Gesellschaft

Eine verlorene Kindheit? – Hirnforscher Gerald Hüther warnt: Lockdown schadet Kindern langfristig

Hüther argumentiert: Langwährende Unterdrückung der eigenen Bedürfnisse führe dazu, dass diese im Gehirn gehemmt werden – mit dramatischen Folgen. Sage man einem Kind lange genug, es solle Oma nicht umarmen, "dann will es die Oma auch nicht mehr in den Arm nehmen".
Eine verlorene Kindheit? – Hirnforscher Gerald Hüther warnt: Lockdown schadet Kindern langfristigQuelle: Gettyimages.ru © Justin Paget

Der Hirnforscher Dr. Gerald Hüther warnt mit Blick auf die von der Regierung erlassenen Corona-Maßnahmen vor dramatischen Konsequenzen für die soziale und neurobiologische Entwicklung von Kindern. Insbesondere geschlossene Kitas und Schulen sowie Kontakteinschränkungen schadeten langfristig der Kindesentwicklung.

Hüther, der nach Darstellung des Magazins Focus "zu den bekanntesten Hirnforschern Deutschlands" gehört, spricht im Deutschlandfunk und mit dem Evangelischen Pressedienst über die Belastungen, denen besonders Kinder im Lockdown ausgesetzt seien. Seit fast einem Jahr müssten sie "ihre ureigensten Bedürfnisse unterdrücken, um diese Situation auszuhalten". Dieser Zeitraum sei für ein siebenjähriges Kind etwa so lang wie zehn Jahre für einen siebzigjährigen Menschen.

Der Hirnforscher hebt die Bedeutung der Schule für die Kindesentwicklung hervor. In den Schulen lernten Kinder nicht allein, sondern sie lebten dort auch ihre Bedürfnisse nach Freundschaft und gemeinsamem Spiel aus. Erwachsene hätten oft zu wenig Verständnis dafür, was das Unterdrücken dieser Bedürfnisse auslöse. Es können daraus langfristige Veränderungen im Gehirn resultieren.

Wenn Kinder über eine längere Zeit gegen innere Bedürfnisse ankämpften – etwa jemanden in den Arm zu nehmen, zu spielen oder sich zu bewegen –, dann werden die Motivationszentren im Hirn "mit hemmenden Verschaltungen überbaut". Damit sei das Bedürfnis letztlich nicht mehr spürbar – ein Schutzmechanismus des Gehirns, um mit sozialen Beschränkungen besser umgehen zu können.

"Die Kinder versuchen, uns Erwachsenen alles recht zu machen. Wenn man denen sagt: Du musst die Maske aufsetzen, du musst Abstand halten, du darfst die Oma nicht mehr in den Arm nehmen, dann nimmt das die Oma nicht mehr in den Arm. Und wenn das ein halbes Jahr so ist, dann will es die Oma auch nicht mehr in den Arm nehmen."

Diese Entwicklungen sind nach Angaben von Hüther nicht ohne Weiteres reparabel und betreffen nicht nur Bedürfnisse nach Kontakt, sondern auch die eigene Freude am Zusammensein mit anderen. Und je länger die Lockdown-Phase andauere, desto wahrscheinlicher bildeten sich bei den Kindern die hemmenden Verschaltungen in den Motivationszentren. Letztlich könne beispielsweise die Motivation vollständig verloren gehen, die eigene Oma zu besuchen.

"Am Ende ist die Oma vielleicht keine wichtige Begleitperson mehr für den Rest des Lebens. Wollen wir das?"

Die Interessen der Kinder werden von Politikern nicht berücksichtigt

Hüther argumentiert, soziale Kontakte seien für Kinder ebenso wichtig wie Nahrung. Kinder müssten sich mit anderen Kindern messen und sich gegenseitig zeigen, was sie "draufhaben" – "und sei es nur, dass sie am höchsten auf den Baum klettern können".

"Kinder entwickeln ihre ganzen Fähigkeiten im Grunde genommen doch nicht dadurch, dass man sie unterrichtet, sondern indem sie spielerisch ausprobieren, gemeinsam mit anderen."

Die ganze Debatte um Schulschließungen drehe sich zu sehr um die Bedürfnisse der arbeitenden Eltern und um die Ausprägung von Kompetenzen für die spätere Berufsausübung. Diese stehe auch im Homeschooling im Vordergrund. Zwar gebe es mittlerweile gut entwickelte digitale Lernmethoden. Diese sprechen aber nur Kinder an, die ein eigenes Interesse haben, sich das Wissen anzueignen. Es gebe aber auch viele Kinder, deren Lernerfolge von anderen Faktoren abhängen. Sie bräuchten den Kontakt zu einer Bezugsperson, zu einem engagierten Lehrer, der Interesse wecken könne: "Wenn dieses Interesse nicht da ist, nützt der ganze Homeschooling-Einfluss nichts."

Hüther mahnt vor den Folgen, wenn in der Debatte die Interessen der Kinder, ihre spezifische Art zu lernen und ihre Umwelt wahrzunehmen nicht berücksichtigt werden:

"Ich habe große Befürchtungen, dass hier eine Generation von jungen Leuten groß wird, die sich gar nicht mehr daran erinnern können – weil sie es gar nicht erlebt haben –, wie schön das war, als Kind lebendig zu sein."

Auch wenn sich die Kinder augenscheinlich gut in die Lockdown-Situation fügten, dürfe niemand dem Trugschluss erliegen, es gehe ihnen gut, warnt Hüther. Man zeige sie als "vermeintlich gute Beispiele und brave Kinder vor". Aber "wer Bedürfnisse unterdrückt, der sucht sich Ersatzbefriedigungen". Konkret nennt der Hirnforscher das Problem von Fettleibigkeit als Folge von "Fernsehen und Snacks futtern" sowie des dauerhaften "Rummachens im Internet".

Hüther appelliert an die Eltern zu lernen, sich selbst zu stärken. Das heiße nicht, dass jemand dafür seine Kinder wegschieben müsse, sondern man solle in sich hineinhören und sich fragen, was man gerade wirklich braucht. Daraus ergebe sich nahezu zwangsläufig ein natürliches Interesse daran, den Kindern mehr Aufmerksamkeit zu schenken:

"Möchte ich jetzt zwingend noch eine Überstunde machen, damit das Projekt fertig wird oder will ich vielleicht zu meinem Kind, was mit mir spielen möchte? Es ist nicht gut, immer nur zu versuchen zu funktionieren."

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