Deutschland

Korrupt sind immer die anderen? Berlin sitzt Antikorruptionsvorgaben seit Jahren aus

Erneut hat jüngst das Antikorruptionsgremium des Europarats daran erinnert, dass Deutschland in Sachen Korruptionsbekämpfung eine Reihe von Empfehlungen umsetzen sollte. Jedoch gibt es einen Unterschied in den Vorgaben des Europarats zu denen, die andere Länder oft aus Berlin erhalten.
Korrupt sind immer die anderen? Berlin sitzt Antikorruptionsvorgaben seit Jahren ausQuelle: www.globallookpress.com

Deutsche Außenpolitiker betonen mit Vorliebe, welche Reformen andere Länder auf den Weg zu bringen haben, welche Hausaufgaben in Bereichen wie Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Korruptionsbekämpfung zu machen sind. So vermittelte Bundesaußenminister Gabriel Mitte Februar dem Westbalkan nach Zuckerbrot-und-Peitsche-Erziehungsprinzip, was zu tun sei, und die Großzügigkeit Deutschlands, das die Länder auf ihrem Weg Richtung EU unterstützt. Denn eine „Mitgliedschaft wird für die Serbien und Kosovo nur möglich, wenn die Länder die nötigen Reformen auch effektiv umsetzen“. 

Deutschlands Hilfe für andere Länder auf dem Weg zur "good governance"

Unbedingt müssen sich die Länder untereinander vertragen und außerdem gut nach EU-Prinzipien betragen. Zudem machte Gabriel klar: insbesondere "bei den Themen Rechtsstaatlichkeit, Grundrechte und Regierungsführung ist ein Wandel nötig. Korruption und organisierte Kriminalität müssen energisch bekämpft und unabhängige Institutionen gestärkt werden." Und die Bundesregierung fördert den Wandel vor Ort und hat auch ein Auge darauf, dass er vorangeht.

Mit Blick auf den EU-Erweiterungsprozess setzt sich Deutschland dafür ein, dass genau geprüft wird, wie erfolgreich die nötigen Reformschritte umgesetzt worden sind. Gleichzeitig engagiert sich die Bundesregierung, um den Wandel vor Ort zu unterstützen.

Auch regierungsnahe Organisationen und Medien in Deutschland werden nicht müde, darauf hinzuweisen, welche ausländischen Regierungen noch welche Hausaufgaben zu machen haben, einen "Kultur- und Mentalitätswechsel" benötigen, um in Staat und Gesellschaft die "dringend erforderliche Bereitschaft für Reformen zu schaffen". Aber korrupte Regime sind immer die anderen, die es zu belehren und maßregeln gilt, und Länder, in denen Korruption ein tief verwurzeltes Übel ist, sind meist weit weg von Berlin.

Deutschland fällt durch Nichtstun zurück

Wie im Februar bereits die Antikorruptionsorganisation Transparency International (TI) bekanntgab, hat sich aber ausgerechnet Deutschland im weltweiten Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) zwei Ränge nach hinten katapultiert. Die Organisation, die sich für die „Bekämpfung von Korruption sowie Prävention von Straftaten, die mit Korruption im Zusammenhang stehen“ einsetzt, maß dazu die in Politik und Verwaltung wahrgenommene Korruption auf Grundlage verschiedener Expertenbefragungen.

Mehr lesen - "Betrug an Bürgern" - Abgeordnetenwatch veröffentlicht Nebenverdienste der Abgeordneten

Demnach stagnierte Deutschland bereits seit einigen Jahren im Korruptionswahrnehmungsindex und fällt nun im internationalen Vergleich sogar zurück. Die Vorsitzende von Transparency Deutschland, Edda Müller erkannte darin eine Tendenz.

Der Korruptionswahrnehmungsindex macht deutlich: Wer nur verwaltet und keine neuen Initiativen ergreift, läuft Gefahr, international abgehängt zu werden.

