Nahost

Israel und die Eroberung der syrischen Golanhöhen 1967 (Teil 2)

Wie konnte Israel Syrien die strategisch wichtigen Golanhöhen entreißen? Im zweiten und letzten Teil wird der Countdown zum sogenannten Sechstagekrieg gezeigt, der die ganze Region für immer verändern sollte. Einige Probleme aus der Gegenwart haben ihre Wurzeln in dieser Zeit.
Israel und die Eroberung der syrischen Golanhöhen 1967 (Teil 2)Quelle: Sputnik © Viktor Ahlomov

von Zlatko Percinic

Diese Bauarbeiten wurden in der israelischen Regierung als eine Bedrohung wahrgenommen. Mosche Dajan, der zu dieser Zeit Landwirtschaftsminister im Kabinett von Eshkol war, meinte während einer dringend einberufenen Kabinettssitzung, dass im Falle eines baulichen Fortschritts des syrischen Projekts, ein "Krieg unausweichlich" sein würde.

Um die Arbeiten der Syrer zu stören, versuchten die Israelis mit gepanzerten Traktoren eine militärische Reaktion zu provozieren. Am 17. März 1965 überquerten zum ersten Mal seit dem Waffenstillstandsabkommen von 1949 israelische Truppen die syrische Grenze, um im Schutz der gepanzerten Traktoren die syrischen Bagger anzugreifen. Dabei wurde ein Baggerfahrer getötet.

Israel und Jordanien

Während sich die Situation an der israelisch-syrischen Grenze zuspitzte, baute Ägypten die Unterstützung für die palästinensischen Fedajin-Kämpfer ("Der, der sich selbst opfert") massiv aus, die ohne Probleme aus den Flüchtlingslagern rekrutiert werden konnten. Sie wurden mit Waffen und Geld versorgt und in Guerillataktiken unterwiesen. Die Fedajin operierten aus dem von Ägypten besetzten Gazastreifen und aus grenznahen Orten in der West Bank, die von Jordanien kontrolliert wurde. Mit ihren mörderischen Angriffen auf unschuldige Zivilisten versuchten die Terroristen, ein Gefühl der Unsicherheit, Angst und vor allem auch Ohnmacht der israelischen Regierung zu erzeugen.

Generalstabschef Jitzchak Rabin wollte diese Angriffe nicht mehr länger tatenlos hinnehmen und formulierte in einem Interview (Quelle: Michael B. Oren: Six Days of War) eine neue israelische Herangehensweise:

Die Reaktion auf syrische Angriffe, ganz egal, ob es sich dabei um Terrorismus, Umleitung (von Wasser/Anm.) oder Aggression an der Grenze handelt, muss sich an den Urheber dieses Terrorismus und an das Regime, das ihn unterstützt, halten. Das Problem mit Syrien ist demzufolge eigentlich ein Kampf mit dessen Führung.

Obwohl es eine klare Warnung an die syrische Regierung war, schlug Rabin in dem von Jordanien kontrollierten Dorf Samu in der Nähe von Hebron zu. Am 13. November 1966 rollte ein Konvoi mit rund 3.000 israelischen Soldaten über die Grenze, um eine Vergeltungsaktion durchzuführen. Es sollte gleichzeitig auch ein Signal an die Syrer sein, was sie zu erwarten hätten, wenn sie weiterhin den Palästinensern Schutz gewähren sollten. Israelische Soldaten ließen die Bewohner in der Dorfmitte versammeln und zerstörten nach UN-Angaben mehr als einhundert Häuser.

Als die jordanische Armee zum Schutz der Bevölkerung eintraf, wurde sie umgehend von den Israelis unter starken Beschuss genommen. Am Ende starben durch diese Vergeltungsaktion und das Feuergefecht drei Zivilisten und 15 Soldaten. Dieser Vorfall löste einen internationalen Aufschrei aus und Rabin musste sich vor der Knesset, dem israelischen Parlament, verantworten. Dabei gab er zu, dass er nicht mit einer Konfrontation mit der jordanischen Armee gerechnet hatte:

Ich konnte nicht ahnen, dass die Jordanier so dumm sein würden, es gegen eine so starke gegnerische Kraft versuchen zu wollen.

