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Tötung gesunder Tiere in Tierparks: Eher die Regel als die Ausnahme

Die Corona-Krise verschont auch Zoos nicht. Zuletzt drohte ein Tierpark mit Notschlachtungen, um das Überleben der Einrichtung zu sichern. Tierschützer verweisen darauf, dass die Tötung auch gesunder Tieren keine Ausnahme ist. Die Behörden reagierten auf Anfrage ausweichend.
Tötung gesunder Tiere in Tierparks: Eher die Regel als die AusnahmeQuelle: Reuters © Leonhard Foeger

Der Tierpark im schleswig-holsteinischen Neumünster hat wegen der Corona-Krise Notpläne für das Schlachten von Tieren erarbeitet, wie in den vergangenen Tagen berichtet wurde. Man sei in einer existenzbedrohenden Krise und habe aktuell Gelder, die den Park ungefähr bis Mitte Mai bringen, zitiert die Deutsche Presse-Agentur Zoodirektorin Verena Kaspari.

Auch bislang wird im Tierpark schon geschlachtet. "Wir haben fleischfressende Tiere, das ist also nichts Neues", so Kaspari. Im schlimmsten Fall "müsste man halt überlegen, ob man noch mehr Tiere in die Schlachtung bringt, um die Raubtiere überleben zu lassen".

Offiziell lehnen viele Zoos Corona-Notfalltötungen ab

Eine Rettung, indem Tiere an andere Betriebe abgegeben werden, sei nicht so einfach. Beispielsweise für Vitus, den Eisbären, der immerhin rund 700 Kilogramm auf die Waage bringt. "Wenn es hier ganz hart auf hart kommt und der Tierpark aufgelöst werden müsste, kann ich den nicht einfach in eine Kiste stecken und woandershin transportieren", so Kaspari.

Andere Zoos sowie der Verband der Zoologischen Gärten (VdZ) äußerten sich bislang ablehnend zu solchen Schlachtungen. Doch auch VdZ-Pressesprecher Sebastian Scholze bezeichnete die Lage in den Zoos als besorgniserregend. Für Spenden sei man dankbar, dennoch sei es schwierig, damit über die Runden zu kommen. Deshalb hat der Verband Ende März für seine 56 Mitgliedszoos ein Soforthilfeprogramm in Höhe von 100 Millionen Euro erbeten. Auch der Zoo in Neumünster ist Mitglied des Verbands.

Und so fiebern Tierliebhaber mit den armen Geschöpfen und bangen um deren Leben, hoffend, dass Soforthilfe alsbald ankommen und das Leben der Besucherlieblinge retten möge. Was in dieser Debatte jedoch untergeht, ist die Tatsache, dass in Zoos und Tierparks ständig Tiere getötet werden, und das nicht "nur" zur Fütterung.

Tierschutz laut Gesetz, Tötungen in der Realität

Das mag jene verwundern, die die offizielle rechtliche Lage betrachten. Schließlich stellt die Tötung von Wirbeltieren "ohne vernünftigen Grund" und auch das Zufügen erheblicher Schmerzen oder Leiden laut §17 Tierschutzgesetz einen Straftatbestand dar, auf den eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe steht. Weiterhin ist der Tierschutz hierzulande seit 2002 als Staatsziel im Grundgesetz verankert.

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Dennoch muss jeder, der sich bereits über die wegen der Corona-Situation angedrohten Notfallschlachtungen erschreckt, darüber im Klaren sein, dass "Überschusstötungen" auch von gesunden Wirbeltieren in Zoos und Tierparks alles andere als eine Ausnahmehandlung ist, Zehntausende Tiere pro Jahr sind allein in Deutschland betroffen.

Dr. Yvonne Würz, promovierte Biologin und Fachreferentin für Tiere in Zoos und im Zirkus beim Tierrechtsverein PETA, erklärt, dass Zoos regelmäßig im Rahmen ihres "Populationsmanagements" auch gesunde Tiere töten. Und zwar nicht "nur" jene, die verfüttert werden, sondern aufgrund eines traurigen, von den Zoos selbst geschaffenen Teufelskreises auch solche, die weniger Besucher anlocken oder einfach nicht reinpassen. Denn Tierpark- oder Zoobesucher und Medien scharen sich in erster Linie um zuckersüße Tierbabys, auch Geburten werden immer wieder medienwirksam inszeniert, um zahlende Besucher anzulocken. Dass damit aber die grausige Praxis von "Überschusstötungen" vorangetrieben wird, ist den Besuchern meist gar nicht klar, da dieser Aspekt von Zoos und Tierparks eher verschwiegen wird.

