Lateinamerika

Volksbefragung in Ecuador: Politischer Richtungswechsel der neuen Regierung von Lenin Moreno

Ecuadors Regierung unter Lenin Moreno ließ die Bürger darüber abstimmen, ob die mehrfache Wiederwahl von Politikern abgeschafft werden soll. Eingeführt hatte sie Ex-Präsident Rafael Correa - der immer noch politische Ambitionen hegt. Doch es geht noch um mehr.
Volksbefragung in Ecuador: Politischer Richtungswechsel der neuen Regierung von Lenin MorenoQuelle: Reuters © Daniel Tapia

von Maria Müller

Nach der Wahl von Lenin Moreno zum neuen Präsidenten Ecuadors im April 2017 hat sich die bisher regierende linke Partei "Allianza Pais" in zwei verfeindete Lager gespalten. Moreno wandelte sich nach seinem Amtsantritt binnen kurzer Zeit zu einem aggressiven Kritiker der Politik in der Ära seines Vorgängers Rafael Correa - der er immerhin seine Wahl zu verdanken hat und an der er als ehemaliger Vizepräsident des Landes (2007-2013) an durchaus verantwortlicher Stelle mitgewirkt hatte.

Bisheriger Höhepunkt des Konfliktes: Moreno rief zu einem Referendum am 4. Februar auf. Kritische Analytiker sahen darin einen strategischen Schritt des neuen Präsidenten. Durch das Referendum sollten mehrere Gesetze unter Umgehung des Parlaments geändert oder beseitigt werden. Ziel sei vor allem, eine mögliche neuerliche Kandidatur Rafael Correas zu verhindern und dessen Anhänger aus dem Staatsapparat zu entfernen. Ein Schachzug, mit dem Moreno seinen politischen Spielraum nach rechts erweitere. Er plane, das Land dem neoliberalen Lager zuzuführen und für die USA zu öffnen.

Illustre Querfront gegen das Erbe Correas

Moreno betont, weiterhin Sozialist zu sein und den unter der vorherigen Regierung praktizierten Kurs der verstärkten Bürgerteilnahme fortzusetzen. Während Correa den Kampf gegen die Kapitalflucht und großformatige Geldwäsche bis vor die UNO trug, hat sich Moreno dem Kampf gegen die Korruption verschworen. Die Rechnung ging auf. Rund 64 Prozent der Bevölkerung stimmten hinsichtlich der Fragen des Referendums mit Ja. Die Anhänger von Rafael Correa stellten sich hingegen mit 36 Prozent der Stimmen dagegen.

Dieses Ergebnis war nur möglich, weil die rechte, neoliberale Opposition Moreno geschlossen unterstützte, ebenso wie einige Gruppen aus dem linken Spektrum sowie Umwelt- und Indigenenorganisationen. Auch die gesamte Medienwelt unterstützte Lenin Moreno. Er hatte zuvor mehrere Leiter der öffentlichen Medien entlassen und durch Vertreter des Mainstreams ersetzt.

Das monatelange Rätselraten um Morenos politische Richtung findet nun ein Ende. Am 9. Februar nahm Ecuadors Wirtschaftsminister Pablo Campana zusammen mit dem US-Botschafter Todd Chapman am I. Handels- und Investitionsforum der USA und Ecuadors teil. Ecuador erwägt nun auch einen Beitritt zur Freihandelszone der Pazifik-Allianz.

Rafael Correa hatte diesen Schritt als gefährlich für Ecuadors Wirtschaft bezeichnet und stattdessen einen Handelsvertrag mit der Europäischen Union angestrebt, bei dem schwache Wirtschaftsbereiche geschützt werden könnten. Lenin Moreno hingegen will sein Land verstärkt der Globalisierung öffnen.

Ermächtigung zu institutionellem Putsch?