Ministerpräsident Levi Eshkol fürchtete sich vor möglichen negativen Reaktionen aus den USA und wandte sich deshalb umgehend an US-Präsident Lyndon B. Johnson. Mit einem Schreiben versuchte er, die Gemüter in Washington zu beruhigen, und nannte den Überfall auf Samu eine "Überreaktion", wie Patrick Tyler in seinem Buch "Fortress Israel" darlegt.

Der Countdown zum Sechstagekrieg

Unterdessen spitzte sich die Situation an der israelisch-syrischen Grenze immer weiter zu. Israel schickte immer wieder Traktoren in die entmilitarisierte Zone und ließ weitere Siedlungen bauen, die klar gegen die Abmachungen mit Syrien verstießen. Diese Provokationen waren so offensichtlich, dass allen Beteiligten klar war, was um sie herum geschieht. In seinem Buch zitiert Jeremy Bowen israelische Militärs, UN-Offiziere und britische Diplomaten zu diesen Vorgängen. Sie alle belegen ohne jeglichen Zweifel, dass Israel den syrischen Beschuss bewusst provozierte, um eine israelische "Verteidigung" rechtfertigen zu können.

Selbst der legendäre Mosche Dajan erzählte in verschiedenen Interviews mit dem 1976 noch jungen Journalisten Rami Tal, was sich auf den Golanhöhen tatsächlich abgespielt hatte:

Ich weiß, wie mindestens 80 Prozent der Kämpfe dort starteten. Meiner Meinung nach sind es mehr als 80 Prozent, aber bleiben wir bei den 80 Prozent. Es spielte sich folgendermaßen ab: Wir schickten einen Traktor irgendwohin, wo er ein Feld umpflügen sollte, wo es eigentlich gar nicht möglich war, in der entmilitarisierten Zone. Und wir wussten von Anfang an, dass die Syrer schießen würden. Und wenn sie nicht schossen, dann sagten wir dem Traktorfahrer, er solle weiter vorrücken, bis am Ende die Syrer so gereizt waren, dass sie doch schossen. Und dann benutzten wir Artillerie und später auch noch die Luftwaffe, so war es.

Dieses Eingeständnis der israelischen Provokationen wurde erst 1997 mit der Erlaubnis von Dajans Tochter Jael in der Zeitung Yediot Ahronot veröffentlicht.

Es war schließlich genau solch eine israelische Provokation auf den Golanhöhen, die am 7. April zu einem der größten Luftkämpfe in der Geschichte der Luftfahrt führte. Zuerst schickte Israel zwei Traktoren in die DMZ hinein, welche von den Syrern unter Beschuss genommen wurden. Daraufhin erwiderten die israelischen Streitkräfte das Feuer mit Panzern, was wiederum eine massive Bombardierung von israelischen Dörfern und Siedlungen zur Folge hatte. In dieser angespannten Atmosphäre verlangte Jitzchak Rabin von Eshkol den Einsatz der Luftwaffe, den dieser auch billigte.

Über den Golanhöhen schossen die israelischen Mirage-Kampfjets zwei syrische MiG-21 ab und verlegten den Luftkampf über den Himmel der syrischen Hauptstadt Damaskus. Mehr als einhundert Kampfjets beteiligten sich insgesamt an dieser Schlacht, bei der es den Israelis gelang, weitere vier syrische Flugzeuge abzuschießen. Erst danach erfolgte der Befehl zum Rückzug nach Israel.

Zutiefst gedemütigt wandte sich die politische Führung in Damaskus ebenso wie in Amman an den ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser. Die Radiokommentatoren der beiden Länder fragten sich ebenfalls, wo denn der angebliche Anführer der Araber blieb und warum dieser trotz Verteidigungsabkommen mit Syrien nichts außer Rhetorik vorzuzeigen hatte. Das jordanische Radio warf Nasser vor, sich unter den "Röcken" der UN-Truppen auf dem Sinai zu verstecken.

Brigadegeneral Aharon Jariw, Direktor des israelischen Militärgeheimdienstes AMAN, goss in einem Interview mit der United Press International (UPI) am 12. Mai 1967 noch weiter Öl in das ohnehin schon entfachte Feuer. Darin gab er zu verstehen, dass Israel die Regierung in Damaskus stürzen könnte, wenn "syrische Terroristen weiterhin Sabotageaktionen innerhalb Israels" durchführen würden.