Drohung wegen Corona täuscht die Öffentlichkeit

Entsprechend stuft die promovierte Biologin die Androhung des Tierparks Neumünster als eine Täuschung der Öffentlichkeit ein. Sicherlich befände man sich aufgrund der Pandemie in einer Ausnahmesituation. Doch sind Tötungen von Wirbeltieren eben keine Seltenheit. Zuerst kämen zwar die Futtertiere an die Reihe. Darüber hinaus aber werden beispielsweise sogar bei gefährdeten Tierarten wie dem Prinz-Alfred-Hirsch oder gar Mendesantilopen, oder auch bei Huftierarten, die in Haremsgruppen gehalten werden, überschüssige männliche Nachkommen getötet. Ein Vorwand zur Tötung von Tieren, die sich erst im Zoo vermehren konnten, ist Platzmangel. Sogar Langeweile der Tiere wurde bereits als Grund für Tötungen angegeben, so Dr. Würz.

Laut dem Tierpark Hellabrunn ist das kein Grund zur Aufregung:

In vielen Huftier-EEPs [Anm.: Zuchtprogrammen] wird die Möglichkeit des 'Züchtens und Schlachtens' den Zoos offiziell freigestellt, um Nachwuchs, der nicht zu platzieren ist, zu schlachten und innerbetrieblich als Futter zu verwerten. Dies betrifft in der Hauptsache männliche Nachzuchten und ist in allen Zoos übliche Praxis. 

Im gleichen Tierpark wurden aus Platzgründen zwei Banteng-Bullen abgeschossen – nur wenige Tage nach ihrer Geburt,bei der man sich wegen des angeblichen Artenschutzes noch selbst gefeiert hatte.

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Auch Braunbären oder Tigerbabys wurden bereits getötet, teils allein aus genetischen Gründen, sie werden als nicht "wertvoll" genug für die Population und somit überschüssig deklariert. Ein Fall im Magdeburger Zoo, wo 2008 drei Tigerbabys getötet wurden, weil sie nicht dem rassischen Ideal entsprachen, gelangte an die Öffentlichkeit, sodass es zu einem gerichtlichen Verfahren kam. Nach Angabe des ehemaligen Geschäftsführers des Verbands der Zoologischen Gärten (VdZ) werden schätzungsweise 30.000 bis 40.000 Tiere, darunter Wildtiere, Hausgeflügel und domestizierte Säugetiere – Kaninchen und Nagetiere nicht mal mitgezählt – ohne tierärztliche Indikation in deutschen Zoos jährlich getötet und als Tierfutter verwertet.

Dass aber in den meisten Fällen offenbar der Straftatbestand nicht greift und die Praxis trotz der Gesetze so fortgesetzt wird, hängt unter anderem damit zusammen, dass die Tötungen im Rahmen der Fütterung ja bereits geduldet werden.

Auf Anfrage von RT Deutsch betonte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), dass Tötungen in Zoos und Tierparks "in jedem Fall" mit den lokalen Behörden, üblicherweise Veterinärämtern, abzustimmen seien.

Sie sind verantwortlich und entscheiden selbstständig im konkreten Einzelfall, ob Maßnahmen den maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen entsprechen. Die Bundesregierung hat hierauf keinen Einfluss.

Eine Mitarbeiterin desBundesverbands der beamteten Tierärzte und Tierärzte im öffentlichen Dienst hatte zuvor auf das BMEL als zuständige Behörde verwiesen. Eine Anfrage beim Veterinäramt der Stadt Neumünster, die dem BMEL zufolge die Notfalltötungen wegen Corona absegnen müsste, wurde bis Redaktionsschluss nicht beantwortet.

Am Donnerstag wurde überraschend bekannt, dass Zoos und Tierparks in Schleswig-Holstein ab kommender Woche Soforthilfe aus einem Sondertopf erhalten und auch bald schon wieder für Besucher offen stehen. Während Eisbär Vitus und andere Tierparkbewohner aufatmen dürfen, weil die Notfallschlachtung wegen Corona somit wohl nicht stattfindet, kann die Tötung gesunder Tiere im Normalbetrieb offenbar ohne größere Debatte weitergehen.

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