Europa

Streit über jüdische Entschädigungen in Polen: Es wird hässlich

Im Jahre 2018 beschloss Polen ein umstrittenes Holocaust-Gesetz. Seitdem geht zwischen Jerusalem und Warschau nicht mehr viel. Neuester "Höhepunkt": Ein polnischer Politiker hält der Staatssekretärin Anna Krupka während einer Rede dreist eine Kippa über den Kopf.
Streit über jüdische Entschädigungen in Polen: Es wird hässlich© Screenshot/YouTube

Die Beziehungen zwischen Israel und Polen sind seit längerem angespannt. Im vergangenen Jahr hatte Polens umstrittenes Holocaust-Gesetz das Verhältnis erschüttert. Das Gesetz sah zunächst Geld- und Haftstrafen für diejenigen vor, die dem polnischen Staat oder Volk "öffentlich und entgegen den Fakten" die Verantwortung oder Mitverantwortung für Verbrechen des deutschen Nazi-Regimes zuschreiben.

Kritiker, vor allem aus Israel, befanden, das Gesetz könne dazu benutzt werden, von Polen begangene Verbrechen an Juden zu vertuschen. Um den Streit mit Israel zu entschärfen, strich Warschau später die Haftstrafen aus dem Gesetz. Genutzt hat es scheinbar nicht viel. Denn ein weiteres heikles Thema vergiftet die Beziehungen beider Länder.

Vergangene Woche lud die polnische Regierung kurzfristig eine israelische Delegation aus. Das polnische Außenministerium teilte mit, das Treffen sei abgesagt worden, weil Israel die Zusammensetzung der Delegation geändert habe. Es vermutete hinter den Änderungen "in letzter Minute" den Versuch, "die Gespräche hauptsächlich auf Fragen der Restitution von Eigentum zu konzentrieren". Mit anderen Worten: Entschädigungszahlungen. 

Die Frage nach dem Umgang mit ehemals jüdischem Eigentum spaltet die Polen. Während des Zweiten Weltkriegs war ein Großteil der 3,2 Millionen Juden, die zehn Prozent der polnischen Gesamtbevölkerung darstellten, von den Nazis ermordet worden. Oftmals eigneten sich Deutsche das Vermögen der Holocaustopfer an; später verstaatlichte die sozialistische polnische Regierung viele Besitztümer. Mehrere jüdische Organisationen fordern jedoch die Rückgabe von Immobilien.

Die polnische Regierung sieht die Diskussionen um Restitution von Eigentum allerdings als beendet an. Wiedergutmachungszahlungen lehnt Warschau ab. Wie sehr die Beziehungen mittlerweile vergiftet sind, zeigt auch der Angriff auf den polnischen Botschafter in Israel, Marek Magierowski, von vergangener Woche. Ein 65-jähriger Mann hatte sich in Tel Aviv dem Diplomaten genähert, ihn beschimpft und angespuckt. Polen berief daraufhin den israelischen Botschafter ein.

Nun die nächste Geschmacklosigkeit: Während einer Debatte zur Europawahl schlich sich ein Politiker der Partei Korwin, Konrad Berkowicz, von hinten an die polnische Staatssekretärin für Sport und Kultur, Anna Krupka, an und hielt ihr dreist eine Kippa über den Kopf. Die 37-jährige Politikerin bemerkte den Vorfall nicht und hielt auf der Bühne weiter munter ihre Rede. Folgendes Twitter-Video zeigt den Zwischenfall:

Der Vorfall ereignete sich ausgerechnet in der polnischen Provinzstadt Kielce, in der es im Juli 1946 zum Judenpogrom kam. Ein lokaler polnischer Mob griff in Gegenwart von Polizei und Armee jüdische Holocaust-Überlebende und Heimkehrer aus der Sowjetunion an, 42 von ihnen wurden ermordet und etwa 80 weitere verletzt.

Die Partei Korwin wird von dem polnischen Politiker und Publizisten Janusz Korwin-Mikke geführt. Der 76-jährige Korwin-Mikke war von Juli 2014 bis März 2018 Mitglied des Europäischen Parlaments, obschon er ein ausgewiesener EU-Gegner ist und bereits in den 1990er-Jahren den Beitritt Polens in die Nordamerikanische Freihandelszone (NAFTA) forderte. Auch sonst gibt der exzentrische Politiker gerne verstörende Äußerungen von sich. In einem Fernsehinterview aus dem Jahre 2014 gab er zum Thema "Vergewaltigung in der Ehe" an, dass Frauen grundsätzlich nur vorgäben, Widerstand zu leisten. Der Mann müsse daher selbst wissen, wann Geschlechtsverkehr angebracht sei. Die polnische Staatsanwaltschaft nahm daraufhin Ermittlungen gegen ihn auf.

Auch beim Thema Israel und Juden polarisiert Korwin-Mikke gerne. So behauptete er, dass die Vernichtung der europäischen Juden nicht das Ziel Hitlers gewesen sei und es keine Beweise gäbe, dass dieser vom Holocaust gewusst habe. Es sei "sehr wahrscheinlich", dass Heinrich Himmler die Judenvernichtung ohne Hitlers Kenntnis organisiert habe. Das Bestreben jüdischer Verbände, während des Krieges geraubtes Vermögen restituiert zu bekommen, stelle oft eine "Holocaust-Industrie" dar. Juden seien "so stolz auf die sechs Millionen im Holocaust Ermordeten".

Aus Sicht der Partei Korwin kommt die regierende PiS den Forderungen der jüdischen Verbände offenbar zu sehr entgegen – was die geschmacklose Aktion von Berkowicz erklären dürfte. Dabei äußerte sich der polnische Premier Mateusz Morawiecki nicht gerade versöhnlich in Richtung der jüdischen Verbände: "Wenn heute jemand sagt, dass Polen irgendjemandem Schadenersatz zahlen muss, dann sind wir anderer Meinung und werden dies auch weiterhin tun, und es wird nicht passieren, solange das Land von Gesetz und Gerechtigkeit regiert wird", so Morawiecki am Freitag während einer Veranstaltung in Lodz.

Und er fügte hinzu: "Wenn es eine so schreckliche Ungerechtigkeit gäbe, die Folterer und Opfer verkehrt, würde dies jedem elementaren Grundsatz des Völkerrechts widersprechen. Das wäre auch Hitlers posthumer Sieg, weshalb wir ihn nie zulassen werden."

Mehr zum Thema - Angriff auf polnischen Botschafter in Israel

 

 

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