Am nächsten Tag berief Nasser den Obersten Exekutivrat ein, um irgendeine Antwort auf die Warnungen der Sowjets zu finden, die sie dem Parlamentspräsidenten Anwar al-Sadat bei seinem Besuch am selben Tag in Moskau übermittelten. Die gleiche Meldung, dass Israel angeblich zehn Brigaden an der Grenze zu Syrien zusammengezogen habe, erhielt Nasser auch von der sowjetischen Botschaft und dem KGB in Kairo. Der Oberste Exekutivrat entschied, einen Teil der ägyptischen Armee in den Sinai zu entsenden. Es sollte nichts weiter als ein Zeichen der Solidarität gegenüber den Syrern und Jordaniern sein, dass sich Nasser seiner Verantwortung als arabischer Anführer stellt. Seine Armee hatte eigentlich mit dem Krieg in Nordjemen alle Hände voll zu tun.

Die Geheimdienste der USA und Großbritanniens respektive der CIA und der MI6 beurteilten die ägyptische Truppenverlegung in den Sinai korrekt. "Er fühlt vielleicht, dass sein Prestige in der arabischen Welt abstürzen würde, wenn er beim nächsten Schlag Israels gegen Syrien ruhig danebensteht", hieß es in einem CIA-Bericht. Die Briten schrieben, dass diese Truppenverlegungen "defensiv-abschreckenden Charakter haben und so gestaltet wurden, um den Syrern angesichts der israelischen Drohungen Solidarität zu zeigen".

Schlomo Gazit, Analystenchef des israelischen Militärgeheimdienstes, traf sich am 17. Mai in Tel Aviv mit US-Diplomaten. Natürlich war die Entwicklung im Sinai ein großes Thema, doch Gazit beruhigte seine Gäste, indem er dieses Spektakel eine "aufwendige Scharade" nannte. Man kannte das bereits aus dem Jahr 1960, als Ägypten ebenfalls aufgrund von Scharmützeln an der israelisch-syrischen Grenze Panzer in den Sinai geschickt hatte.

Nasser wollte mit dem Sinai-Manöver Druck auf Israel aufbauen, damit Tel Aviv die aggressive Position gegenüber Syrien aufgibt. Nachdem sich die Israelis unbeeindruckt zeigten, erhöhte er am 22. Mai 1967 den Druck, indem er die Straße von Tiran für israelische Schiffe schließen ließ, und damit effektiv eine Blockade gegen den Hafen von Eilat im Golf von Akaba errichtete.  

Damit traf Nasser die Israelis bis ins Mark und löste umgehend heftigste Reaktionen aus. Generalstabschef Rabin mobilisierte die Reservisten, Menschen führten Hamsterkäufe durch, um sich vor einem bevorstehenden Krieg mit genügend Nahrungsmittel einzudecken. Der Druck der Armeeführung auf Levi Eshkol stieg mit jedem Tag, endlich gegen Ägypten loszuschlagen. Der Ministerpräsident versuchte seinerseits, auf die US-Regierung Druck zu machen und behauptete, Israel stünde kurz vor einem ägyptischen Angriff.

Doch die CIA schätzte die Lage ganz anders ein. In ihrem Bericht an Präsident Johnson schrieben sie, dass es keinerlei Anzeichen gäbe, dass die Ägypter ihre defensive Formation im Sinai aufgegeben hätten. Johnson fragte auch beim britischen Ministerpräsidenten Harold Wilson nach, ob seine "Geheimdienstleute unsere Beurteilung teilen, dass die israelische Einschätzung überzogen ist". Aus London kam die Antwort, dass auch der MI6 die Lage so einschätzte wie die Amerikaner. Mit diesem Rückschlag wollten sich die israelischen Militärs, die auf einen Krieg drängten, nicht zufriedengeben.

Mossad-Chef Meir Amit wurde beauftragt, nach Washington zu fliegen und von Verteidigungsminister Robert McNamara zu erfahren, wie die USA zu einem israelischen Präventivschlag stehen würden. Zu seiner großen Überraschung stellte er fest, dass McNamara nichts dagegen hatte. Zwar müsste Israel es im Alleingang versuchen, aber er sicherte Amit Unterstützung bei den Vereinten Nationen zu und die USA würden dafür sorgen, dass die Munitionsvorräte der israelischen Streitkräfte aufgefüllt werden. Mit diesem grünen Licht der US-Regierung kehre Amit nach Israel zurück, wo er am Abend des 3. Juni im kleinen Rahmen den Ministerpräsidenten briefte.