Mehr lesen - Transparency International: Korruptionsbekämpfung in Deutschland stagniert

Jüngst aber wurde Deutschland selbst gemaßregelt. In dem Fall nicht von einem Lehrmeister einer vermeintlich überlegenen Nation, sondern vom Antikorruptionsgremium des Europarats. Die Europarat-Gruppe gegen Korruption (GRECO) beschloss bereits im Herbst 2017 die Punkte im jüngst veröffentlichten "Nachtrag zum zweiten Umsetzungsbericht der dritten Evaluierungsrunde". Mit dem Anfang dieser Woche veröffentlichten Nachtrag sendet die GRECO eine Erinnerung an Berlin und bewertet die Maßnahmen, die die deutschen Behörden seit dem letzten Zwischenbericht ergriffen haben, zwei verschiedene Themenbereiche seien betroffen: Zunächst der Bereich Kriminalisierung hinsichtlich des Strafrechtsübereinkommens über Korruption und die Transparenz der Parteienfinanzierung gegen Korruption bezüglich der Finanzierung von politischen Parteien und Wahlkämpfen.

Mehr lesen - Lobbycontrol: Intransparente Millionenspenden an Parteien

In Deutschland müssen somit weiterhin lediglich Großspenden an Parteien in Höhe von mehr als 50.000 Euro an den Bundestagspräsidenten gemeldet werden, eine Situation, die seit Jahren in der Kritik steht, da somit lauter Parteienspenden in geringeren aber nicht unerheblichen Größenordnungen unter einen Sammelposten gescheffelt werden und damit wenig transparent gehalten werden können. Laut dem Verein Lobbycontrol setzen sich mehr als neunzig Prozent aller Parteispenden aus den geringeren Summen zusammen, wodurch rund 70 Prozent der Spenden einflussreicher Verbände und Unternehmen anonym bleiben können. Und wer kann da mit Sicherheit behaupten, was auf der Hand liegt: Auch in Deutschland sind Missstände, wie zum Beispiel der "mutmaßlich größte Kartellskandal" in der deutschen Nachkriegsgeschichte, auch bekannt als "Dieselgate", auf derlei finanzielle neben den offenkundigen personellen Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Regierung zurückzuführen.

"Meister im Schlendrian" - Reformresistenz in Berlin

Und es ist nicht das erste Mal, dass Berlin entsprechende Hinweise aus Straßburg erhalten hat, jedoch hat die Bundesregierung einfach nicht die erforderlichen Reformen folgen lassen. Seit dem Jahr 2011 läuft ein Verfahren, weil Deutschland die bereits im Jahr 2009 empfohlenen Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung nicht hinreichend umsetzt. Was die "Transparenz der Parteienfinanzierung" betrifft, hat Deutschland bisher gerade mal ganze drei von zehn Empfehlungen zufriedenstellend umgesetzt.

Deutschland habe sich bereits in seiner "Hinhaltungstaktik" wie Lobbycontrol es nennt, geübt und die Rügen ausgesessen. Stolze neun Monate habe sich der Innenausschuss für die Antwort auf die im Juni 2016 vorgelegt Bitte um Stellungnahme zu den Greco-Empfehlungen genommen. Welche sodann lautete, man könne nicht wirklich antworten, zumal man sich mittlerweile im Wahlkampf befinde. Schlecht für Antworten und erst recht für Reformen.

Damit ist Deutschland nach Ansicht des Lobbycontrol-Experten Timo Lange, "Meister im Schlendrian".

Neben der demokratiegefährdenden Problematik im Bereich der Parteispenden sieht die GRECO unter anderem Handlungsbedarf im Bereich der Wahlkampffinanzierung, die "rechtzeitig vor Wahlterminen erscheinen solle", um somit Bürger über die finanziellen Hintergründe der Parteien und Kandidaten aufzuklären. Auch müssten die Rechenschaftsberichte der Parteien unabhängig geprüft werden und auch die Bundestagsverwaltung als Aufsichtsinstanz mit mehr Kontroll- und Sanktionsmacht ausgestattet werden. Auch fordert GRECO eine klarere Trennung der Finanzen von Parteien einerseits und von parteinahen Stiftungen andererseits.

Nachdem Deutschland sich beeilt und so als letztes EU-Land eine UN-Konvention gegen Korruption umsetzte, indem es das Strafgesetz gegen Abgeordnetenbestechung änderte, konnte ein formelles Mahnverfahren abgewendet werden.

Der Politikwissenschaftler Lange verweist jedoch darauf, dass der Europarat, „anders als der deutsche Finanzminister und die Troika, keine Machtmittel“ habe, um andere Länder aufgrund ihrer Bummelei zu geißeln. Deutschland ist eben nicht Griechenland und Straßburg nicht Berlin.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.