Nordamerika

Letzte Runde vor der Wahl

Da aufgrund der COVID-Erkrankung des US-Präsidenten ein geplantes "TV-Duell" abgesagt wurde, war dies die letzte Gelegenheit für die Kontrahenten, im direkten Aufeinandertreffen zu überzeugen. Doch wer konnte dabei stärker punkten?
Letzte Runde vor der WahlQuelle: Reuters © MIKE SEGAR

von Falko Looff

Ursprünglich hatten es drei "TV-Duelle" sein sollen. Nach Donald Trumps COVID-Erkrankung wollte sich Joe Biden nur auf ein Fernduell einlassen, was wiederum Trump nicht wollte. Am Ende einigte man sich dann darauf, das zweite Aufeinandertreffen ausfallen zu lassen und dafür quasi die ursprünglich für die kommende Woche geplante dritte Begegnung ein paar Tage vorzuziehen. Letzte Gelegenheit also für die Kontrahenten, gegenüber dem Wahlvolk bei einem direkten Aufeinandertreffen zu bestehen? Vermutlich ja. Und so gesehen war diese Begegnung für beide besonders wichtig.

Andererseits ist der Kreis der Unentschlossenen – jedenfalls, wenn man den Umfragen traut – bei dieser Wahl deutlich kleiner als sonst üblich. Die meisten Amerikaner wissen bereits jetzt, für welchen Kandidaten sie stimmen wollen, und werden dies nicht erst in der Wahlkabine entscheiden. Rund 50 Millionen Wähler, so ist zu hören, haben ihre Stimme bereits abgegeben – und zwar in beiden Lagern. Sie taten dies per Briefwahl oder per direkter Abstimmung in vorab geöffneten Wahllokalen. Gemessen an der Wahlbeteiligung von 2016 wäre das jedenfalls jeder dritte Wähler.

Es war also eigentlich nichts mehr zu holen. Oder doch? Nun, um es gleich vorwegzunehmen: Den "Sieg" des "Duells" beanspruchen beide Seiten für sich. So sagte der Sprecher von Trumps Wahlkampfteam, Tim Murtaugh, es sei ein "absoluter, totaler Sieg für Präsident Trump" gewesen, wie dpa berichtet. Umgekehrt teilte Herausforderer Biden nach der Debatte auf Twitter mit:

Leute, ich habe gerade die Debatten-Bühne verlassen, und ich habe noch nie so sehr darauf gebrannt und war noch nie so bereit, diese Wahl zu gewinnen.

Natürlich muss dies durch die "zugehörigen" Medien auch ordentlich flankiert werden. Während Fox News Trump zum Sieger erklärte, fand CNN Biden besser. Welch Überraschung! Doch wie lässt sich überhaupt klären, wann ein Sieg ein Sieg und eine Niederlage eine Niederlage ist? Im Kern gibt es da immer zwei Ebenen, die man voneinander trennen sollte – die inhaltliche Seite und die Frage der "Performance". Subjektiv ist letztlich natürlich beides.

Inhaltlich bekamen die Zuschauer das, was sie erwarten konnten. Kurz gesagt, könnte man es so ausdrücken: Biden steht für eine europäischere Sozial- und Umweltpolitik, Trump will dagegen die Wirtschaft wieder in Schwung bringen und Steuern senken. Was Biden will, dürfte also eher dem mitte-links-liberalen und wirtschaftlich besser gestellten Bürgertum in den großen Städten der Ostküste und in Kalifornien zusagen. Was Trump vorschlägt, dagegen eher in den konservativ-ländlich geprägten Regionen des "Bibelgürtels" gut ankommen.

Das "Zünglein an der Waage" dürfte wie schon 2016 dann wieder der "kleine Mann", also die Leute mit kleinen oder mittleren Einkommen, sein – diejenigen "Vergessenen", die sich mühen, einigermaßen über die Runden zukommen, ihre Kredite abzuzahlen und die die gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Lasten ungesteuerter Einwanderung zu tragen haben. Gerade jenen verdankte Trump seinen Wahlsieg von 2016 und sie waren es auch, die besonders von seiner Politik profitierten. Jedenfalls bis Corona kam. Seitdem haben viele ihren Arbeitsplatz verloren und stehen wieder da, wo sie 2016 waren. Sie werden nun zu entscheiden haben, ob sie "ihrem" Präsidenten eine zweite Chance geben wollen, oder besser zu den alten Kräften rund um Clinton, Obama und Co. zurückkehren möchten.

In diesem Sinne war der Umgang mit Corona vielleicht das zentrale Thema der Debatte. Während Biden sich mühte darzustellen, dass Trumps Corona-Management miserabel und der Präsident daher für die mehr als 200.000 Toten verantwortlich sei, folgte Trump dem Credo, dass das Land nun wieder hochgefahren werden müsse. So sagte der Präsident:

Ich sage nicht, dass es schnell vorbeigeht, sondern dass wir lernen, damit umzugehen. Wir können uns ja nicht alle im Keller verkriechen, so wie Joe das macht. (…) Aber das können ja nicht alle Menschen so machen und ich als Präsident kann das auch nicht so machen. (…) Wir müssen unser Land wieder öffnen, unsere Schulen wieder öffnen, sonst haben wir kein Land mehr.

