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"Black Hawk Down" – Massiver Anstieg von Hubschrauberabstürzen offenbart Krise des US-Militärs

Die jüngsten Verluste von fünf legendären UH-60-Hubschraubern zeigen beispielhaft die Schwierigkeiten bei der Instandhaltung eines alternden Luftfahrzeugs am Ende seiner Dienstzeit – sie könnten aber auch ein Anstoß für Anschaffung und Einsatz von mehr "Wegwerf"-Waffen sein.
"Black Hawk Down" – Massiver Anstieg von Hubschrauberabstürzen offenbart Krise des US-MilitärsQuelle: Gettyimages.ru

Ein Kommentar von Scott Ritter

Militärischer Flugbetrieb ist von Natur aus gefährlich, egal ob in Friedenszeiten oder während echter Einsätze. Als Kind eines für die Wartung von Fluggeräten zuständigen Offiziers der US-Luftwaffe und später als Marine-Luftbeobachter bei der US-Marineinfanterie habe ich die Folgen des Einsatzes von Luftfahrzeugen im Krieg wie im Frieden auf Leben und Tod erlebt.

Der Verlust von fünf Hubschraubern des Typs UH-60 Black Hawk der US-Armee im Laufe von 14 Monaten, wobei 16 Soldaten ums Leben kamen, unterstreicht diese Realität. Diese Reihe von Vorfällen hat sogar mit Kirsten Gillibrand ein prominentes Mitglied des Senatsausschusses für Streitkräfte von den Demokraten im US-Bundesstaat New York dazu veranlasst, einen geheim gehaltenen Bericht zu beantragen, der Klarheit in die Sache der möglichen Probleme beim Betrieb des Hubschraubers bringen sollte – ebenso auch dazu, was das Pentagon zum Beheben dieser Probleme zu unternehmen gedenkt.

Die Luftfahrzeug-Verlustrate, die der Senatorin Gillibrand Grund zu ihrer Besorgnis gab, entspricht den Verlusten, die der UH-60 Black Hawk in den ersten sechs Jahren seines Einsatzes erlitt, also zwischen 1982 und 1988, obwohl einige Maschinen bereits seit Mitte der 1970er Jahre geflogen wurden: Damals waren 31 Hubschrauber dieses Typs in schwere Unfälle verwickelt, bei denen 65 Soldaten ums Leben kamen. Seinerzeit erklärte die US-Armee, von der die Maschinen betrieben wurden, dass der Black Hawk "die niedrigste Unfallrate aller Army-Hubschrauber in den jeweiligen ersten sechs Einsatzjahren aufweist". Die Sicherheit neuer Hubschraubertypen, so eine Anmerkung der Armee, verbessere sich mit zunehmender Erfahrung im Umgang mit diesen Fluggeräten.

Die Erwartungen der US-Landstreitkräfte hinsichtlich dieser Entwicklungen entsprachen einer Studie der Rand Corporation aus dem Jahr 1968 zu Unfall- und Ausfallraten von Düsenjägern in Friedenszeiten. Obwohl die Unterschiede zwischen Hochleistungskampfflugzeugen und Drehflüglern so groß sind, dass jeder unmittelbare Vergleich unmöglich scheint, ergaben sich aus dieser Studie dennoch drei Trends, die statistisch relevant sind:

Erstens ist die Unfallrate bei der erstmaligen Neueinführung eines Systems höher. Das ist auf die Lernkurve all derjenigen beim Personal zurückzuführen, die mit dem Fluggerät interagieren – sowohl der Piloten als auch des Wartungspersonals.

Zweitens sollte sich, wenn das Luftfahrzeug einer angemessenen Wartung und Inspektion unterzogen wird, die Sicherheitsbilanz verbessern – wird doch auch die Flugbesatzung mit der Zeit immer besser.

Drittens weisen Flugmaschinen, die technische Systeme von früheren Generationen "geerbt" haben, im Laufe der Zeit höhere Systemausfallraten auf, als es bei komplett neu konstruierten Fluggerättypen der Fall sein sollte.

Die Rand-Studie verfolgt die Leistungsbilanz der UH-60-Maschinen über die gesamte jeweilig erwartete Dienstdauer von 25 Jahren: Es wird ein Rückgang von Unfällen festgestellt, die auf Fehler der Besatzungen zurückzuführen sind, wobei gleichzeitig durch Systemausfall bedingte Unfälle nicht zunehmen.

