Europa

Wahlbeobachtungen aus Schweden – zwischen Wahlmanipulation und kuriosen Kandidaten

Die Vorwahlen in Schweden haben begonnen, die Bürger können ihre Stimmen abgeben. Rechte Parteien reden von Unregelmäßigkeiten, und einige konservative Politiker bedienen sich ungewöhnlicher Werbemaßnahmen. Ein Bericht aus Schweden vor den Wahlen am 9. September.
Wahlbeobachtungen aus Schweden – zwischen Wahlmanipulation und kuriosen Kandidaten Quelle: Reuters © TT News Agency/Hanna Franzen via REUTERS

Die Wahl verläuft in Schweden ganz leger. Man nehme sich in einem der aufgestellten Wahlstände drei Zettel seiner favorisierten Partei (als Nicht-Schwede nur zwei) von einem Wühltisch. Es ist also leicht zu erkennen, wer was wählt, und der ordentliche Schwede nimmt nie mehr Papier als nötig – der Umwelt zu Liebe. Dies wurde ihm schon zu Schulzeiten eingeimpft. Damit begibt man sich in die Kabine und macht sein Kreuzchen. Aber da wird dem ungeübten Schweden-Wähler ersichtlich, dass es unterschiedliche Zettel der gleichen Partei gibt, denn es gibt zu viele Kandidaten auf regionaler Ebene. Anschließend legt man jeden Zettel einzeln in einen Wahlumschlag. Bei den netten Wahlhelfern zeigt man seinen per Post zugeschickten Wahlschein vor und seinen Ausweis. Die Wahlnummer wird vermerkt und die Umschläge mit dem Wahlzettel in einem größeren Umschlag von den Wahlhelfern eingeworfen. Die Freude darüber, seine Stimme eigenhändig abzugeben, bleibt dem Wähler verwehrt.

Da die Wahl nicht sehr geheim ist, ist es interessant, anhand des Aussehens und dem Gehabe der Wähler zu erraten, wer welche Partei wählt, bis sie schließlich zugreifen und sich mit den Zetteln erkenntlich zeigen.

Der erste Wähler mit schwedischem Aussehen und im Hipster-Look, der mir begegnet, gab seine Stimme der Feministischen Partei. Die Studentin mit dem Jute-Beutel den Grünen und der gut gelaunte Mann um die 40 mit Glatze, Tattoos und einem T-Shirt, welches wohl eine Rockband mit faschistischer Richtung darstellt, der Anti-Einwanderungspartei Schweden-Demokraten. Er schien angesichts der rosigen Prognosen mit über 20 Prozent siegesgewiss. Einem sehr ernsthaft wirkenden Pensionär gefiel es gar nicht, dass sich andere Personen an dem Wahltisch aufhielten. Er entfernte sich wieder.

Die Parteien im Überblick:
Sozialdemokratische Arbeiterpartei (S oder SAP):

Die Regierungspartei unter Premierminister Stefan Löfven hat sich auf Druck der rechten Parteien den Themen Migration und Kriminalität angenommen. Koalieren mit den Schweden-Demokraten wollen sie nicht. Ihnen droht, nach den Prognosen, ein historisch schlechtes Ergebnis. Sie könnten knapp über 20 Prozent liegen und einen 10-prozentigen Verlust gegenüber den Wahlen im Jahr 2014 erreichen. Seit den 1930er Jahren regierte sie nur 17 Jahre lang nicht. Mit der Linkspartei und den Grünen regiert die SAP als Minderheitsregierung. 

Wahlwerbung per Post gab es im August nur von den Schweden-Demokraten. Diese versprechen eine "richtige Veränderung". 

Schweden-Demokraten (SD):

Auch als Anti-Einwanderungspartei bezeichnet, wird sie von dem Parteivorsitzenden Jimmie Åkesson geleitet. Die Politiker stellen sich gerne als besonders proper und aus der schwedischen Mittelschicht dar. Ihr Ziel ist es, die Zahlen der Zuwanderung zu senken und zwar um rund 90 Prozent. Auch Skandale konnten den Schweden-Demokraten nicht schaden. Für den 9. September wird ihnen ein historisch gutes Ergebnis von weit über 20 Prozent vorausgesagt. Die Schweden-Demokraten wollen ein Referendum zur EU-Mitgliedschaft. Dies aber könnte zu einem Koalitionsproblem führen. Eine Koalition aus Schweden-Demokraten und Moderaten wäre denkbar. 

Umgangssprachlich werden die neuen Rechten Schwedens auch als Sweden-Vänner (Schweden-Freunde) bezeichnet. 

