Meinung

Gas-Krieg, Sicherheitskonferenz, Internet-Zensur: Ein Wochenrückblick auf den medialen Abgrund

Kampf um die Energiepolitik, Sicherheitskonferenz in München und Internet-Zensur durch Upload-Filter: Vor allem diese Themen boten den Mainstreammedien in dieser Woche Anlass zu verzerrender Berichterstattung. Aber auch ein "Linksruck" der SPD war ein Thema.
Gas-Krieg, Sicherheitskonferenz, Internet-Zensur: Ein Wochenrückblick auf den medialen AbgrundQuelle: Reuters

Von Thomas Schwarz

Die Münchner Sicherheitskonferenz (SIKO) führt in ihrem medialen Fahrwasser stets auch eine Woge an antirussischen Ressentiments, so auch in dieser Woche. Das hat Tradition – spätestens seit der russische Präsident Wladimir Putin 2007 an ebenjenem Ort die russische Unterwürfigkeit gegenüber der westlich dominierten "Neuen Weltordnung" aufgekündigt hat. Der Start der Konferenz in dieser Woche war also für manche großen Medien auch Startsignal für eine nochmalige Zuspitzung der Meinungsmache gegen Russland. Die Konferenz ist aber auch willkommene Gelegenheit, Putins bemerkenswerte Rede von 2007 in Erinnerung zu rufen:

Die in dieser Woche entfaltete Stoßrichtung vieler großer deutscher Medien gegenüber Russland ist bekannt, etwa jene der Süddeutschen Zeitung, der Bild oder des Spiegel. Sie haben sich bei diesem Thema einen so gründlich unseriösen Ruf erarbeitet, dass sie oft nicht einmal mehr zur zynischen oder ironischen Betrachtung in dieser Kolumne dienen – denn diese Betrachtungen wären weder nach Kriterien des Medienskandals noch nach denen der Unterhaltung interessant. Insofern können weite Teile der etablierten deutschen Medien beim Thema Russland als irrelevant ignoriert werden.

Die Propaganda und der Gas-Krieg: "Fracking" wird zu "Flüssiggas"

Aus Chronistenpflicht seien hier dennoch einige Beispiele erwähnt. So warf etwa der Deutschlandfunk die "Annexion" der Krim und den Fall Oleg Senzow in gewohnt tendenziösem Tenor in den Ring. Zudem vermischte sich die Stimmungsmache vor der SIKO mit politischen und medialen Kampagnen gegen die Pipeline Nord Stream 2 und für US-amerikanisches Fracking-Gas. Das äußerte sich auch in medialen Details, etwa darin, dass die vertraute, aber belastete Vokabel "Fracking" in jüngeren Artikeln etwa des Deutschlandfunks oder der Tagesschau weitgehend gestrichen und durch das harmlosere Wort "Flüssiggas" ersetzt wurde.

Auch beim Thema Gas-Krieg gilt der oben zu Russland ausgeführte Befund: Weil sie als potenzielle/mutmaßliche US-Lobbyisten befangen sind, können viele deutsche Redakteure keinen interessanten Beitrag mehr zu dieser Debatte leisten. Als positive Ausnahme sei hier ein Artikel in der Zeit genannt. Als Negativbeispiel dafür, wie sich auch "progressive" gesellschaftliche Kräfte gegen Russland instrumentalisieren lassen, sei hier ein Artikel des Gewerkschaftsmediums Gegenblende aufgeführt. Die Autoren "warnen" vor zu viel Entspannung und wärmen den Vorwurf des Rechts-Sponsorings durch Russland auf:

Die Populisten im künftigen Europaparlament werden zudem bestrebt sein, die EU-Außenpolitik zu schwächen, entweder durch das Budgetrecht oder durch Änderungen politischer Beschlüsse. Da viele populistische Parteien finanzielle Verbindungen zum Kreml haben, wird das Ziel darin bestehen, die Sanktionen gegen Russland abzuschwächen.

Leser, die belastbare Hintergründe zum wichtigen Kampf für (bzw. gegen) Nord Stream 2 suchen, sind also einmal mehr auf RT angewiesen. Infos zur Pipeline hat aktuell auch WolfgangBittnerzusammengetragen. Diese guten Bemühungen stehen natürlich in keinem quantitativen Verhältnis zur Meinungsmache gegen die für Europa zentrale Pipeline.

Umfrage: Transatlantiker auf verlorenem Posten

Trotz dieser medialen Übermacht: Auf welch verlorenem Posten mittlerweile viele transatlantische Meinungsmacher stehen, hat in dieser Woche ausgerechnet die Atlantik-Brücke deutlich gemacht. Bei einer von der Lobby-Organisation beauftragten Umfrage bewerteten 85 Prozent der Deutschen das Verhältnis zu den USA als negativ oder sehr negativ. Eine stärkere Annäherung an die USA wünschten sich nur 13 Prozent, bei den SPD-Anhängern waren es laut Umfrage lediglich 2,9 Prozent, wie etwa die FAZ berichtet.

