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Mit leichter Verspätung: Drei Monate nach tödlicher Messerattacke besucht Kanzlerin Merkel Chemnitz

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist heute in Sachsen. Drei Monate nach dem gewaltsamen Tod eines Deutschen in Chemnitz - vermutlich durch Asylbewerber - besucht sie die Stadt. Diskussionen darüber, ob sie denn nicht zu spät komme, überschatten die Visite.
Mit leichter Verspätung: Drei Monate nach tödlicher Messerattacke besucht Kanzlerin Merkel ChemnitzQuelle: Reuters

Bereits seit Tagen ist das ehemalige Karl-Marx-Stadt im Ausnahmezustand, denn am Freitag kommt Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Besuch. Ganze Straßenzüge sind am Freitag gesperrt, einige sogar auch für Fußgänger. Mehrere Buslinien mussten umgeleitet werden. Die sächsische Polizei wird von Kräften der Bereitschaftspolizei aus Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Thüringen sowie der Bundespolizei unterstützt, denn für den Tag sind auch Demonstrationen von Kritikern der Asylpolitik Merkels angekündigt.

Knapp drei Monate nach dem gewaltsamen Tod eines Deutschen und den darauf folgenden Unruhen besucht die CDU-Chefin die 246.000-Einwohner-Stadt. Die Visite wird bereits im Vorfeld von der Diskussion überschattet, ob denn die Kanzlerin nicht zu spät komme.

Aus Sicht der Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) und Vertretern des gesellschaftlichen Lebens kommt der Termin zu spät. Ludwig habe gehofft, dass die Kanzlerin sich rasch ein eigenes Bild machen und mit den Bürgern der Stadt ins Gespräch kommen würde, sagte die SPD-Politikerin in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

Ich hatte Frau Merkel bereits im September zu einem Bürgerdialog zum Thema Zuwanderung eingeladen. Jetzt, mit Abstand von knapp drei Monaten, ist die Frage, welches Ziel sie verfolgt. Wenn der Besuch ein Signal des gesellschaftlichen Zusammenhalts sein soll, in einer Zeit der Polarisierung, dann ist er richtig und wichtig.

Natürlich bestehe die Gefahr, dass die Stadt erneut aufgewühlt werde, so Ludwig. 

Ende August war ein 35-jähriger Chemnitzer, vermutlich von Asylbewerbern, angegriffen und erstochen worden. Nach dem Tod des Mannes kam es zu Demonstrationen in der Stadt. Auch rechtsextreme Kräfte organisierten Kundgebungen, auf denen sie den tödlichen Angriff für sich instrumentalisierten. In der Stadt kam es zudem zu fremdenfeindlichen Übergriffen und Anschlägen auf ausländische Restaurants.

Kommt Kanzlerin Merkel zu spät nach Chemnitz?

Ebenso wie die Rathauschefin urteilte Frank Müller, Vorstandsvorsitzender des Branchenverbandes Kreatives Chemnitz. "Aus meiner Sicht ist die beste Zeit für Betroffenheitsbesuche leider schon vorbei", sagte der Mitinitiator der Initiative #wedergraunochbraun. Der Zusammenschluss von Firmen, Privatpersonen und der Kreativbranche setzt sich für ein weltoffenes Chemnitz ein.

Hans-Joachim Wunderlich, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK), meinte hingegen: "Für einen Besuch in Chemnitz ist es nie zu spät." Wohl auch mit Hilfe der Visite der Kanzlerin wünschte er sich, dass über Chemnitz wieder positiv berichtet wird.

Unsere Unternehmer wünschen sich mehr mediale Aufmerksamkeit für die positiven Dinge in unserer Region – von den wirtschaftlichen Erfolgen bis hin zu den vielen gelungenen Integrationsbeispielen", so Wunderlich.

Auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat Kritik zurückgewiesen, der Besuch von Kanzlerin Merkel komme zu spät. 

Es ist nie zu spät, um zu sprechen", sagte der CDU-Politiker am Freitagmorgen im Inforadio des rbb.

Außerdem gebe es "jetzt auch wieder neue Themen, und deswegen ist es richtig, dass die Kanzlerin kommt". Als Beispiel nannte der CDU-Politiker den UN-Migrationspakt. Dieser treibe viele Menschen um. Kretschmer forderte einen kritischen Dialog. Es gehe auch darum, dass Politik lerne, sagte der CDU-Politiker. Man müsse sehen, wo Dinge kritikwürdig seien und wie man sie verbessern könne. 

Eine Chemnitzerin, die wegen der ganzen Diskussionen und medialer Schelte der Stadt anonym bleiben wollte, sagte gegenüber RT Deutsch:   

Der Besuch von Frau Merkel drei Monate nach den furchtbaren Ereignissen ist –  vor allem nach ihren unsäglichen Aussagen über Hetzjagden in der Stadt – viel zu spät und an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten. Man fühlt sich in tiefste DDR-Zeiten zurückversetzt.

Erich Honecker habe auch Angst vor seinem Volk gehabt und wurde abgeschirmt. Zu der Zeit hatte man - wie heute wieder - Angst, seine Meinung frei zu äußern, so die 50-jährige Chemnitzerin.

Treffen mit Bürgern, aber nur mit eingeladenen 

Nach den Ausschreitungen war ein kurzes Video im Umlauf, das bundesweit für Diskussionen gesorgt hatte. Von einer Hetzjagd auf Ausländer war die Rede. Der nun in den Ruhestand versetzte Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen hatte die Echtheit des Videos aber angezweifelt und damit eine Regierungskrise ausgelöst. Auch der sächsische Ministerpräsident Kretschmar kritisierte die Berichterstattung zu diesem Thema und verwies darauf, dass es in Chemnitz "keinen Mob und keine Hetzjagd" gegeben habe.

Zum Auftakt ihrer Visite besuchte Kanzlerin Merkel das Training von zwei Nachwuchsteams des Basketball-Zweitligisten Niners Chemnitz.

Begleitet von einem riesigen Medienaufgebot wechselte sie ein paar Worte mit Spielern, Trainern und Vereinsfunktionären und ließ sich Details zur Nachwuchsarbeit erklären. In einer nicht öffentlichen Runde soll sie dort noch mit geladenen Gästen – unter anderem Vertretern der Zivilgesellschaft, Kultur und des Mittelstandes – sprechen. Danach wird die Kanzlerin an einer Gesprächsrunde mit Lesern der lokalen Tageszeitung Freie Presse teilnehmen, auf deren Einladung die CDU-Politikern nach Chemnitz kommt. Die Teilnehmer der Runde wurden laut der Zeitung zum größten Teil ausgelost.

Wie der Pressesprecher der "Niners" gegenüber RT Deutsch erklärte, wandte sich der Verein an das Bundespresseamt, um sich für den Besuch der Kanzlerin zu bewerben und erhielt am Ende den Zuschlag. Durchsetzen konnte man sich demzufolge gegen "eine lange Liste" von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Vereinen und Initiativen. Warum sich Merkel ausgerechnet für die Niners entschied, hatte man bei all der Aufregung und „beeindruckenden Resonanz“ vergessen zu fragen.“

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