Deutschland

Programmbeschwerde gegen ARD: "Regierungsfromm-manipulative Ausrichtung der Berichterstattung"

Der frühere Tagesschau-Redakteur Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer, Ex-Vorsitzender des ver.di-Betriebsverbandes NDR, haben Programmbeschwerde gegen die ARD-Tagesschau eingereicht. Der Vorwurf: "Unvollständig und verschleiernde Berichterstattung zur GSG 9".
Programmbeschwerde gegen ARD: "Regierungsfromm-manipulative Ausrichtung der Berichterstattung"

RT-Deutsch dokumentiert die Beschwerde, die sich auf diesen Tagesschau-Beitrag bezieht, im Wortlaut:

Sehr geehrte Rundfunkräte,

Wortlaut einer geradezu klassischen Tagesschau-Meldung:

Die Eliteeinheit der Bundespolizei, die GSG 9, soll vergrößert werden. Im Gespräch sei eine Aufstockung um etwa ein Drittel, sagte ihr Kommandeur Fuchs dem RBB. Das Bundesinnenministerium bestätigte Pläne für einen zweiten Standort. Dieser könnte in Berlin angesiedelt werden. Dafür spricht laut Fuchs die anhaltende terroristische Bedrohung. Gerade in der Hauptstadt müsse die GSG 9 schnell reagieren können.“

„Geradezu klassisch“ ist diese Meldung wegen ihrer Unvollständigkeit, regierungsfromm-manipulativen Ausrichtung und sprachlichen Verkorkstheit. Sie ist reine Hofberichterstattung.

In einer kürzlich veröffentlichten (mit dem "Best Thesis Award 2017 der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU)"ausgezeichneten) wissenschaftlichen Analyse über die Russland-Tagesschau-Berichterstattung kam die Autorin D. Gordeewa zu der Erkenntnis: "Die Tagesschau übernimmt ....weitgehend die Perspektiven der Bundesregierung“.

Ein wissenschaftlich gesichertes Armutszeugnis für den Journalismus der Gniffke-Truppe. Quelle: https://f-origin.hypotheses.org/wp-cont ... rdeeva.pdf

Das lässt sich auch für die vorliegende Meldung ausstellen. 

Wenn von einer personellen Verstärkung die Rede ist – auf Tagesschau-Deutsch: „...die GSG 9 soll vergrößert werden“ –, dann erwartet man konkrete Angaben. Mit „um etwa ein Drittel“ ohne Bezugsgröße lässt sich nichts anfangen. Ein Drittel wovon? Wieviele GSG 9-Beamte gibt es derzeit, wieviele sollen es künftig sein? Wir haben wieder mal eine typische Tagesschau-Null-Information vor uns.

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Die Bundesregierung hält die Mannschaftsstärke ihrer „Eliteeinheit“ geheim. Nachvollziehbare Gründe für die Heimlichtuerei gibt es nicht. Das hätte in einer TV-Nachrichtensendung für ein Millionenpublikum erwähnt werden müssen. Die Rede ist von einer mutmaßlich 400 Mann starken Truppe, die anscheinend nun um rund 200 Beamte aufgestockt werden soll.

Ist das wirklich notwendig? Diese logische Frage deutet die Tagesschau nicht einmal an. Es fehlt auch der zur Urteilsbildung nötige Hinweis, dass es neben der GSG 9 noch die identischen und gleich intensiv ausgebildeten SEK (Sondereinsatz-Kommandos) und MEK (Mobile Einsatzkommandos) gibt, ebenfalls mit nicht genau bekannten Personalstärken; die Beamten gehören lediglich nicht der Bundespolizei, sondern den Polizeiorganisationen der Länder an. Das Berliner SEK zum Beispiel verfügt bereits über mindestens 100 Mann. Sie allein wären schon ausreichend, Terrorkommandos wie die in Paris oder Brüssel in den Griff zu kriegen. Unbekannt ist die Zahl der MEK-Beamten. Quelle: http://www.tagesspiegel.de/berlin/zweit ... 58270.html.

Insgesamt bietet die TS-„Nachricht“ dem Zuschauer also nicht mal ansatzweise eine Grundlage dafür, sich selbst eine qualifizierte Meinung über den behaupteten „vermehrten Bedarf“ zu bilden.