Doch im Jahr 1999 fiel dann die Entscheidung, die Dienstdauer der UH-60 im Rahmen eines SLEP (Service Life Extension Program, dt. etwa: Programm zur Verlängerung der Dienstdauer, also mit einer tiefgreifenden Generalüberholung nebst möglicher Modernisierung. Anm. d. Red.), das im Jahr 2002 beginnen sollte, um weitere 25 bis 30 Jahre zu verlängern. Und hier kommen die Daten der Rand-Studie bezüglich der Ausfälle "geerbter" (Teil-)Systeme zum Tragen: Bei Rand stellte man damals fest, dass die Häufigkeit von Flugzeugunfällen aufgrund von Wartungsproblemen am Ende der Nutzungsdauer bei Flugzeugen wie der F-86, einer Weiterentwicklung der F-84, und der F-16, einer Weiterentwicklung der F-102, höher war.

Und das Dienstdauer-Erweiterungsprogramm für den UH-60 schuf aus dem ursprünglichen UH-60A im Grunde ein neues Fluggerät, nämlich den UH-60L. Dadurch wurde auch der statistische Trend hinsichtlich der möglichen Ausfallraten von Luftfahrzeugen ein anderer: Statt jener Daten, die ein neu entwickeltes System widerspiegeln würden, hat man es nun mit Daten zu tun, welche die vom UH-60A "geerbten" Aspekte des UH-60-L berücksichtigen müssen. Kurz gesagt: Die US-Armee könnte berechtigterweise einen deutlichen Anstieg der auf Systemausfälle zurückzuführenden Flugunfälle erwarten – insbesondere, sobald auch der UH-60L das Ende seiner Einsatzdauer erreicht.

Man muss außerdem bedenken, dass sich die Rand-Studie auf den Flugbetrieb in Friedenszeiten konzentrierte. Das SLEP für den UH-60 begann im Jahr 2002 – genau zu Beginn der "ewigen Kriege" der Vereinigten Staaten in Afghanistan und im Irak. Kampfflugstunden sind für jedes Fluggerät weitaus belastender als dieselben Flugstunden, die in Friedenszeiten gesammelt werden. Diese Regel gilt umso mehr, wenn die Umgebung andere ständige Belastungen mit sich bringt – zum Beispiel durch feinen Sand, der die Triebwerk- und Rotorleistung beeinträchtigt.

Während das ursprüngliche SLEP eine Verlängerung der Dienstdauer der UH-60 um weitere 25 bis 30 Jahre vorsah, korrigiert die Realität diese prognostizierte Zeitdauer durch starke Beanspruchung der Fluggeräte in zwei Jahrzehnten ununterbrochener Kampfeinsätze um ein ganzes Jahrzehnt nach unten. Das bedeutet, dass man bereits ab dem Jahr 2015 mit Ausfall von Flugmaschinen aufgrund von Wartungsproblemen hätte rechnen können und müssen.

Und genau das ist passiert. Im April 2017 stürzte ein UH-60 Blackhawk im US-Bundesstaat Maryland ab, wobei der Pilot ums Leben kam und zwei Besatzungsmitglieder schwer verletzt wurden. Laut der Washington Post"ergab die Untersuchung der Armee, dass eine wichtige interne Laminathaut, die Teile des Rotorsystems zusammenhält, sich aufgelöst hatte. Dadurch fiel ein Teil des Heckrotorsystems des Luftfahrzeugs mitten im Flug ab." Anwälte, die die Familien der bei dem Unfall ums Leben Gekommenen und Verletzten vertraten, argumentierten, "…dass das Luftfahrzeug ein hohes Risiko des Versagens darstellt, falls es nicht auf angemessene Weise überwacht, inspiziert, konstruiert, hergestellt, überholt, zusammengebaut, verkauft, wiederaufbereitet oder zertifiziert wurde, und dass ein solches katastrophales Versagen zum Verlust der Kontrolle seitens des Piloten geführt haben konnte."

Ein Bericht des Leitenden Ermittlers der US-Armee fasste damals zusammen, dass die Armee "keine angemessene Finanzierung und Ausbildung für UH-60-Piloten an der neuen Ausrüstung bereitstellte", und stellte fest, dass die Armee auch "die Zustandsbewertung der Flugzeugwerke der UH-60-Flotte nicht effektiv verwaltete." Obwohl die Armee obligatorische Sicherheitsinspektionen und Flugbewertungen für die gesamte UH-60-Flotte eingeführt hatte, hielt der Bericht fest, dass diese erforderlichen Maßnahmen bei fast 25 Prozent aller Maschinen dennoch nicht durchgeführt wurden.

