Meinung

US-Experte: Iran wäre bei nicht-atomaren Militärkonflikt mit den USA im Vorteil

Der Iran hat zwei US-Stützpunkte im Irak mit Raketen angegriffen. Die USA setzen als Vergeltung auf Sanktionen, nicht auf Militärschläge. Doch was, wenn es doch noch zu einem bewaffneten Konflikt kommt? Eine Analyse von Scott Ritter, Ex-Nachrichtenoffizier des US Marine Corps.
US-Experte: Iran wäre bei nicht-atomaren Militärkonflikt mit den USA im VorteilQuelle: www.globallookpress.com © Christian Ohde/imago stock&people

von Scott Ritter

(Hinweis der Redaktion: Der Text wurde vor dem iranischen Raketenangriff auf US-Ziele im Irak verfasst.)

Unsere Reaktion wird klug, wohl überlegt und, zu seiner Zeit, mit entscheidender Abschreckungswirkung sein", sagte der iranische General Hossein Dehghan am Wochenende.

Dehgan kündigte auch an, dass der Iran keine umfassendere Konfrontation mit den USA sucht.

Es waren die USA, die den Krieg begonnen haben. Deshalb sollten sie angemessene Reaktionen auf ihre Handlungen akzeptieren. Das Einzige, was diese Phase des Krieges beenden kann, ist, dass die US-Amerikaner einen Schlag erhalten, der dem von ihnen zugefügten Schlag entspricht.

Dehghan ist kein gewöhnlicher ehemaliger iranischer General. Er war während des Iran-Irak-Krieges einer der Hauptentscheidungsträger innerhalb des Korps der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) und er befehligte später die Luftwaffe des IRGC, bevor er schließlich zum iranischen Verteidigungsminister ernannt wurde. Nach seinem Rücktritt von diesem Posten wurde Dehghan Sonderberater des Obersten Führers der Islamischen Republik Ali Chamenei.

Seine Worte müssen so verstanden werden, dass sie jene von Chamenei selbst repräsentieren.

Drei mögliche Ziele für den Iran

Eine genauere Einschätzung von Dehghans Erklärung, wenn sie im Zusammenhang mit der Abstimmung des irakischen Parlaments am Sonntag über den Abzug aller ausländischen Truppen aus dem Irak betrachtet wird, schafft Klarheit darüber, was die USA und der Nahe Osten von Teheran erwarten können.

Allem voran heißt dies, dass die Antwort nicht durch einen Proxy durchgeführt wird.

Der Angriff wird militärischer Natur sein. Attacken auf die Öl- und Gasinfrastruktur der Verbündeten der USA am Golf, ähnlich wie die Drohnenangriffe auf saudische Ölförderanlagen im vergangenen Mai, sind nicht in Arbeit. Dasselbe gilt für die Schifffahrt durch die strategische Straße von Hormus sowie für die diplomatischen Einrichtungen der USA in der Region.

Ebenso muss der Iran den Willen des irakischen Parlaments bezüglich des Einsatzes ausländischer Truppen auf seinem Boden respektieren. Dies bedeutet, dass die Reaktion höchstwahrscheinlich nicht gegen die derzeit im Irak stationierten US-Militärkräfte erfolgen wird. (Anmerkung der Redaktion: Nach derzeitigem Wissenstand hat der Iran die irakische Führung vorab von den Raketenangriffen informiert und dieser gegenüber beteuert, dass der Angriff nicht auf die irakischen Kräfte ziele, die sich ebenfalls auf den Stützpunkten befanden. Die irakische Führung wiederum soll das US-Militär vorab vor den Militärschlägen informiert haben.) 

Es bedeutet allerdings nicht, dass die US-Truppen und Einrichtungen im Irak gegen Angriffe immun sind. Kata'ib Hisbollah, die irakische Miliz, deren Führer Abu Mahdi al-Muhandis bei demselben Angriff, der Qassem Soleimani das Leben nahm, getötet wurde, hat ihre eigenen Vergeltungsangriffe angekündigt, gesondert von der vom Iran versprochenen Antwort.

Es gibt eine Vielzahl möglicher militärischer Ziele der USA in der Region des Persischen Golfs, die bedeutend genug sind, um in den Augen Teherans als "ein gleichwertiger Schlag" zu gelten.

Mir kommen hier drei in den Sinn: die Ansammlung der US-Streitkräfte in Kuwait, das Hauptquartier der 5. Flotte in Bahrain und der Luftwaffenstützpunkt Al Udeid in Katar.

Von diesen drei hat nur einer, die Al Udeid Air Base, eine direkte Verbindung zum Soleimani-Attentat. Die Drohnen, die die Raketen abfeuerten, die Soleimani töteten, wurden von dort aus bedient. Al Udeid beherbergt kritische US-Kommando- und Kontroll-Einrichtungen sowie den Großteil der US-amerikanischen Kampfflugzeuge, die in der Region operieren. Es liegt deutlich innerhalb der Reichweite der iranischen ballistischen Raketen und bewaffneten Drohnen.

Es ist davon auszugehen, dass beide Waffensysteme gemeinsam operieren, um die Luftabwehr zu überwinden und dann die Basis mit Präzisionsschlägen zu überziehen, die Hunderte von Millionen US-Dollar an Flugzeugen und Ausrüstung zerstören und möglicherweise Hunderte von US-Dienstangehörigen töten und verwunden könnten.

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Trump hat nur Tweets – keine militärische Schlagkraft

US-Präsident Donald Trump hat versprochen, dass die Vereinigten Staaten keinen Angriff auf ihr Personal oder ihre Einrichtungen tolerieren werden.

