"Versäumnisse" bei der Abrechnung von Bezügen – Berliner Bausenatorin Lompscher tritt zurück
Die Berliner Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher, ist zurückgetreten. Die Linke-Politikerin begründete dies am Sonntagabend in einer Mitteilung mit Fehlern bei der Abrechnung ihrer Bezüge aus Verwaltungsrats- und Aufsichtsratstätigkeit. Sie habe es über Jahre versäumt, Vergütungen für Aufsichtsratsposten in landeseigenen Unternehmen wie vorgeschrieben an die Landeskasse zurückzuzahlen. Es geht um einen Fehlbetrag von 7.000 Euro.
Die 58-Jährige gilt als Vorkämpferin für den umstrittenen Berliner Mietendeckel. In dieser Rolle genoss sie zuletzt auch bundesweit Aufmerksamkeit.
Berliner Senatoren sind bezahlte Tätigkeiten in Unternehmensgremien nur bei landeseigenen Firmen gestattet. Vergütungen daraus müssen sie zum Jahresende an die Landeskasse zahlen. Behalten dürfen sie pauschal bis zu 6.135,50 Euro im Jahr. Lompscher gehört Aufsichtsgremien der Investitionsbank Berlin (IBB), der Tempelhof Projekt GmbH und der Tegel Projekt GmbH an.
Ihr Fehler sei ihr "im Zusammenhang mit der Beantwortung einer schriftlichen Anfrage eines Mitglieds des Abgeordnetenhauses von Berlin zu Beginn dieser Woche bekannt und bewusst geworden", hieß es in der Erklärung. "Ich habe sofort nach Bekanntwerden der fehlenden Abführung an die Landeskasse reagiert und den Differenzbetrag überwiesen."
Eine Überprüfung ihrer Steuererklärung habe ergeben, dass versäumt wurde, in den Jahren 2017 und 2018 diese Einnahmen steuerlich geltend zu machen. Daraufhin habe sie unverzüglich eine Korrektur der Steuerbescheide beim zuständigen Finanzamt beantragen lassen.
"Für die Versäumnisse trage ich persönlich die Verantwortung und entschuldige mich dafür", schrieb die 58-Jährige. "Ich versichere, dass ich nicht mit Vorsatz gehandelt habe." Von politischen Entscheidungsträgern werde ein besonderes Maß an Verantwortung erwartet.
Dieser Verantwortung bin ich nicht gerecht geworden und bitte die Bürgerinnen und Bürger Berlins dafür um Entschuldigung.
Für sie stehe fest, dass "mein schwerer persönlicher Fehler mein weiteres Handeln als Senatorin dauerhaft überschatten würde". Deshalb erkläre sie mit sofortiger Wirkung ihren Rücktritt als Senatorin. Zudem lege sie die drei mit dem Amt verbundenen Aufsichtsratsmandate nieder.
Lompscher war zwischen 2006 und 2011 Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz. Das Amt als Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen hatte sie seit 2016 inne.
Die Linke reagierte mit einer gemeinsamen Erklärung der Landeschefin Katina Schubert, des Kultursenators Klaus Lederer sowie den beiden Fraktionsvorsitzenden Anne Helm und Carsten Schatz. "Politische Glaubwürdigkeit misst sich auch daran, wie man mit persönlichen Fehlern umgeht", hieß es. Lompscher übernehme Verantwortung für ihren Fehler und ziehe daraus die Konsequenzen.
Ich bin meiner Freundin @KLompscher sehr dankbar für jahrelange gemeinsame politische Arbeit und habe großen Respekt vor der Entscheidung, bin aber auch unendlich traurig. https://t.co/J6HWA62JIT
— Klaus Lederer (@klauslederer) August 2, 2020
Berlins CDU-Chef Kai Wegner sieht nach dem Rücktritt "viele Fragen offen". Er erwarte vom Senat Aufklärung und Transparenz, hieß es in einer Mitteilung. AfD-Fraktionschef Georg Pazderski bezeichnete den Rücktritt als überfällig.
