
Wegen Schwedens "anderer" Corona-Strategie: Wissenschaftler sollen Öffentlichkeit manipuliert habenQuelle: www.globallookpress.com © Maxim Thore/Keystone Press Agency

Auch in Schweden, dass im Gegensatz zu Deutschland eine vollkommen andere Strategie im Kampf gegen die Corona-Krise fährt, spaltet die Corona-Politik Teile der Bevölkerung – allerdings auf eine etwas andere Art.

Anders als hierzulande gab es in Schweden seit Beginn der Corona-Gesundheitskrise nie einen "harten" Lockdown. Die schwedische Regierung beschränkte sich bisher weitestgehend darauf, die Bevölkerung durch Appelle zur Einhaltung von Abstands- und Hygieneregeln aufzurufen und an die Verantwortung  der Bürger zu appellieren. Der Präsenzunterricht an den Grund- und Vorschulen des Landes geht in der Corona-Gesundheitskrise unverändert weiter, auch die Geschäfte sind weiterhin geöffnet. Eine Maskenpflicht gibt es in Schweden ebenfalls nicht, sondern nur Empfehlungen, beispielsweise für den öffentlichen Nahverkehr.

Doch offenbar ist nicht jeder in Schweden mit dieser Art von Politik einverstanden: Die Radiosender Ekot und Vetenskapsradion, die zum öffentlich-rechtlichen Radiosender Sverige Radio gehören, hatten Einblick in eine 200 Mitglieder umfassende geschlossene Facebook-Gruppe erhalten, der mehrere Wissenschaftler, "Meinungsführer" und Forscher an schwedischen Universitäten angehören. Allen Mitgliedern ist gemein, dass sie Schwedens Umgang mit Corona vehement ablehnen und härtere staatliche Eingriffe ins öffentliche Leben befürworten.

Im Rahmen einer Social-Media-Kampagne äußerten die Teilnehmer der Gruppe schwere Vorwürfe gegen Schwedens Corona-Strategie – in einigen Beiträgen heißt es, dass Schwedens Bevölkerung mit Blick auf den Umgang mit Corona "einer Gehirnwäsche unterzogen wurde" und die schwedische Nation als "Täter" für die Corona-Strategie verantwortlich sei. In einigen Posts wurde auch beschrieben, wie man versucht habe, die Regierungen anderer Länder dazu zu bringen, in der Corona-Krise gegen Schweden "vorzugehen".

Die meisten Mitglieder sind in Schweden aktiv, auch wenn die Kommunikation auf Facebook hauptsächlich auf Englisch stattfindet. Einige der Beteiligten koordinieren die Aktivitäten in der Facebook-Gruppe und leiten die Nachrichten auf Facebook, Twitter sowie an schwedische und internationale Medien weiter.

Hanna Linderstål, eine unabhängige IT-Analystin, deren Forschungsschwerpunkt im Einfluss von Informationen auf Geschäftswelt und Behörden liegt, analysierte für die Radiosender die Social-Media-Kampagne der Gruppe. Der Expertin zufolge sind der Ton und die Methoden in der Gruppe besorgniserregend. Der Vorsitzende der Facebook-Gruppe beschreibt in seinen Beiträgen beispielsweise, wie Mitglieder der Kampagne versuchen, die Regierungen in Europa zu beeinflussen, um Quarantäne-Regelungen für im Ausland lebende Schweden durchzusetzen. Er schreibt auch, dass er entsprechende Nachrichten an Botschaften, Behörden und Politiker in ganz Europa gesendet habe.

"Was die Aktivitäten dieser Gruppe interessant macht, ist, dass sie teilweise internationale Medien umwerben, in denen sie Schweden als Misserfolg darstellen, und dass die schwedischen Behörden eine versteckte Agenda bezüglich der Corona-Strategie des Landes hätten", sagt Linderstål.

Der Analystin zufolge ist der potenzielle Einfluss dieser Gruppe auf schwedische und internationale Medien sehr besorgniserregend, denn unter anderem werden andere Länder aufgefordert, schwedische Bürger nicht reinzulassen, um sich zu "schützen".

Der Administrator der Facebook-Gruppe, der anonym bleiben wollte, hatte ein Interview mit dem Radiosender abgelehnt. In einer Mail an den Sender schrieb er jedoch, dass "andere Länder nicht den gleichen Fehler wie Schweden machen sollen". Laut Auskunft des Administrators bestand der Zweck der Gruppe lediglich darin, ein sicheres Umfeld für die Nutzer zu schaffen, "in dem sie frei ihre Meinung äußern können".

James Pamment, außerordentlicher Professor für strategische Kommunikation an der Universität Lund, hat die Aktivitäten der Gruppe ebenfalls beobachtet. Er erklärte dem Radiosender Ekot:

"Es ist eine Sache zu versuchen, die schwedische Politik zu beeinflussen und sich eine Meinung zu bilden, es ist eine andere Sache zu versuchen, schwedische Interessen im Ausland zu beeinflussen, die schwedische Staatsbürger betreffen können. Dort überschreitet die Gruppe eine Grenze."

Die Gruppe dient den Experten zufolge offenbar mehreren Zwecken: Zum einen soll die Berichterstattung in den schwedischen Medien kritisiert und die Corona-Politik des Landes beeinflusst werden. Doch einigen Teilnehmern geht es offenbar um mehr: Ihr Ziel ist es, das Ansehen Schwedens im Ausland zu ruinieren und auch den Ruf von Personen zu schädigen, die für die Strategie Schwedens verantwortlich sind.

Der Leiter der Facebook-Gruppe beschreibt in seinen Posts auch Pläne, die Verantwortlichen für die Corona-Strategie in Schweden vor ein internationales Gericht für Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu bringen. Völkerrechtsexperten bezeichnen diese Vorwürfe jedoch als absurd. Würde es sich bei der Corona-Strategie Schwedens um eine kriminelle Tat handeln, müsste es sich dabei um einen absichtlichen Angriff auf die Zivilbevölkerung wie etwa in einem Krieg handeln. Dies sei offensichtlich nicht der Fall, so die Experten.

Die "Arbeit" der Gruppe scheint bereits Früchte zu tragen: Der schwedische Epidemiologe Jonas F. Ludvigsson hat erklärt, dass er keine Corona-bezogenen Forschungsarbeiten mehr durchführen wird. In Untersuchungen hatte er festgestellt, dass das Risiko, dass Kinder schwer an COVID-19 erkranken, sehr gering sei und dass vom geöffneten Schulen kein erhöhtes Risiko ausgehe. Die Ergebnisse wurden nicht nur in Schweden kontrovers diskutiert. Infolge der Debatte nahm die Hetze gegen ihn in den sozialen Medien zu, der Mediziner soll auch Morddrohungen erhalten haben. Ludvigsson gab nun bekannt, dass er seine Forschungsarbeiten im Bereich COVID-19 einstellen wird.  Im Interview mit STV Örobro erklärte er dazu, dass für ihn seine Gesundheit an erster Stelle stehe:

"Wenn sie nachts und morgen wach sind, lohnt es sich nicht. In gewisser Weise ist es immer noch traurig, weil es bedeutet, dass die andere Seite gewonnen hat."

Wie der schwedische Physiologe Johan Hellström auf Twitter mitteilte, scheint es so, dass auch ein "hochrangiger" Professor, der Teil der Facebook-Gruppe ist, an der Aktion gegen Ludvigsson beteiligt war.

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