Im Vorfeld des Referendums gab es Kritik, da Moreno dem Verfassungsgericht untersagt hatte, die dazu formulierten Fragen an das Volk rechtlich zu prüfen. Der Präsident warf dem Gericht vor, zu langsam zu arbeiten. Doch Verfassungsnormen dürfen in Ecuador nicht durch eine Volksbefragung ausgehebelt werden.

Worüber hat man aber abgestimmt? Es ging um sieben Themen, von denen sechs bereits in Gesetzen oder in der Verfassung geregelt waren. Diese Bestimmungen sind nun ungültig oder müssen erweitert werden. Dazu gehören die Strafen wegen Korruption und Geldwäsche, das Gesetz für die Wiederwahl des Präsidenten, das Bergbaugesetz über den Metallabbau unterhalb städtischer Wohngebieten, das Gesetz gegen die Bodenspekulation, das Umweltgesetz und die Obergrenzen hinsichtlich der Ölbohrungen im Yasuni-Nationalpark.

Ausserdem können die Straftaten des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen nun nicht mehr verjähren. Doch der eigentliche Kern des Referendums liegt in zwei Fragen:

Die Wiederwahl eines Präsidenten ist nur noch für eine Amtsperiode erlaubt. Das 2015 verabschiedete Gesetz über mehrfache Wiederwahlen wurde beseitigt. Eine neuerliche Kandidatur von Rafael Correa ist damit aus dem Spiel. Er könnte nur noch Vizepräsident werden. Der zweite Punkt betrifft den Rat für Bürgerbeteiligung und soziale Kontrolle. Dieser wird jetzt neu besetzt. Seine bisherigen sieben Mitglieder sind ab sofort entlassen.

Ein provisorischer Übergangsrat kann bisherige Spitzenfunktionäre in Staat und Justiz prüfen und bei Bedarf entfernen. Im Jahr 2019 soll der Rat in öffentlichen und geheimen Wahlen dauerhaft neu besetzt werden. Der Rat hat den Rang eines unabhängigen Staatsorgans. Das Mandat seiner aktuellen Mitglieder hätte ursprünglich erst 2020 geendet. Laut Verfassung können sie nur durch das Parlament abgesetzt werden. Insofern widerspricht das Referendum an diesem zentralen Punkt der Verfassung oder setzt diese außer Kraft.

OAS-Menschenrechtskommission spielte erfolgreich auf Zeit

Dieser Bürgerrat besitzt nominell eine große Macht im Staat. Er soll die gesellschaftliche Teilhabe und Kontrolle ermöglichen und kann die Leiter von Institutionen besetzen, beurteilen und gegebenenfalls auswechseln. Das betrifft alle Richter des Landes, auch das Verfassungsgericht, die Wahlbehörde, die Staatsanwälte, die öffentlichen Strafverteidiger, die Ombudsleute und die Direktoren der Kontrollorgane des Staatshaushalts. Am 28. Dezember haben drei Ratsmitglieder vor der internationalen Kommission für Menschenrechte der OAS beantragt, das Referendum solle aufgeschoben werden, da es in mehrerlei Hinsicht verfassungswidrig sei.

Die Kommission hat den Klägern zwar in weiten Teilen Recht gegeben, doch seien die Gründe nicht ausreichend, um das Referendum zu verschieben. Gleichzeitig beantragte sie, der Internationale Gerichtshof für Menschenrechte solle über den Fall entscheiden. Doch ein Verfahrenstrick brachte alle Ambitionen zu Fall. Die Kommission hielt die dazu erforderlichen Unterlagen bis einen Tag nach dem Referendum zurück.

Folglich argumentierte das hohe Gericht, es könne nicht verlangen, das Referendum zu verschieben, da dieses bereits stattgefunden habe. Der Antrag sei zu spät gekommen. Die Kläger sollten die innerstaatlichen Klageinstanzen ausschöpfen.

Doch auf diesem Weg gibt es wenig Chancen auf Erfolg, weil unliebsame Richter nun schnell ausgewechselt werden können.

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