Europa

Griechisches Parlament stimmt für Reparationsforderungen an Deutschland

Seit Jahrzehnten war es ein Thema in Griechenland, nun ist es amtlich: Athen wird von Deutschland Geld für die im Zweiten Weltkrieg erlittenen Schäden fordern. Schon bald sollen entsprechende diplomatische Schritte eingeleitet werden. Die Forderung soll sich auf etwa 290 Milliarden Euro belaufen.
Griechisches Parlament stimmt für Reparationsforderungen an DeutschlandQuelle: AFP © Sakis Mitrolidis

Das griechische Parlament hat am Mittwochabend beschlossen, offiziell von Deutschland Reparationszahlungen für die Kriegsschäden und -verbrechen im Zweiten Weltkrieg einzufordern. Es geht einer griechischen Expertenkommission zufolge um bis zu 290 Milliarden Euro. Mit großer Mehrheit stimmte das Plenum für eine Vorlage des Parlamentspräsidenten Nikos Voutsis, mit der die griechische Regierung aufgefordert wird, alle notwendigen diplomatischen und rechtlichen Schritte einzuleiten.

Zunächst soll es sich dabei um eine sogenannte Verbalnote handeln, üblicherweise die schriftliche Nachricht eines Staates an das deutsche Außenministerium. Regierungschef Alexis Tsipras sagte in einer Rede vor dem Parlament am Mittwochabend:

Die Forderung von Reparationszahlungen ist für uns eine historische und moralische Pflicht.

Er habe das Thema nicht mit der schweren Finanzkrise der vergangenen Jahre und den Schulden des Landes verbinden wollen, erklärte er. Jetzt aber, nach dem Ende der internationalen Hilfsprogramme, sei der richtige Zeitpunkt gekommen.

Wir haben jetzt die Chance, dieses Kapitel für beide Völker abzuschließen. 

Wichtig sei es ihm, mit Deutschland auf Augenhöhe und freundschaftlich zusammenzukommen.

Bei der Debatte hatte es zuvor im Laufe des Tages bittere Momente gegeben, etwa als Augenzeugenberichte von Nazimassakern in griechischen Dörfern verlesen wurden. Aber auch die Populisten nutzten die Gunst der Stunde: Ministerpräsident Alexis Tsipras wolle mit den Reparationsforderungen nur Stimmen für die im Oktober anstehende Parlamentswahl gewinnen, hieß es. Die rechtsextreme Partei Goldene Morgenröte machte gar eine ganz eigene Rechnung über die Reparationen auf: 400 Milliarden Euro.

Von Deutschland sei ohnehin nichts zu erwarten, warnten hingegen andere Parlamentarier. Oppositionspolitiker Vasilis Leventis sagte:

Die deutsche Seite ist der Meinung, dass sie das Thema mit der Zahlung von 160 Millionen Mark an die Opfer und der Aufnahme von rund 420.000 griechischen Gastarbeitern abgegolten ist.

Tatsächlich sieht Deutschland das Thema als erledigt an; die Regierung in Berlin stützt sich dabei auf den 1990 zur Wiedervereinigung unterzeichneten Zwei-plus-Vier-Vertrag, in dem es heißt, es seien "keine weiteren Reparationen" vorgesehen. Die Frage nach Reparationen sei juristisch wie politisch abschließend geregelt, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. Juristen und Historiker beider Länder sind sich jedoch uneins über das Anrecht der Griechen auf Reparationen. Der Konflikt könnte schließlich vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag kommen.

Polnischer Reparationsbeauftrager möchte Momentum nutzen

Polens Reparationsbeauftragter Arkadiusz Mularczyk fordert nach dem griechischen Beschluss, offiziell Reparationen von Deutschland zu fordern, entsprechende Schritte vom polnischen Parlament. "Die Entscheidung des griechischen Parlaments zeigt, dass die Internationalisierung der Angelegenheit in Sachen Kriegsreparationen aus Deutschland realistisch ist", schrieb der nationalkonservative PiS-Politiker am Donnerstag bei Twitter. Das griechische Parlament hatte am Mittwochabend beschlossen, offiziell Reparationszahlungen von Deutschland für die Kriegsschäden und -verbrechen im Zweiten Weltkrieg einzufordern.

Mularczyk sagte, es sei Zeit für eine Entscheidung des Warschauer Parlaments. Aus Polen wurden zwar seit 2017 aus Kreisen der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit PiS wiederholt Forderungen nach Entschädigungen aus Deutschland für den Zweiten Weltkrieg laut. Offizielle Ansprüche der Regierung gab es bisher aber nicht.

Eine von Mularczyk geleitete Parlaments-Arbeitsgruppe lässt Ansprüche gegenüber Berlin untersuchen. Die Vorstellung ihres Berichts ist noch für 2019 geplant. Details zum Publikationsdatum oder Schätzungen zur Schadenssumme machte Mularczyk bisher nicht.

Die Bundesregierung hatte Forderungen Polens mit Hinweis auf einen mehrfach bestätigten polnischen Verzicht auf solche Zahlungen zurückgewiesen. Polnische Regierungsmitglieder argumentieren jedoch, eine solche Erklärung aus dem Jahr 1953 sei verfassungswidrig gewesen und nur auf Druck der Sowjetunion erfolgt. Außerdem habe sie nur die DDR betroffen. 

(rt deutsch/dpa)

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