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Telegram-Chef über die neuen WhatsApp-Richtlinien: Die Flucht zu Telegram hat sich beschleunigt

Während Facebook die WhatsApp-Nutzer mit den neuen Richtlinien verschreckt und obendrein politisch unerwünschte Accounts löscht, meldet der Messengerdienst Telegram größeren Zulauf. Sein Chef Pawel Durow wirbt derzeit verstärkt um die Nutzer aus den USA.
Telegram-Chef über die neuen WhatsApp-Richtlinien: Die Flucht zu Telegram hat sich beschleunigtQuelle: www.globallookpress.com

Der Telegram-Gründer Pawel Durow erzählte am Freitag in einem Beitrag, warum Telegram an Popularität gewinnt und sein großer Wettbewerber Facebook über seinen Erfolg verärgert sein soll.

Der Zeitpunkt zwei Tage nach der kurzzeitigen Besetzung des Kapitols durch Trump-Anhänger in der US-Hauptstadt hätte für Eigenwerbung nie besser sein können. Nach der Ankündigung des Mutterkonzerns Facebook, bei WhatsApp-Nutzern die Datenschutzrichtlinien anpassen zu wollen, könnte Durow mit seinem Messengerdienst auch der digitale Kahlschlag im Trump-Lager in die Hände spielen. Am Tag zuvor kündigte der Facebook-Chef Marc Zuckerberg an, dass er Accounts des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump bei Facebook und Instagram zumindest bis zum Ende von dessen Amtszeit sperrt. Ähnliche Schritte haben auch andere Hightech-Giganten wie Twitter, Amazon, Google und Apple bereits unternommen.

Ohne direkt auf politische Zensur seitens der Konkurrenz einzugehen, sprach Durow in seinem Beitrag den "Mythos" an, Telegram sei "russisch". Er schreibt: "Tatsächlich hat Telegram keine Server oder Büros in Russland und wurde dort von 2018 bis 2020 blockiert." Telegram sei immer noch in einigen autoritären Ländern wie Iran blockiert, während WhatsApp und andere "vermeintlich sichere" Apps an diesen Orten nie Probleme gehabt hätten, so Durow weiter.

Iran zu erwähnen war ein gewiefter Zug. Denn sowohl Donald Trump als auch viele seiner Anhänger sind insbesondere über die Tatsache verärgert, dass das "Mullah-Regime und sonstige Diktaturen" bei Twitter und Co. ihre Konten unbehelligt führen können, der US-Präsident dagegen nicht mehr. Die Erinnerung daran, dass russische Behörden bei der Blockierung des Messengers scheiterten, war ebenso eine Botschaft: Alle anderen, auch die US-amerikanischen, würden scheitern, sollten sie es je versuchen.

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Auch die jüngste Änderung der WhatsApp-Bedingungen – das sogenannte "Facebook-Ultimatum" – hat Durow kritisiert. "Millionen von Menschen sind empört über die, die nun sagen, dass Nutzer all ihre privaten Daten an Facebook weitergeben müssen". So Durow weiter:

"Es ist keine Überraschung, dass sich die Flucht der Nutzer von WhatsApp zu Telegram, die bereits seit einigen Jahren anhält, beschleunigt hat."

Mit rund 500 Millionen Nutzern und steigender Tendenz sei Telegram zu einem großen Problem für den Facebook-Konzern geworden. "Unfähig, mit Telegram in Sachen Qualität und Datenschutz zu konkurrieren, scheint Facebooks WhatsApp auf verdecktes Marketing umgestiegen zu sein: Wikipedia-Redakteure haben kürzlich mehrere bezahlte Bots enttarnt, die verzerrte Informationen in den Wikipedia-Artikel zu WhatsApp einfügen", schrieb der Telegram-Gründer über den großen Wettbewerber. Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bei Telegram sei nach wie vor unschlagbar, und der Schutz der Privatsphäre sei garantiert, versicherte Durow.

Dann kündigte der Gründer und einstige Chef des sozialen Netzwerks Vkontakte an, Telegram künftig monetarisieren zu wollen. Sein erster Versuch scheiterte ausgerechnet an einem US-Gericht. Anfang 2018 sammelte das Unternehmen bei Investoren 1,7 Milliarden US-Dollar ein, um seine Blockchain-Plattform TON mit der Kryptowährung Gram zu starten. Das Gericht war der Meinung, dass Telegram Wertpapiere in den USA ohne ordnungsgemäße Registrierung platziert hätte. Telegram musste einen Großteil des Geldes nebst Entschädigung zurückzahlen.

Das russische Wirtschaftsportal Business-FM hat die aktuelle Wettbewerbssituation, in der sich Telegram gegenüber seinen Konkurrenten befindet, als sehr günstig bewertet:

"Der Zeitpunkt ist in der Tat sehr günstig. Die ganze Welt hat heute gelernt, dass die Redefreiheit in den amerikanischen sozialen Medien praktisch nicht existiert (…) Jedes Unternehmen kann jeden blockieren, den es will (…) Es ist eine gute Chance für Durow und Telegram, ein Statement abzugeben, um die Leute an die Existenz von Telegram-Kanälen zu erinnern, die eine Reihe von Vorteilen gegenüber Facebook und Twitter haben. Zum Beispiel die Abwesenheit eines algorithmischen Feeds und die Möglichkeit, alle Beiträge zu lesen, um keinen einzigen Beitrag zu verpassen, den eine Person oder der Autor eines beliebigen Kanals schreiben."

Den Zulauf bei Telegram kann man anhand mancher Accounts derzeit "Live" beobachten. So wächst der Kanal "Donald J. Trump" mit einer Geschwindigkeit von 5.000 bis 10.000 Nutzern pro Stunde und hat derzeit knapp 400.000 Abonnenten. Er ist aller Wahrscheinlichkeit nach noch kein offizieller Kanal von Donald Trump, sondern die Kopie seines einstigen Twitter-Accounts mit fast 90 Millionen Abonnenten. Nach dem Rauswurf der konservativen Onlineplattform Parler aus den Google- und Apple-Stores bleibt Telegram praktisch die einzige praktikable Alternative für alle, die mit der Informationspolitik der Hightech-Giganten nicht einverstanden sind. Allerdings gibt es keine Garantie, dass Google und Apple nicht auch irgendwann die Telegram-App aus ihren Stores entfernen. Doch darauf ist Durow gefasst und versichert, dass sein Unternehmen an einer funktionsfähigen Web-App arbeitet.

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