Afrika

Tote US-Spezialkräfte im Niger: IS-Video entfacht Debatte über Grundlage amerikanischer Präsenz

Der Vorfall ereignete sich bereits im Oktober 2017. Nun veröffentlichte der IS ein verstörendes Video, das die Tötung von vier US-Soldaten im Niger zeigen soll. Der Hintergrund der Mission wirft in den USA wie auch in der nigrischen Bevölkerung Fragen auf.
Tote US-Spezialkräfte im Niger: IS-Video entfacht Debatte über Grundlage amerikanischer PräsenzQuelle: Reuters

Aktuellen Erkenntnissen zufolge ereignete sich der Angriff von Kämpfern des so genannten Islamischen Staates (IS) am 4. Oktober 2017 in der Region Tillabéri an der Grenze des Niger zu Mali. Demnach patroullierten elf US-Soldaten, begleitet von 30 nigrischen Armeeangehörigen, vor Ort, als sie in einen Hinterhalt der islamistischen Terroristen gerieten. Nun heißt es, vier US-Spezialkräfte seien bei dem Angriff ums Leben gekommen.

Bei den Getöteten soll es sich nach bisherigen Erkenntnissen um die Stabsfeldwebel Bryan Black, Dustin Wright und Jeremiah Johnson sowie den Feldwebel David Johnson von der 3. Special Forces Group der US-Armee handeln.

IS veröffentlicht Video der getöteten US-Soldaten

Erst jetzt hat der IS ein Video veröffentlicht, das die Tötung der vier mutmaßlichen Angehörigen der Eliteeinheit Green Berets zeigen soll. Dadurch gelangte der Vorfall international wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit. Das Pentagon verweigerte am Montag eine Stellungnahme zu dem IS-Video, das mutmaßlich von der Helmkamera eines während des Einsatzes getöteten US-Soldaten aufgezeichnet wurde. Vielmehr warnte das US-Verteidigungsministerium davor, sich durch die Veröffentlichung des Videomaterials zu IS-Komplizen zu machen:

Wir fordern die Medien, die Öffentlichkeit und alle verantwortlichen Organe dazu auf, den Terroristen nicht durch die Betrachtung oder Verbreitung dieser Bilder, dieser Videos, bei ihren Rekrutierungsbemühungen zu helfen. Sie machen sich zu Komplizen des IS, wenn Sie es tun", unterstrich Oberst Rob Manning gegenüber Reportern.

Zudem könne man die "Echtheit eines Videos, das wir nicht selbst produziert haben", nicht verifizieren.

US-Bürger erfahren erst durch das IS-Video von den konkreten Vorgängen

Viele US-Bürger fragen sich nun, warum sie nicht durch das eigene Verteidigungsministerium, sondern erst durch das mutmaßliche IS-Propagandavideo detaillierte, wenn auch verstörende Informationen über den Einsatz ihrer Soldaten im Niger erhalten. Zunächst hieß es im Oktober 2017 vonseiten des Pentagon, dass die Untersuchung hinsichtlich des Todes von US-Soldaten 30 Tage dauern werde, dann wurde diese auf Januar verschoben und bis dato gibt es immer noch keine veröffentlichten Ergebnisse. Nun heißt es beim US-Sender CBS News, dass für diese Woche eine Erklärung des Pentagons zum Übergriff im Niger erwartet werde. Unterdessen berichtete die New York Times im Februar 2018:

Die vier Männer, gemeinsam mit vier nigrischen Soldaten und einem Übersetzer, wurden in einem Konflikt getötet, von dem nur einige Amerikaner überhaupt etwas wussten. Die Öffentlichkeit, aber auch die Familien [der Betroffenen] und sogar einige hochrangige amerikanische Abgeordnete hingegen nicht.  

Nach Angaben der investigativen Nachrichtenseite The Intercept sei die Patrouille von "Dutzenden, wenn nicht hunderten" Terroristen angegriffen worden. In einem ersten Statement nach dem IS-Überfall hatte das Pentagon noch erklärt, dass es sich um eine "Mission geringen Risikos" (low-risk mission) gehandelt habe. Im Niger selbst verbreitete sich die damalige Nachricht wie ein Lauffeuer, war vielen Bewohner des Sahelstaats doch nicht bewusst, dass sich überhaupt US-Truppen in ihrem Land befinden:

Das war der Moment, als ich als nigrische Staatsangehörige, als Mitglied des Parlaments, als eine Repräsentantin des Volkes davon erfuhr, dass [im Niger] tatsächlich eine [amerikanische] Basis samt Boden-Operationen existiert", erklärte etwa Soumana Sanda, Führerin einer nigrischen Oppositionspartei.