Das Problem der Instandhaltung eines Fluggeräts, das weit über den vorgesehenen Lebenszyklus hinaus im Dienst gehalten wird, ist mehr als nur eine Frage der Sicherheit. Laut dem Befehlshaber der US-Marineinfanterie, General David H. Berger, verringert ein übermäßiges Vertrauen in so genannte "Legacy Capabilities" (dt.: althergebrachte, also  Bestands-Fähigkeiten) wie Hubschrauber der UH-60-Reihe die Wirksamkeit des US-Militärs. Insbesondere gelte dies in einer Zeit, in der vom Pentagon verlangt werde, sich auf die "Bedrohungen" durch Russland und China zu konzentrieren.

"Während diese althergebrachten Kapazitäten in einer früheren Ära vielleicht dazu beigetragen haben, Konflikte zu verhindern und Schlachten zu gewinnen", schrieb Berger diesen Monat in einem Artikel in der Washington Post, den er gemeinsam mit dem Stabschef der US-Luftwaffe, General Charles "CQ" Brown, verfasste, "bieten sie heute keinen Vorteil mehr gegenüber der Konkurrenz."

Wegwerfwaffen als Zukunft des US-Militärs?

Anstelle dieser alternden oder zunehmend veralteten, "geerbten" Kapazitäten offerierten die Generäle nun "einen neuen Rahmen für die Definition der Einsatzbereitschaft, der die heutigen Bedürfnisse besser mit denen von morgen in Einklang bringt und Elemente der aktuellen Verfügbarkeit, der Modernisierung und der Risiken einbezieht." Aktuelle Beschaffungsmodelle sehen vor, dass ein Militärhubschrauber 25-30 Jahre lang geflogen wird, argumentierte Berger auf einer Konferenz, die nach der Veröffentlichung des Artikels stattfand. Dort brachte er aber zugleich die Idee des Einsatzes von "Wegwerf"-Kriegsmaschinen ins Spiel: "... Eine Einwegmaschine, was ist, wenn wir eine neue kaufen, sobald sie in einem Jahr ihren Dienst getan hat? Können wir das schaffen, wenn sie unbemannt ist? Wo ist der Knick in der [Kosten]Kurve, ab dem das bezahlbar wird?"

Das Schlüsselelement des Vorschlags von Berger und Brown ist dieser sogenannte "Knick in der Kurve", der allerdings weit über Fragen der Erschwinglichkeit hinausgeht. Der US-Verteidigungshaushalt für das Fiskaljahr 2019 beläuft sich auf rund 654 Milliarden Dollar. Davon sind 125 Milliarden Dollar für die Beschaffung von Waffen und Systemen und weitere 89 Milliarden Dollar für Forschung und Ausrüstungsentwicklung vorgesehen. Die Kontrolle darüber, wie und wo dieses Geld ausgegeben wird, ist nicht nur eine Angelegenheit des Vorrechts des Kongresses, sondern auch das Kernstück des politischen Überlebens jener Politiker, in deren Heimatbezirken dieses Geld ausgegeben werden könnte.

Es ist nur rechtens, dass Senatorin Gillibrand sich mit den Vorgängen rund um den Absturz von fünf UH-60-Hubschraubern und dem Tod von 16 Soldaten befasst. Es besteht der begründete Verdacht, dass die mangelhafte Wartung einer alternden "geerbten Fähigkeit" die Ursache für diese Unfälle ist. Einfach nur mehr Geld in die Wartung zu stecken, wird nicht die Tatsache beseitigen, dass die UH-60-Hubschrauber ihre Dienstzeit überlebt haben.

Gillibrand täte gut daran, die Überlegungen der Generäle Berger und Brown zu "Wegwerfsystemen" zu berücksichtigen – auch in Bezug auf Hubschrauber, wenn sie nach Lösungen für das Problem einer von Altersgebrechen geplagten Hubschrauberflotte sucht. Falls sie dies jedoch wirklich in Angriff nimmt, darf sie sich auf einen harten Kampf gegen das einstellen, was bereits US-Präsident Dwight Eisenhower den "Congressional-Military Industrial Complex" nannte: Dieser Komplex (also der militärisch-industrielle Komplex, eng verbandelt mit dem US-Kongress) stellte in der Vergangenheit stets den Profit der Unternehmen über die vom Kongress erkaufte Leistung, wenn es um die Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika ging.

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Übersetzt aus dem EnglischenScott Ritter ist ein ehemaliger Offizier für Aufklärung der US-Marineinfanterie. Er diente den USA in der Sowjetunion als Inspektor für die Umsetzung der Auflagen des INF-Vertrags, während des Zweiten Golfkriegs im Stab von General Norman Schwarzkopf und war danach von 1991 bis 1998 als Waffen-Chefinspekteur bei der UNO im Irak tätig. Derzeit schreibt Ritter über Themen, die die internationale Sicherheit, militärische Angelegenheiten, Russland und den Nahen Osten sowie Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung betreffen.

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