Wenn sie irgendetwas tun, wird es große Vergeltungsmaßnahmen geben", sagte er Reportern in Bezug auf den Iran.

Zuvor hatte Trump eine sehr explizite Warnung getwittert, indem er dem Iran mitteilte, dass er bereits 52 Orte innerhalb des Irans zur Zerstörung bestimmt hat:

Einige auf sehr hohem Niveau und wichtig für den Iran und die iranische Kultur ... Diese Ziele und der Iran selbst, WERDEN SEHR SCHNELL UND SEHR HART GETROFFEN. Die USA wollen keine weiteren Drohungen!

Die Drohung von Trump klingt allerdings hohl. Erstens liefert sein Tweet de facto einen Beweis für ein Kriegsverbrechen (Abschnitt 5.16.2 des Kriegsrechtshandbuchs des US-Verteidigungsministeriums verbietet Drohungen mit der Zerstörung von Kulturgütern zum ausdrücklichen Zweck der Abschreckung feindlicher Operationen), das als solches wahrscheinlich nicht von US-Militärkommandeuren umgesetzt werden würde. Denn für diese sind Feinheiten wie das Kriegsrecht, das die Ausführung eines ungesetzlichen Befehls verbietet, eine ernste Angelegenheit.

Von größerer Relevanz ist jedoch die Tatsache, dass Trump diesen Weg schon einmal beschritten hat, als er im vergangenen Mai mit massiven militärischen Vergeltungsmaßnahmen gegen den Iran wegen des Abschusses einer unbewaffneten Drohne über der Straße von Hormus drohte. Damals wurde er von seinen Militärkommandeuren darüber informiert, dass die USA nicht über die militärischen Mittel verfügten, um dem entgegenzuwirken, was im Falle eines Angriffs der USA auf Ziele im Iran als dessen umfassende Reaktion zu erwarten wäre.

Kurz gesagt, der Iran war in der Lage, den Einrichtungen der USA und ihrer Verbündeten in der Region des Nahen Ostens massiven Schaden zuzufügen, und es gab nichts, was die USA tun konnten, um ein solches Ergebnis zu verhindern.

Seit Mai hat sich wenig geändert, was das militärische Kräfteverhältnis zwischen den USA und dem Iran verändern würde. Wenn der Iran eine US-Einrichtung wie den Luftwaffenstützpunkt Al Udeid angreifen und Trump eine militärische Antwort darauf anordnen würde, dann würde der Iran höchstwahrscheinlich die Gesamtheit seiner militärischen Fähigkeiten und die seiner regionalen Stellvertreter einsetzen, um die militärischen und wirtschaftlichen Fähigkeiten derer, die dann das Ziel sind, zu vernichten. Diese Attacken würden höchstwahrscheinlich Ölförderanlagen in Kuwait, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten zusätzlich zu den militärischen Einrichtungen und diplomatischen Vertretungen der USA betreffen.

So gesehen scheinen die Vergeltungsdrohungen von Trump kaum mehr als Worte zu sein, die nicht durch die Realität untermauert werden können.

Den roten Knopf drücken – für Fordo

Neben dem Votum des irakischen Parlaments, die Beziehungen zum US-Militär abzubrechen, gab es am Sonntag jedoch eine zweite bedeutende Entwicklung in der Region.

Die iranische Regierung kündigte an, dass sie alle Beschränkungen für die Urananreicherung aufhebt und damit das iranische Nuklearabkommen (das Joint Comprehensive Program of Action, JCPOA) suspendiert, von dem die USA im Mai 2018 zurückgetreten sind. Iran erklärt zwar, dass diese Maßnahmen umkehrbar seien, wenn die USA zu dem Abkommen zurückkehren. Doch durch die neue uneingeschränkte Anreicherungskapazität befindet sich Iran weit innerhalb des "Breakout"-Fensters von einem Jahr (d. h. der Zeit, die Iran benötigt, um genügend spaltbares Material für eine einzige Atombombe zu produzieren), dessen Aufrechterhaltung der Hauptzweck des JCPOA ist.

Damit hat sich der Iran unbeabsichtigterweise für einen präventiven Nuklearangriff der USA ins Spiel gebracht.

Die Zentrifugen, die vom Iran zur Herstellung von angereichertem, spaltfähigem und damit waffenfähigem Uran verwendet werden könnten, sind in einer verbunkerten unterirdischen Anlage in der Nähe der Stadt Fordo untergebracht. Keine konventionelle Waffe im derzeitigen Arsenal der USA kann Fordo zerstören.

Nur eine modifizierte Atombombe vom Typ B-61 kann diese Aufgabe erfüllen.

Trump hat angedeutet, dass ein zukünftiger Krieg mit dem Iran keine langwierige Angelegenheit wäre. Und während das Kriegsrecht seine Kommandeure davon abhalten könnte, Vergeltungsmaßnahmen durchzuführen, die auch kulturelle Stätten einschließen, hindert es die USA nicht, eine Atomwaffe gegen eine bekannte Nuklearanlage einzusetzen, die als Bedrohung für die nationale Sicherheit angesehen wird.

Dies ist das Worst-Case-Szenario einer Vergeltungsaktion zwischen dem Iran und den USA, und es ist nicht so weit hergeholt, wie man glauben könnte.

Scott Ritter ist ein ehemaliger Nachrichtenoffizier des US Marine Corps. Er diente in der Sowjetunion als Inspektor für die Umsetzung des INF-Vertrags im Stab von General Schwarzkopf während des Golfkriegs und von 1991-1998 als UN-Waffeninspektor.

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