Die Moderaten (M):

Die Mitte-Rechts-Bewegung favorisiert Arbeitsplätze und geringere Steuern. Die Moderaten vertreten eine liberale Wirtschaftspolitik. Sie sind Mitglied der Europäischen Volkspartei ECP. Sie schließen die Zusammenarbeit mit der SD in "einzelnen Sachfragen" nicht aus. 

Alternative für Schweden (AfS):

Die Alternative für Schweden spaltete sich von den Schweden-Demokraten ab und wurde von Gustav Kasselstrand gegründet. Dabei ließ er sich von der deutschen Partei AfD und der FPÖ inspirieren. Der Gründer wurde gemeinsam mit anderen Mitgliedern von der Jugendorganisation der SD ausgeschlossen, nachdem ihnen vorgeworfen worden war, Verbindungen zur Nordischen Jugendorganisation zu haben. In den schwedischen Medien wird sie als nationalistische und rechtspopulistische Partei beschrieben. 

Die Grünen (MP):

Werden traditionell von einer weiblich-männlichen Parteispitze geführt. Die Parteisprecher sind Isabella Lövin und Gustav Fridolin. 2014 erhielten sie 6,9 Prozent der Stimmen. In der Regierungskoalition unter Stefan Löfven übernahmen sie die Funktion einer Juniorpartei. 

Die Zentrumspartei (C):

Bürgerlich liberal mit einem Fokus auf Umweltschutz. Ihre Wähler beziehen sie, unter dem Vorsitz von Annie Lööf, besonders aus den ländlichen Gebieten. Von den bürgerlichen Parteien können sie als einzige bessere Zahlen erwarten als 2014. Vor vier Jahren erhielten sie 6,4 Prozent der Stimmen.

Andere Parteien: Die Linkspartei, die Liberalen, die Christdemokraten, die feministische Alternative und die Neo-Nazi-Partei Nordic Resistance.

Ungewöhnliche Werbestrategien im Wahlkampf 

Die Wahlen in Schweden aber haben im Jahr 2018 Unterhaltungswert. Ein Name sticht in diesem Wahlkampf hervor: Hanif Bali, Parlamentsmitglied und Politiker der konservativ-bürgerlichen Moderaten, posierte mit Waffen für sein "Call of Duty". Mit Hipster-Bart und vier Waffen posierend sieht er auf dem Bild wie ein Actionheld aus. Darauf zu lesen: "Call of Duty – Hanif & DN at War" Die Satire des Bildes kam nicht bei allen an. Bali teilte das Bild, was von einer Werbeagentur erstellt wurde. Ein Shitstorm in den sozialen Medien folgte. Das Bild musste Bali nach einem Treffen mit Parteisekretär Gunnar Strömmer und dem Medienhaus löschen. Premierminister Stefan Löfven zeigte wenig Sinn für Humor. Viele kritisierten auch die Wahl der Waffe. Die AR-15s, die im Bild zu sehen sind, kommen häufig bei Schulattentaten in den USA zum Einsatz.

Gusten Mårtensson von der Zentrumspartei macht mit der mobilen Dating-App Tinder Wahlkampf. Die Idee dazu kam von seinem Parteikollegen aus Malmö: 

Warum nicht? Es gibt so viele in meinem Alter und etwas Jüngere, die Tinder benutzen. Es ist eine Plattform, um mit den Wählern in Kontakt zu kommen. 

Berichte über Wahlmanipulationen 

Zwei OSCE-Wahlbeobachter wurden erstmalig bei dieser Wahl nach Schweden entsandt. In den schwedischen Medien wird von einer Symbolhaftigkeit gesprochen. Auf Twitter beschwerten sich die Schweden-Demokraten, dass es bei den Vorwahlen zu Sabotage und Fuscherei (unter dem Hashtag Valfusk) kommt. Sie teilten einen Tweet der Politikerin Annie Lööf, die sich bei einer Wählerin bedankt, die ihre Stimme Lööf gab und pries, dass Leute die Wahlzettel der SD haben verschwinden lassen.  

In Falkenberg sollen die Wahlzettel der Schweden-Demokraten schier vergessen worden sein, sie wurden nicht ausgelegt, berichtete die Lokalpolitikerin Sara-Lena Bjälkö. Und in einer Bibliothek wurden die Wahlzettel der Schweden-Demokraten auf einem anderen Tisch platziert. 

Der amerikanisch-schwedische Hollywoodschauspieler Joel Kinnaman, bekannt durch US-Serien wie "The Killing" und "House of Cards", warnt die schwedische Bevölkerung davor, den gleichen Fehler zu machen wie die US-Bevölkerung. In einem Video zieht er einen Vergleich und sorgt sich, dass Schweden das gleiche Schicksal wie die USA ereilt: "In den USA würde sich die Gesellschaft zerteilen." 

Schweden: Marodierende Gangs ziehen durch die Vorstädte:

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