Jugend komplett gaga? TikTok-Nutzer spielen Holocaust-Opfer im Himmel

Ein neuer TikTok-Trend, bei dem sich Jugendliche für Holocaust-Opfer im Himmel ausgeben, sorgt für Empörung. Dabei tragen sie Make-up, das an Verbrennungen oder Prellungen erinnert, und schildern, wie sie in den von den Nazis geführten Todeslagern gestorben seien.
Jugend komplett gaga? TikTok-Nutzer spielen Holocaust-Opfer im Himmel© Screenshots von TikTok © leahpovsofficial daddyemelia kayley_y

von Damian Wilson

Die Ausnutzung der Schrecken des Holocaust, bei dem sechs Millionen Juden und andere als minderwertig und unerwünscht angesehene Personen von den Nazis getötet wurden, als eine Art "Trauma-Porno" ist ein äußerst unangemessenes TikTok-Format, das die grobe Ignoranz der heutigen Jugend verdeutlicht.

Der neueste Irrsinn – die 15 Sekunden langen Parodie-Videos über den Holocaust, die von Jugendlichen auf TikTok veröffentlicht wurden und tatsächlich als Unterhaltung angesehen werden – reicht aus, damit einem vom Fremdschämen die Augen aus dem Schädel fallen.

Vergessen Sie diese ahnungslosen Narren und ihre Behauptungen, andere Menschen erziehen zu können. Ich kann ehrlich sagen, dass es nichts gibt, was ein Teenager mit Zahnspange, der eine Baseballmütze trägt und an seiner schmuddeligen Dusche steht, bevor er mit den Lippen die Worte synchronisiert: "Dieser Scheiß ist Gas!" mir jemals von den Gräueln erzählen kann, die die bösen "Nazi-Tiere" während des Zweiten Weltkriegs am jüdischen Volk verübten.

Nicht das Geringste.

Auch auf die Gefahr hin, seine Fans zu beleidigen: Irgendwie glaube ich nicht, dass Bruno Mars mit seinem Track "Locked Out of Heaven" die nachdenkliche Stimmung erzeugt, die für eine ernsthafte Diskussion über den Mord an sechs Millionen unschuldigen Menschen allein aus dem Glauben heraus, dass ihre Rasse sie irgendwie minderwertig gemacht hat, angemessen ist.

Aber vielleicht ist das nur meine Meinung.

Nachdem ich im Vernichtungslager Auschwitz gewesen bin und die Öfen, in denen Männer, Frauen und Kinder zu Tausenden verbrannt wurden, und die Duschen, die mit dem tödlichen Giftgas Zyklon B immer wieder gefüllt wurden, gesehen habe, verspürte ich nie den Drang, mich zu schminken, einen schmerzhaften Gesichtsausdruck anzunehmen und so zu tun, als wäre ich ein Holocaust-Opfer im Himmel.

Bin ich so unsensibel?

Jeder Besucher der nationalsozialistischen Vernichtungslager wird seine eigenen intensiven Erfahrungen machen. Die Verwirklichung eines industriellen Ansatzes zur Ausrottung der Juden ist eine Sache – in den fünf Krematorien konnten alle 24 Stunden etwa 5.000 Leichen verbrannt werden –, aber dann sind da noch die Berge von Brillen, Koffern, Zähnen und zwei Tonnen menschlicher Haare, die ihren 1,1 Millionen Opfern allein in Auschwitz abgenommen wurden, ganz zu schweigen von den anderen Vernichtungslagern.

Dann wäre da noch die Stille. An dem Tag, an dem ich Auschwitz besuchte, herrschte eine unheimliche Stille, die zeitweise durch das laute Schluchzen einer Besuchergruppe älterer jüdischer US-Amerikaner unterbrochen wurde, von denen einige in genau diesem Höllenloch inhaftiert waren und immer noch ihre bleibenden Tätowierungen mit ihrer Häftlingsnummer trugen.

Ihre Schreie waren schmerzhaft, herzzerreißend und schlagartig, als unerwartete Erinnerungen von unvorstellbarer emotionaler Kraft auf sie einprasselten.

Noch heute, mehr als 30 Jahre später, erinnere ich mich deutlich an diese Schreie. TikTok brauche ich da nicht als Gedächtnisstütze.

Was in der modernen Bildung, also in der Schule, gelehrt und in Büchern als Geschichte gelesen wird, einem 16-Jährigen, der an seinem Smartphone klebt, jedoch vielleicht etwas langweilig und trocken erscheinen könnte, waren für diese armen Menschen in Wirklichkeit ihr Leben. Ihre Geschichte hatte Fleisch, Knochen und Namen.

Obwohl ihre Zahl im Laufe der Jahre weiter sinkt, würde keiner derer, die den Holocaust auf der falschen Seite erlebten, jemals Bedarf an einem Jugendlichen haben, der Make-up trägt, das Verbrennungen und Blutergüssen ähnelt, um den Horror in ihrem Namen über eine Videoplattform zu "teilen", die vor allem von unreifen Jugendlichen und Teenagern genutzt wird, um verrückte Tänze und Amateur-Imitationen berühmter Persönlichkeiten hervorzubringen.

Wenn wir an einem Punkt angelangt sind, an dem die Nachahmung von Holocaust-Opfern im Himmel tatsächlich zu einer Sache wird, die junge Menschen ohne Skrupel zur Belustigung anderer ausnutzen können, dann stimmt nicht nur mit ihrem Verständnis der Geschichte, sondern auch der menschlichen Existenz etwas nicht.

Der schockierende Mangel an Einfühlungsvermögen und die verblüffende Ignoranz rauben einem den Atem, selbst wenn man die ganze Idee des Holocaust als Unterhaltung für eine Minute ignoriert.

Das vorherrschende Gefühl scheint zu sein, dass alles in Ordnung ist, solange man Leute zum Lachen bringt. Ist es nicht so?

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Damian Wilson ist ein britischer Journalist, ehemaliger Redakteur britischer Zeitungen, Berater für die Finanzindustrie und Sonderberater für politische Kommunikation in Großbritannien und der EU.

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