Diese Eindeutigkeit und das daraus sprechende Scheitern der Pro-US-Propaganda beschrieben die NachDenkSeiten einst am Beispiel von Umfragen zu Russland:

Diese Ergebnisse (der Umfragen) sind sensationell und ein Rückschlag für jene einflussreichen deutschen Redakteure, die seit Jahren versuchen, Russland und Putin zu dämonisieren – es hat nicht funktioniert. Die Umfragen sind Ausdruck des öffentlichen Scheiterns einer versuchten Gehirnwäsche. Die zahllosen antirussischen Artikel, Reportagen und Magazin-Cover waren nach dieser Lesart nicht nur potenziell volksverhetzend, sondern auch strategisch stümperhaft und unter dem Strich nicht erfolgreich. 

Politik gegen deutlichen Bürgerwillen: USA statt Seidenstraße

Angesichts der deutlichen aktuellen Zahlen der Atlantik-Brücke ist es umso skandalöser, dass die Politik (getrieben von einigen Medien) das vorerst gescheiterte deutsch-amerikanische Beziehungs-Projekt noch ausbauen will. Statt Deutschland konsequent in Richtung Seidenstraße zu steuern und eine von der Bevölkerung gewünschte Emanzipation von den USA und eine Entspannung zu Russland einzuleiten, tut unsere Regierung das Gegenteil: Laut Tagesschau öffnet sie den USA die Tür für deren "Flüssiggas".

Die NachDenkSeiten beschreiben unter dem Titel "Transatlantische Trümmer" die aus Altmaiers Verhalten sprechende Diskrepanz zwischen Bürgerwillen und deutscher Energiepolitik:

Dass die USA versuchen, ihre Interessen gegen jene Europas durchzusetzen, überrascht nicht. Rätselhaft ist aber, dass der deutsche Wirtschaftsminister bei dieser Unterhöhlung europäischer Energie-Interessen und der glatten Ignoranz des Bürgerwillens mitmacht. 'Deutschland braucht kein Fracking-Gas aus den USA', fordert dagegen die Linkspartei und skandalisiert die weiche Position Altmaiers gegenüber den USA: "Anstatt sich gegen ungehörige US-amerikanische Einmischungen in die Energiepolitik zu wehren, veranstaltet Peter Altmaier eine eigene 'LNG-Konferenz'."

Keine Angst vor Russland – Deutschland als "neue Schweiz"

Demnach widersprechen die in der Umfrage offenbarten Sichtweisen der Mehrheit der Deutschen auch auf anderen Gebieten den Darstellungen und "Erziehungs"-Versuchen aus Medien und Regierung: "Fast die Hälfte der Befragten (42,3 Prozent) hält China für einen besseren Partner für Deutschland als die USA. Nur 23,1 Prozent vertreten umgekehrt die Meinung, dass die USA ein verlässlicherer Partner sind als China", vermeldet die Atlantik-Brücke zur Umfrage. Befragt nach den aktuell gefährlichsten globalen Krisenherden, nannten demnach nur 1,9 Prozent die "Ausweitung der russischen Einflusszone". Der wachsende Einfluss Chinas wird in der Umfrage ebenfalls nur von 2,2 Prozent als größte Gefahr gesehen. In den großen Medien wurde die Umfrage etwa hier oder hier oder hier aufgegriffen.

Einen interessanten und für Europa bedenklichen Aspekt der Sicherheitskonferenz in München thematisiert die Augsburger Allgemeine: "Europa – und ganz speziell Deutschland – ist zwar Austragungsort der wichtigsten sicherheitspolitischen Tagung des Jahres. Doch wir muten dabei an wie eine Art Schweiz, die in den Debatten um die Sicherheitspolitik der Zukunft nichts zu sagen hat – und darauf auch keinen Anspruch erhebt." Noch deutlicher zeichnet der Deutschlandfunk die sich abzeichnende internationale Hierarchie, wenn er berichtet: "Wie China Europa den Rang abläuft: Chinesische Touristen nehmen Europa als Museum wahr: als Zeugnis einer ehemals einflussreichen Kultur."

"SPD läutet linkes Halbjahr ein"

Ein wiederkehrendes medial-politisches Phänomen konnte auch in dieser Woche beobachtet werden: Die SPD entwirft vor drohenden Wahlen sozialpolitische Forderungen und erweckt den Eindruck, sie sei als Regierungspartei nicht für die soziale Realität verantwortlich. Diese Strategie hat einmal mehr der Postillon auf den Punkt gebracht, indem er schreibt:

SPD läutet traditionelles linkes Halbjahr vor wichtigen Wahlen ein.

Die Taktik ist nur möglich, wenn große Medien mitziehen – und das taten sie, indem sie breitflächig vor einem "Linksruck" warnten. Oskar Lafontaine enttarnt dieses politisch-mediale Zusammenspiel treffend als "Theater", das "SPD und CDU aufführen, unter der Überschrift: 'SPD rückt nach links'".

