Lateinamerika

Honduras: OAS spricht von "Wahlen niedriger Qualität" - EU ignoriert Unregelmäßigkeiten

Eine Reihe von Pannen und Schlampereien, begleitet von einer ungeahnt starken Trendwende bei den Ergebnissen, überschattete die Auszählung der Präsidentenwahlen in Honduras. Dies weckt vielerorts Argwohn hinsichtlich der Sauberkeit der Endresultate.
Honduras: OAS spricht von "Wahlen niedriger Qualität" - EU ignoriert UnregelmäßigkeitenQuelle: Reuters © Jorge Cabrera

von Maria Müller

In Honduras herrscht auch sechs Wochen nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl der Ausnahmezustand. Im ganzen Land gibt es heftige Proteste. Der offiziell verkündete Wahlsieg des amtierenden Präsidenten Juan Orlando Hernández wird von der Opposition nicht anerkannt. Die Beobachtergruppe der Europäische Union hält die möglicherweise unsauberen Wahlen für glaubwürdig. Sie ignoriert die kritische Untersuchung der OAS-Experten. Deren Generalsekretär Luis Almagro schlägt Neuwahlen vor.

Am 26. November waren über sechs Millionen Wahlberechtigte zur Wahl eines neuen Präsidenten, des nationalen Parlaments und der Kommunalparlamente aufgerufen. Die elektronische Datenübermittlung hätte eigentlich noch am Wahltag ein erstes Ergebnis produzieren müssen. Doch nur 64 Prozent der Wahlniederschriften konnten an diesem Abend in das System eingegeben werden. Anschließend war der Datenfluss blockiert, das System versagte.  

Als um 1.30 Uhr nachts auf Vorschlag der europäischen Beobachterdelegation vorläufige Zahlen verkündet werden, verfügte der Oppositionskandidat Salvador Nasralla von der so genannten Allianz gegen die Diktatur mit 45,17 Prozent der Stimmen gegenüber 40,21 Prozent für den noch amtierenden Regierungschef Juan O. Hernández über einen Vorsprung von fünf Prozent. Marco Ramiro Lobo, ein Richter des Obersten Wahlgerichts erklärte - möglicherweise etwas vorschnell -, dieser Trend sei "nicht mehr umkehrbar".

Tagelange Ausfälle der EDV-Systeme

In weiterer Folge gab es erst einmal keine Bewegung bei den Daten auf der Webseite der Wahlbehörde - bis zum Montagmorgen. Erst dann waren neue Ergebnisse zu sehen, wobei von da an der bisherige Präsident mächtig aufholte. Der Vorsprung des Herausforderers wurde geringer.

Drei Wochen später proklamiert das Oberste Wahlgericht am 17.12. den Sieg des bisherigen Präsidenten Hernández. Dieser habe mit 42,95 Prozent der Stimmen den Oppositionskandidaten um 1,71 Prozent überrundet. Eine chaotische Wahl mit einem fragwürdigen Sieg.

Zwei Tage nach den Wahlen gibt die Beobachtergruppe der Europäischen Union auf einer Pressekonferenz bekannt, dass

die Datenverarbeitung der Wahlergebnisse unter transparenten Bedingungen vollzogen wird. Vertreter der politischen Parteien sind dabei anwesend.

Gleichzeitig bedauert sie, dass das Oberste Wahlgericht von diesem Zeitpunkt an keine Zwischenergebnisse mehr bekannt gab.

Man muss vermeiden, Raum für Zweifel und Unsicherheiten zu schaffen", so Marisa Matias, Europaabgeordnete und Missionsleiterin.

Nach diesen zwei Tagen fällt die elektronische Datenverarbeitung abermals mehrfach aus. Am Mittwoch nach den Wahlen ist das System SIEDE 13 Stunden lang außer Betrieb. Das Wahlgericht veröffentlicht tagelang keine Daten.

Die Bevölkerung von Honduras weiß in diesen Wochen nicht, wer die Wahlen gewonnen hat. Beide Kandidaten erklären sich zum Sieger. Es kommt zu zahlreichen, teils militanten Demonstrationen, bei denen die Polizei mindestens 23 Menschen erschießt und eine bis dato nicht bezifferte Zahl von Bürgern festnimmt. Das Komitee der Angehörigen von Verschwundenen in Honduras (Cofadeh) spricht inzwischen sogar von 30 Menschen, die zwischen dem 30. November und dem 28. Dezember im Zusammenhang mit den Unruhen starben.  