Nicht nachvollziehbar ist die Erklärung des GSG-9-Kommandeurs Fuchs, die „anhaltende terroristische Bedrohung“ sei der Grund für die geplante personelle Aufstockung. Typisch für die redaktionelle Arbeitsweise der ARD-aktuell: Angaben von Regierung oder Behörden werden nicht auf ihre Stichhaltigkeit geprüft, und es werden keine Informationen zur Einordnung bestimmter „offizieller“ Darstellungen geliefert.

Die bloße Behauptung „anhaltende terroristische Bedrohung“ dient in unseren Tagen offenbar als Begründung für alles und jedes – und wird von ARD-aktuell vollkommen distanzlos als Tatsache weitergereicht. Dass es sich bloß um eine „angebliche“ terroristische Bedrohung handelt, hätte hier ebenso kenntlich gemacht werden müssen wie an die Erfahrung zu erinnern gewesen wäre, dass Polizeieinsätze in der Atmosphäre „Kampf gegen Terroristen“ auch zur staatlichen Gewalteskalation genutzt werden bzw. dazu missraten können. Die brutalen SEK-Aktionen beim G20-Gipfel in Hamburg waren nur das jüngste Beispiel dafür. 

Informationen darüber, dass es seit Jahr und Tag regelmäßig geheime, militante Übungen der SEK und der MEK in der Heide zur Bekämpfung von „sozialen Unruhen“ gibt (wobei unbekannt blieb, ob jeweils auch die GSG 9 beteiligt ist), hätten der Tagesschau-Meldung einen anderen Akzent gegeben: nämlich, dass die angekündigte Personalverstärkung unter dem Aspekt zunehmender Polizeistaatlichkeit / Staat im Staat zu betrachten ist, der Kehrseite einer Medaille, die „Bundeswehr-Einsätze im Ausland“ heißt, womit der Terrorismus erzeugt wird, der uns nun hierzulande angeblich bedroht. 

Sozial begründete Ausschreitungen im Iran nennt die Tagesschau fleißig „Unruhen“ und beklagt rechtsstaatliche Defizite, wenn die Ordnungskräfte sie niederschlagen; vergleichbare Demonstrationen in Deutschland werden praktischerweise von vornherein kriminalisiert, und brutale polizeiliche Übergriffe dagegen werden ignoriert oder verharmlost.

Fazit: Die Tagesschaumeldung über die GSG 9 bietet keine handfeste Information samt Kontext, hat dafür aber manipulativ obrigkeitsgläubigen Charakter. Nicht zu überhören ist außerdem – wie in ungezählten vergleichbaren Fällen – die sprachliche Ignoranz der Qualitätsjournalisten in der Hauptabteilung ARD-aktuell:

...Pläne für einen zweiten Standort. Dieser könnte in Berlin angesiedelt werden.

Sprache ist bekanntlich ein Schlüssel des Denkens. Wenn das Potenzial aber nicht einmal zu der Erkenntnis reicht, dass man einen (Stand-)Ort nicht ansiedeln kann, weil er bereits eine Ansiedlung darstellt, dann formuliert man eben auch Stuss-Meldungen über „Vergrößerung um ein Drittel“. 

In diesem desinformativen Umfeld kann Polizeiminister de Maizière seinen preußischen Beamtengehorsam ausleben: Im Zweifel immer noch ein Stempel mehr druff, als unbedingt nötig und verlangt. Und die Tagesschau windet Girlanden um den Karrieristen und fördert diffuse Terrorismusängste. Nur ja kein kritisches Bewusstsein und Nachdenken aufkommen lassen!

Sehr geehrte Rundfunkräte, nach unseren Erfahrungen ist es nicht einmal möglich, Sie als eigentlich dazu berufene Aufseher nachdenklich zu stimmen. Sie zogen es noch stets vor, über Programmkritik hinwegzudösen. Es soll uns aber niemand nachsagen können, wir hätten Ihnen nicht immer wieder den Wecker gestellt.

Mit freundlichen Grüßen

Volker Bräutigam, Friedhelm Klinkhammer

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