Am nächsten Tag, dem 4. Juni 1967, wurde in einer dringend einberufenen Kabinettssitzung entschieden, einen Krieg gegen Ägypten zu beginnen. Nur wenige Stunden nach dieser Entscheidung startete um 7.15 Uhr die lang vorbereitete Operation Moked mit 183 Kampfjets, die den Start des sogenannten Sechstageskrieges einläuteten.

Um die Mittagszeit des 5. Juni informierte Mossad-Chef Meir Amit den US-Botschafter in Tel Aviv, Walworth Barbour, und den US-Sondergesandten Harry McPherson über den Ausbruch des Krieges. Den beiden US-Diplomaten erzählte Amit, dass die Ägypter den Krieg angefangen hätten, indem sie am frühen Morgen drei israelische Siedlungen in der Nähe des Gazastreifens bombardiert und ägyptische Kampfjets in den israelischen Luftraum vordringen lassen hätten. Das alles war gelogen. Nicht ein einziges ägyptisches Flugzeug befand sich in der Luft, auch gab es keinen entsprechenden Angriff auf diese Siedlungen.

Einen einsatzbereiten Plan für die Eroberung der Golanhöhen gab es hingegen nicht. Obwohl General David Elazar, Kommandeur des nördlichen Oberkommandos, von Anfang an auf einen Angriff auf Syrien drängte, wollte Mosche Dajan, der kurz vor dem Ausbruch des Krieges zum Verteidigungsminister ernannt worden war, davon nichts wissen. Zu seiner großen Irritation und zu seinem Ärger erlaubte Eshkol einer 31-köpfigen Delegation von Siedlern, die unterhalb der Golanhöhen ihre Siedlungen aufgebaut hatten, einer Sitzung des Kriegskabinetts am 8. Juni beizuwohnen. Durch ihre emotionalen Ansprachen schafften sie es, das kategorische Nein des Ministerpräsidenten etwas aufzuweichen.

Dazu kam, dass der israelische Geheimdienst in der Nacht vom 8. auf den 9. Juni eine Nachricht von Gamal Abdel Nasser an den syrischen Präsidenten Nur al-Din al-Atasi abfing, die alles verändern sollte:

Ich glaube, dass Israel seine gesamten Streitkräfte gegen Syrien konzentrieren wird, um die gesamte syrische Armee zu zerstören, und meine Sorge für die gemeinsame Sache zwingt mich dazu, Ihnen den Rat zu geben, die Feindseligkeiten zu beenden und U Thant (UN-Generalsekretär) umgehend zu informieren, damit Syriens großartige Armee beschützt wird. Wir haben diese Schlacht verloren. Möge Allah uns in der Zukunft beistehen.

Diese Information verleitete Dajan dazu, eigenmächtig eine zusätzliche Front gegen Syrien zu eröffnen. Ohne diesen Schritt mit dem Ministerpräsidenten abgesprochen zu haben, gab er David Elazar den Befehl, die syrischen Stellungen auf den Golanhöhen anzugreifen. Die israelischen Streitkräfte trafen auf unerwartet starken Widerstand der noch übrig gebliebenen Syrer, nachdem Damaskus den größten Teil der Truppen von der Front abgezogen hatte. Der von den Vereinten Nationen ausgehandelte Waffenstillstand trat am 8. Juni um 17.20 Uhr in Kraft, und die syrische Regierung ging davon aus, dass sich Israel daran halten würde. Diese strategische Fehlentscheidung führte schließlich dazu, dass die Golanhöhen nur mit wenigen Verteidigungspositionen versehen waren.

Am Abend des 10. Juni, als Israel schließlich den zwei Tage zuvor unterzeichneten Waffenstillstand endlich würdigte, hatte es einen unglaublichen militärischen Sieg davongetragen. Die Armeen Ägyptens, Jordaniens und Syriens waren geschlagen. Die Sinai-Halbinsel und der Gazastreifen wurden Ägypten entrissen, die Jordanier über den Jordan geworfen und die strategisch wichtigen, syrischen Golanhöhen erobert.

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