Geld der Steuerzahler unrechtmäßig in die eigene Tasche zu stecken und nicht zu versteuern, ist unappetitlich und kann bei politischen Mandatsträgern nur das sofortige Karriereende bedeuten", sagte er.
Wegen ihrer Mitwirkung beim Mietendeckel stand Lompscher in der Kritik bei der Opposition. So lobte der FDP-Politiker Alexander Lambsdorff sie zwar in einem Tweet für ihre Entscheidung als Person, erinnerte aber an ihre Rolle bei der Einführung des Mietendeckels:
1. Ich glaube @KLompscher, dass es keine Absicht war. 2. Der #Rücktritt ist ehrenhaft (wegen ca. 10.000 €, @AndiScheuer !!!).3. Lieber wäre mir gewesen, sie wäre an dem Tag zurückgetreten, an dem das #BVerfG ihren verfassungswidrigen #Mietendeckel kassiert. #Berlinhttps://t.co/yxi52UZjMR
— Alexander Lambsdorff (@Lambsdorff) August 2, 2020
Auch der CDU-Abgeordnete Jan-Marco Luczak erinnerte daran. Für ihn habe Lompscher die Stadt zum Schaden aller Berliner "ideologisiert".
Überfälliger #Rücktritt-neben persönlichen Verfehlungen hat #Lompscher die Wohnungspolitik in Berlin zum Schaden der Stadt #ideologisiert. Die Chancen einer wachsenden Stadt müssen jetzt entschlossen zum Wohle aller Berliner gestaltet werden! @Tagesspiegelhttps://t.co/FfaTcci494
— Dr. Jan-Marco Luczak (@JM_Luczak) August 2, 2020
"Ihr Rücktritt war weniger wegen der Aufsichtsratsbezüge, sondern wegen fehlendem Neubau und Mietendeckel überfällig", schreibt der Berliner FDP-Jungpolitiker David Jahn:
#Lompscher hat viel mehr Wohnungen verhindert statt Euros nicht zurückgezahlt. Ihr Rücktritt war weniger wegen der Aufsichtsratsbezüge, sondern wegen fehlendem Neubau und #Mietendeckel überfällig. Den Neustart für Berlin wird es trotzdem erst mit einem neuen Senat geben können.
— David Jahn (@dnjahn) August 2, 2020
Als "Mietendeckel" wird umgangssprachlich das vom Abgeordnetenhaus von Berlin am 30. Januar 2020 beschlossene Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung (MietenWoG Bln) bezeichnet. Zu den wesentlichen Regelungen gehören ein Mietenstopp, Mietobergrenzen, Mietabsenkungen und die Begrenzung der Modernisierungsumlage. Das Gesetz ist auf fünf Jahre befristet. Am 23. Februar 2020 traten die Mietpreisobergrenzen des Mietendeckels in Kraft. Vor allem bei der FDP und CDU stieß das Gesetz auf Empörung. Nachdem das Berliner Landesgericht es als verfassungswidrig eingestuft hatte, klagten die beiden Parteien vor dem Verfassungsgerichtshof. Die Entscheidung des Gerichts steht noch aus.
In ihrer Pressemitteilung sagte Lompscher, der gesamte Senat und die Koalition stünden nun vor großen Herausforderungen:
Als Politikerin habe ich stets mit aller Kraft den von Rot-Rot-Grün eingeschlagenen Weg in der Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik vertreten. Auf diesem sind wir gemeinsam ein gutes Stück vorangekommen. Das war und ist nicht konfliktfrei, die fachliche und politische Auseinandersetzung habe ich dabei nie gescheut.
Mehr zum Thema - FDP und Teile von CDU/CSU klagen in Karlsruhe gegen Berliner Mietendeckel
(rt/dpa)
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