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Heiko Maas' Gastbeitrag vor US-Wahlen: "Wir teilen den Glauben an Demokratie, Freiheit und Würde"

In einem Gastbeitrag in der Welt veröffentlichte Außenminister Maas seine Gedanken zum zukünftigen Verhältnis zu den USA. So gäbe es keine Alternative zur "Sicherheitspartnerschaft" mit den USA. Doch "Europa" müsse seine Sicherheitsinteressen auch eigenständig wahrnehmen.
Heiko Maas' Gastbeitrag vor US-Wahlen: "Wir teilen den Glauben an Demokratie, Freiheit und Würde"Quelle: Reuters © Michael Dalder

Die US-Präsidentschaftswahlen nähern sich unaufhaltsam. Aus diesem Anlass griff Bundesaußenminister Heiko Maas zur Feder und verfasste in der Onlineausgabe der Zeitung die Welt ein Thesenpapier über das zukünftige transatlantische Verhältnis. Fünf Punkte widmete der oberste deutsche Diplomat seinem Wunsch nach einem "gemeinsamen Verständnis über die globalen Spielregeln", um mit "kühlem Kopf" den Endspurt um das "Weiße Haus" mit "Nüchternheit" und "Pragmatismus" zu analysieren.

Diese Analyse beginnt mit der Feststellung, dass die demokratische Verfasstheit der USA Vertrauen gerade auch von deutscher Seite verdient habe. Schließlich verdanke Deutschland den USA die Freiheit und Demokratie.

Trotz aller berechtigter Sorge, die manche Äußerung im Wahlkampf in uns weckt: Amerikas Institutionen, seine jahrhundertealte, krisenerprobte Verfassung haben Vertrauen verdient – gerade aus Deutschland, das seine Freiheit und Demokratie Amerika verdankt", schreibt der 54-Jährige zu Beginn unter Punkt eins.

Gelernt habe man von den USA vor allem auch den demokratischen Umgang mit Andersdenkenden. Diese dürften auch in Zeiten der Corona-Krise nicht zu Feinden gemacht werden.

Eines haben wir Deutsche in den vergangenen Jahrzehnten von den USA gelernt: Demokratie braucht Regeln, die von all ihren Vertretern akzeptiert werden (…) Wo Andersdenkende aber zu Feinden gemacht werden, da leidet die Demokratie. Da brechen zwangsläufig Spannungen auf, wie wir sie in den letzten Monaten in den USA erlebt haben und in der Corona-Krise auch bei uns erleben", so Maas.

Nun bestünde allerdings die Gefahr, dass man sich in Berlin und Brüssel auch nach den US-Wahlen auf "weniger amerikanisches Engagement in der Welt einstellen" müsse. Die Frage, ob dieses "Engagement" die Welt sicherer gemacht hat, stellt sich für den deutschen Außenminister offensichtlich nicht. Vielmehr gehe es nun darum, sich selbst mehr zu engagieren und die "ureigenen Sicherheitsinteressen" auch alleine meistern zu können.

Wir müssen uns auf weniger amerikanisches Engagement in der Welt einstellen. Wir haben schon vor der Wahl gesagt, dass es in unserem ureigenen Sicherheitsinteresse liegt, die Krisen vor unserer Haustür notfalls auch alleine bewältigen zu können. Das gilt nach der Wahl umso mehr – egal, wer sie gewinnt", weiß Maas.

Tatsächlich werden die Berliner Rufe danach, die "ureigenen Sicherheitsinteressen" bewältigen zu können, seit geraumer Zeit immer lauter. Der Terminus "vor der eigenen Haustür" ist dabei relativ zu sehen. Freiheit und Demokratie müssen nun weltweit verteidigt werden.

Wenn sich die internationale Gemeinschaft aus der Sahel-Zone zurückzieht, wer stoppt dann die Ausbreitung des Terrors, wer stoppt illegale Migrantenströme? Wir haben ein ureigenes Interesse, hier zu sein", lautete etwa die Einschätzung von Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zu den Einsätzen der Bundeswehr in Mali und Niger.

Mali sei "entscheidend" für Europa, so die Ministerin. Ob die Malier das "Sicherheitsinteresse" teilen, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle.