Zweifel an der Legitimät der US-Drohnenbasis in Niger

In diesem Zusammenhang stellt sich einmal mehr die Frage nach der Legitimität der militärischen US-Anwesenheit auf nigrischem Boden. Zumindest nach Ansicht lokaler Aktivisten, Anwälte und Oppositionspolitiker lässt sich von einer solchen nicht ausgehen. Sie argumentieren, dass die US-Drohnenbasis etwa gegen Artikel 169 und Artikel 66 der nigrischen Verfassung verstoße. Demnach bedürfen Verteidigungsabkommen der Genehmigung durch das Parlament - was im Fall der Drohenbasis offenbar nicht der Fall war. Des Weiteren dürfe die Verteidigung des Nigers nur durch nigrische Truppen und nicht durch ausländische Mächte erfolgen.

Nicht von ganz ungefähr dürfte es daher bei AFRICOM, mit Hauptquartier, in Stuttgart heißen:

Die US-Kräfte sind im Niger, um mit und durch die nigrischen Partner die Stabilität und Sicherheit zu fördern, während wir sie in die Lage versetzen, ihren Sicherheitsbedrohungen zu begegnen.

Bei AFRICOM handelt es sich um das sechste und jüngste Regionalkommando der US-Streitkräfte, das im Oktober 2007 seinen Betrieb aufnahm.

Interesse an lokalen Ressourcen hinter militärischer US-Hilfe?

In hiesigen Breitengraden wird die ausufernde Präsenz westlicher, vor allem US-amerikanischen Truppen, gerne mit dem vorgeblichen Kampf gegen den internationalen Terrorismus begründet. Auf den Straßen vor Ort mögen nur die Wenigsten dieser Argumentation Glauben schenken, so auch im Niger.

Wir waren überrascht. Für uns ist das eine andere Form des Kolonialismus", zeigt sich etwa ein nigrischer Straßenhändler überzeugt.

Demnach argwöhnen Teile der einheimischen Bevölkerung sogar, dass die US-Einheiten selbst den IS vor Ort protegieren, um Kontrolle über lokale Ressourcen wie Erdöl, Gold, Uran, aber auch die enormen Süßwasservorkommen im Boden der Sahara zu erlangen.

Demnach argwöhnen Teile der einheimischen Bevölkerung sogar, dass die US-Einheiten selbst den IS vor Ort protegieren, um Kontrolle über lokale Ressourcen wie Erdöl, Gold, Uran, aber auch die enormen Süßwasservorkommen im Boden der Sahara zu erlangen.

Niemand außer den Regierungsoffiziellen glaubte daran, dass die Amerikaner für die Sicherheit hier sind", resümiert Joe Penney, der für The Intercept vor Ort recherchierte.

USA investieren in 110 Millionen US-Dollar teure Drohnenbasis

Derweil heißt es vonseiten des Pentagon, dass etwa 800 US-Soldaten im Niger stationiert seien. Diese seien demnach mit der Aufgabe betraut, das nigrische Militär "zu trainieren, zu beraten und [diesem] zu assistieren". Seit dem Jahr 2013 halten sich US-Einheiten auf dem gesamten Staatsgebiet des Niger auf. Ein Teil von ihnen ist derzeit mit dem Aufbau einer 110 Millionen US-Dollar teuren Drohnen-Basis in Agadez nordöstlich der Hauptstadt Niamey betraut. Seit Jahrhunderten gilt die Stadt als strategisch günstig gelegenes Handelsdrehkreuz am südlichen Rand der Sahara. Nicht weit entfernt liegen die Staaten Mali, Algerien, Libyen und Tschad.

Auch Deutschland, Frankreich und Italien wollen vor Ort "helfen"

Die US-amerikanischen Spezialeinheiten operieren derweil unabhängig von der Drohnen-Basis. Samantha Reho, Sprecherin des U.S. Africa Command, erklärte zu den US-Truppen im Niger:

Ich kann bestätigen, dass derzeit Personal des Verteidigungsministeriums (Militär, Zivilpersonen und Vertragspartner) im Umfang von augenblicklich etwa 800 Personen im Niger arbeitet. Damit verfügt das Land auf dem Kontinent nach Dschibuti über den zweithöchsten Stand an Personal vonseiten des Verteidigungsministeriums nach Dschibuti am Horn von Afrika.

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Doch nicht nur die USA hegen Begehrlichkeiten auf dem afrikanischen Kontinent. Laut The Intercept ist etwa auch Frankreich seit 2013 mit Soldaten im Niger präsent. Diese richteten sich im Jahr 2015 in der alten französischen Kolonialfestung Madama nahe der libyschen Grenze neu ein.

Deutschland ist ebenfalls im Rahmen einer "Friedensmission" an der Grenze zu Mali mit Soldaten vor Ort und Italien kündigte jüngst an, ebenfalls 470 Soldaten auf einem französischen Stützpunkt im Niger stationieren zu wollen. Dabei geht es offiziell selbstverständlich nicht um die Kontrolle von Bodenschätzen, sondern um die Unterstützung der örtlichen Regierungen im Kampf gegen die - noch vor wenigen Jahren vor Ort unbekannte - Plage des islamischen Terrorismus.

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