Upload-Filter und Urheberrecht: Die Zähmung des Internets?

In der langen Geschichte der Zähmung des Internets wurde in dieser Woche ein neues Kapitel aufgeschlagen, indem das EU-Urheberrecht vorangetrieben wurde. Die diskutierten Positionen finden sich zwischen den folgenden medialen Polen. So kommentiert die Süddeutsche Zeitung:

Den Bürgern in der EU droht eine Richtlinie, die das freie Netz gefährdet. Die zwei Dutzend Artikel enthalten sinnvolle Änderungen, um das Urheberrecht an das digitale Zeitalter anzupassen. Doch Artikel 13 allein ist derart verkorkst, dass der potenzielle Schaden weitaus größer ist als der Nutzen. Dort ist nicht explizit von 'Upload-Filtern' die Rede. Aber den meisten Plattformen bliebe gar nichts anderes übrig, als alle Inhalte zu scannen, die Nutzer hochladen wollen. Bis die Richter die neue Richtlinie prüfen, wird es aber dauern. In der Zwischenzeit könnten die Grundlagen für eine gigantische Filter-Infrastruktur gelegt werden, die für Zensur missbraucht werden könnte.

Die Badischen Neuesten Nachrichten verteidigen dagegen das Gesetz:

Es wäre ein großer Durchbruch, wenn es der EU gelänge, dem Internet die Züge des Wilden Westen auszutreiben. Es träfe nicht gerade die wirtschaftlich Schwachen, wenn die digitalen Plattformen künftig etwas von ihren Riesengewinnen abgeben müssten: Google, Facebook und Co. Mit der Urheberrechtsreform stellt Europa unter Beweis, wie viel der alte Kontinent bewirken kann, wenn er zusammenhält: Er kann die größten Konzerne der Welt zur Rechenschaft ziehen und Standards setzen, die es nirgendwo sonst gibt. Noch ist der Erfolg aber nicht sicher. Auch, weil eine beispiellose Anti-Kampagne läuft.

Brücke in Venezuela: Fake News für die Intervention?

Dass der angestrebte Umsturz in Venezuela in dieser Woche nicht mehr die Medien dominierte, bedeutet nicht, dass von diesem Putsch abgelassen würde. Ein Kristallisationspunkt der Propaganda gegen die rechtmäßige Regierung des Landes sind die "humanitären Hilfslieferungen" und eine angeblich wegen dieser Lieferungen gesperrte Brücke an der Grenze zu Kolumbien. Die Brücke war aber angeblich noch nie geöffnet.

Wie am Beispiel dieser Brücke "Fake News im Dienst der US-Kriegspropaganda" verbreitet werden, beschreibt Frederico Füllgraf in diesem Artikel. Demgegenüber versucht der ARD-Faktenfinder, einige der westlichen Propaganda-Aussagen zu der Brücke zu retten – ohne Erfolg. 

Die "Hilfslieferungen" und die Meinungsmache

Am Beispiel der "humanitären Hilfslieferungen" zeigt sich deutlich die Verkürzung und die Verzerrung in der Berichterstattung zu Venezuela: Zum einen wird die tatsächliche humanitäre Lage nicht seriös dargestellt. Zum anderen wird die Notlage in dem Land vom westlich betriebenen Wirtschaftskrieg separiert, wie bereits in der letzten Medienkolumne zu lesen war: "Das ist neben den 'Demokratie'-Phrasen ein Hauptvorwurf, der an die westlichen Medien zu richten ist – nämlich, dass der Mangel in Venezuela medial unredlich von den illegalen wirtschaftlichen Angriffe des Westens auf das Land getrennt wird."

Präsident Nicolás Maduro brachte das gerade auf den Punkt, indem er sagte, durch die US-Sanktionen gegen Venezuelas Ölsektor sei seinem Land ein Schaden von 30 Milliarden Dollar entstanden. Nun biete Washington "Brosamen" an. Die "Hilfe" sei ein "Vorwand für eine militärische Intervention".

Es war nicht alles schlecht

Maduro hat nun einen offenen Brief "an das Volk der USA" verfasst, in den großen Medien kommt dieser Text nicht vor. Darum ist er der Lesetipp der Woche:

Wir leben in historischen Zeiten. Diese sind Tage, an denen sich die weitere Zukunft unserer Länder entscheidet: Krieg oder Frieden? Ihre politischen Vertreter in Washington wollen an ihre Grenzen denselben Hass bringen, den sie schon nach Vietnam gebracht haben. Sie planen eine Invasion und eine Intervention in Venezuela. Und das im Namen von Demokratie und Freiheit, so wie sie es damals auch schon sagten. Aber so ist es nicht. Diese Geschichte, dass sich in Venezuela eine Clique widerrechtlich Macht angeeignet hat, ist genauso unzutreffend wie die Geschichte von den Massenvernichtungswaffen im Irak. Dies ist eine falsche Behauptung, aber sie kann verheerende Folgen für unsere gesamte Region haben.

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