Oder Entwicklungsstaatssekretär Martin Jäger. Dieser forderte im September, dass Deutschland und Europa "interventionsfähig" werden müssen. Auch hier geht es um Sicherheit in der eigenen Nachbarschaft, oder wie Jäger es formuliert, um "Ordnung".

In der näheren und weiteren Nachbarschaft Europas muss Ordnung herrschen, und diese Ordnung sollte eine europäische sein", forderte der ehemalige Cheflobbyist der Daimler AG.

Doch zurück zum deutschen Außenminister. Nur dadurch, dass "Europa" seine Sicherheitsinteressen in Zukunft auch eigenständig wahrnehme, werde man ein "attraktiver Partner für die USA bleiben" können, lautet die kühle Analyse des deutschen Top-Diplomaten.

Denn es gibt für Europa keine verantwortungsvolle Alternative zur Sicherheitspartnerschaft mit den USA", schlussfolgert Maas am Ende von Punkt zwei seiner Thesen.

In China sähen die USA "die große strategische Herausforderung dieses Jahrhunderts", fährt der deutsche Außenminister fort. Daher werde auch die kommende US-Regierung "politisches und militärisches Kapital dorthin umlenken". Nicht ganz so "nüchtern" betrachtete US-Außenminister Mike Pompeo die geschürte Rivalität zu China Ende Juli.

Präsident Nixon sagte einmal, er fürchte, er habe einen 'Frankenstein' geschaffen, indem er die Welt für die KPCh öffnete. Und hier sind wir nun", gab Pompeo während seines eigenwilligen Ausflugs in die Zeitgeschichte die Stoßrichtung vor.

Eine zukünftige "Schwächung des transatlantischen Verhältnisses" mag Maas im US-Kurs gegenüber Peking nicht erkennen. "Die Gestaltung" der eigenen "Beziehungen zu China" berge vielmehr eine "Chance" auf eine "neue transatlantische Zusammenarbeit".

Denn Amerikaner und Europäer teilen das Interesse an offenen Gesellschaften, an Menschenrechten und demokratischen Standards, an fairem Handel, freien Seewegen und an der Sicherheit unserer Daten und unseres intellektuellen Eigentums", fasst Maas seine Interpretation der Essenz der transatlantischen Bande unter Punkt drei zusammen.

Als größter Handelspartner Chinas könne die EU gemeinsamen mit den USA Peking dazu bringen, "sich an solche internationalen Standards zu halten". An anderer Stelle wird in diesem Zusammenhang oft von "westlichen Werten" gesprochen.

Im vierten Punkt seines Artikels fordert Maas "einen Neuanfang in der transatlantischen Partnerschaft", ansonsten werde die Ordnung bald keine transatlantische mehr sein.

Denn die Profiteure unserer Differenzen sitzen in Peking und Moskau, aber auch in Teheran und Pjöngjang", mutmaßt Maas.

Doch "Partnerschaft" bedeute dabei "nicht blinde Gefolgschaft". In welchen Bereichen sich eine selbstbewusste, eigenständige Außenpolitik bislang niederschlägt, fließt nicht in die Einlassungen des Bundesaußenministers ein. Maas geht es auch eher darum, sich "besser abzustimmen".

Warum stimmen wir unsere Sanktionspolitik, aber auch mögliche Kooperationsangebote nicht enger ab, zum Beispiel wenn es darum geht, Russland zur Zusammenarbeit zu bewegen oder eine politische Perspektive für den Westbalkan aufzuzeigen?

Nun brauche es ein neues gemeinsames Verständnis über die globalen "Spielregeln", fährt der gelernte Jurist fort. Diese seien "in den letzten Jahren von diversen Seiten verletzt", weiß Maas nebulös zu berichten.

Internationale Zusammenarbeit, heißt es abschließend bei Punkt vier, sei auch in Sachen Corona-Pandemie angezeigt. Auch die Bereitstellung eines entsprechenden Impfstoffs ließe sich nur so bewerkstelligen.

Und dann kehrt Maas noch einmal zurück zu dem, was nach Ansicht der westlichen Spitzenpolitiker die USA und die EU vereint: das Streben nach Freiheit, Demokratie und Menschenrechten für alle Bewohner des Erdenrunds.

Die Menschen in unseren Ländern teilen den Glauben an die Demokratie, an die Freiheit und Würde des Einzelnen und daran, dass der Staat für die Menschen da ist und nicht umgekehrt. Keine Wahl kann dies auslöschen.

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