Auch dürfe die "Medizin nicht schlimmer als das Problem selbst sein". Biden warnte dagegen vor einem "dunklen Winter", weil Trump immer noch keinen "umfassenden Plan" zur Bekämpfung der Pandemie habe. Und weiter:

Er [Trump] sagt, dass wir lernen, damit zu leben. Die Menschen lernen aber, damit zu sterben.

Auch das Thema Rassismus wurde abermals diskutiert. So sagte Biden, der Präsident gieße "in jedes einzelne rassistische Feuer Öl". Trump vertrat dagegen die Auffassung, seit Lincoln hätte kein Präsident so viel für Schwarze getan wie er. Auch sei er die "am wenigsten rassistische Person in diesem Raum", so der Präsident wortwörtlich.

Größeren Raum nahmen ansonsten noch die Themen Gesundheitsfürsorge und Klimapolitik ein. Trump möchte das von seinem Amtsvorgänger geschaffene "Obamacare" umbauen, hat aber bislang noch kein klares Modell vorgelegt. Biden will im Falle eines Wahlsiegs wieder dem Pariser Klimaschutzabkommen beitreten. Auch die Außenbeziehungen waren ein Thema, allerdings bei beiden Kandidaten weniger im Sinne einer echten Programmatik, sondern sehr viel stärker unter dem Gesichtspunkt, wer der "härtere Typ" sei. So betonte Trump etwa, dass es in seiner Amtszeit entgegen Warnungen seines Vorgängers Barack Obama keinen Krieg mit Nordkorea gegeben habe – auch weil sein Verhältnis zu Kim Jong-un gut sei. Biden darauf:

Wir hatten ein gutes Verhältnis zu Hitler, bevor er in Europa einfiel.

Ansonsten versuchte Biden, Trump als "Steuervermeider" darzustellen. Der Präsident erwiderte, dass er Steuern in Höhe mehrerer Millionen Dollar im Voraus gezahlt habe, dies aber nie berichtet werde. Trump seinerseits wiederholte Vorwürfe, wonach Bidens Sohn Hunter korrupte Geschäfte in der Ukraine und mit China gemacht und Biden, der damals Vizepräsident war, davon profitiert haben soll. Biden wiederum beharrte darauf, niemals in seinem Leben "einen Penny von einer ausländischen Quelle angenommen" zu haben. Die Vorwürfe hinsichtlich seines Sohnes Hunter ließ er jedoch unkommentiert. Im Wahlkampf gehe es nicht um seine Familie oder die von Donald Trump, sondern – an die Zuschauer gerichtet – um "Ihre Familie".

So weit zur inhaltlichen Seite. Was die Performance angeht, so erinnerte diese Begegnung sehr viel stärker an das "Duell" der Vizepräsidentschaftskandidaten eine Woche zuvor als an das erste Aufeinandertreffen zwischen Trump und Biden. Man kann diese zweite Begegnung getrost als "gesitteter" bezeichnen. Allerdings unterliegen Kommentatoren hierzulande dabei oft der Fehleinschätzung, dass Trumps "robustes" Auftreten bei amerikanischen Wählern per se schlecht ankomme. Natürlich hängt dies immer davon ab, wen man fragt. Eingeschworenen Trump-Gegnern ist dessen Agieren bei öffentlichen Auftritten, seine Sprache, seine ganze Argumentation zuwider. Allerdings ist umgekehrt dezente Zurückhaltung – salopp gesagt – nicht unbedingt eine amerikanische Sache.

Man sollte sich also nicht täuschen. Was manch einer im ersten "Duell" als respektlos empfunden haben mag, muss bei jenen, die Trump nicht grundsätzlich ablehnen, nicht zwangsläufig die gleiche Empfindung ausgelöst haben. Tatsächlich wirkte Biden – der im Übrigen auch nicht unbedingt nur höfliche Worte fand – gegenüber dem dynamisch agierenden Trump beim ersten Aufeinandertreffen doch etwas blass. Jetzt, bei der zweiten Begegnung, war dies jedoch anders. Fast war es ein bisschen langweilig, auch wenn nach etwa 30 Minuten dann aber doch wieder etwas Schwung in die Sache kam.

Ein Grund für diesen veränderten Modus dürften die neuen Spielregeln gewesen sein. Diesmal wurde das Mikrofon des einen nämlich immer stumm geschaltet, während der andere sprach. Die Kandidaten reagierten eher, indem sie den Kopf schüttelten oder hämisch lächelten. Es könnte – soweit es Trump betrifft – aber auch ein Stück weit Strategie gewesen sein. Denn Trump muss – glaubt man den Umfragen, stärker als sein Kontrahent – über seine Kernwählerschaft hinaus Stimmen gewinnen. Und ein etwas "präsidialeres" Auftreten könnte dabei helfen.

Letzten Endes bleibt dies jedoch Spekulation. Unter dem Strich ist nicht wirklich auszumachen, wer bei dieser Begegnung die bessere Figur machte. Die Beantwortung dieser Frage dürfte dagegen sehr viel stärker mit der individuellen politischen Verortung zusammenhängen. Insgesamt war dieses Aufeinandertreffen somit eher ein ausgewogenes. Inhaltlich hat jede Seite bekommen, was sie erwarten durfte. Und in der "Performance" hat keiner der Kandidaten größere Fehler gemacht. Viel Zeit bleibt ohnehin nicht. Dann hat der Wähler das Wort.

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