Stichproben der Urnenstimmen bestätigten verkündete Ergebnisse

Am 17.12. beantragt die Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (IAKMR) die Einreise nach Honduras, um sich vor Ort über Todesfälle, Verhaftungen und Vorwürfe unverhältnismäßiger Gewalt vonseiten der staatlichen Sicherheitskräfte zu informieren. Die neugewählte, alte Regierung verweigert der IAKMR bis heute die Einreise.

Eine Woche nach dem Wahltag, am 4. Dezember, hatte die Oberste Wahlbehörde den allgemeinen Auszählvorgang für beendet erklärt. Allerdings warteten zu diesem Zeitpunkt noch 1.001 mit Einwendungen behaftete Wahlurnen auf eine Nachkontrolle. Außerdem sollten auf Vorschlag der internationalen Beobachter 5.174 Niederschriften neu untersucht werden, die am Wahlabend aus unerfindlichen Gründen nicht registriert worden wären.

Als man die beanstandeten Urnen zwischen dem 10. und dem 15. Dezember prüfte, befanden sie sich bereits seit 14 Tagen unkontrolliert in Händen des Wahlgerichts - ein Sicherheitsrisiko. Es wäre Zeit genug gewesen, um Wahlzettel und offizielle Zahlen in Übereinstimmung zu bringen. Die beiden Prüfungen ergeben dann auch keine signifikanten Unterschiede zu den offiziellen Zahlen.

In beiden Fällen waren jedoch fehlende Ergebnisprotokolle auf der Grundlage der nunmehr vorgefundenen Stimmzettel neu geschrieben worden, wobei die ursprünglichen Fehlerursachen ungeklärt blieben. Mögliche überzählige Stimmzettel in den Urnen spielten keine Rolle mehr, die unterschriebenen Wählerlisten wurden meist nicht noch einmal ausgewertet.

Zusätzlich haben die internationalen Kontrollteams eine Zufallsauswahl von 300 aus 14.000 Wahlniederschriften im Besitz der Opposition kontrolliert. Sie wurden mit jenen der Regierungspartei und der Wahlbehörde verglichen. Man fand keine signifikanten Unterschiede.

Die Gruppe der europäischen Beobachter unterstreicht angesichts dieses Umstandes ihr positives Urteil hinsichtlich der Wahlen in Honduras entsprechend in einer Erklärung vom 17. Dezember: 

Die Zahlen der überprüften Urnen stimmen mit den von der Regierung zuvor veröffentlichten Ergebnissen weitgehend überein.

Mit diesen Äußerungen wolle man jedoch nicht die inhaltliche Richtigkeit der Wahlergebnisse bestätigen. Das gehöre nicht zu den Aufgaben einer Wahlmission. Außerdem sei der endgültige Bericht im Januar 2018 abzuwarten.

Gelegenheiten zur Manipulation wären vorhanden gewesen

Das Kontrollteam der Organisation der amerikanischen Staaten, OAS, kommt in einem 34-seitigen, detaillierten Bericht hingegen zu dem Schluss, dass die Wahl von "niedriger Qualität" gewesen sei. Aufgrund der knappen Stimmenunterschiede zwischen den beiden Kandidaten könne in Anbetracht der zahlreichen Unregelmäßigkeiten kein eindeutiger Sieger ausgemacht werden. Generalsekretär Luis Almagro schlägt deshalb Neuwahlen vor. Er droht jedoch nicht mit der Demokratieklausel der OAS wie im Fall von Venezuela.  

Die Wahlbeobachter der Europäischen Union erwähnten in ihrem kurzen vorläufigen Bericht die von der OAS festgestellten Regelverstöße hingegen nicht, obwohl sie wie alle anderen internationalen Zeugen den Vorgängen unmittelbar beiwohnten.

So wiesen dem OAS-Bericht zufolge zahlreiche Wahlkoffer aus dem ganzen Land bei ihrer Ankunft in der Annahmestelle der Wahlbehörde grobe Mängel auf. Manche wären geöffnet gewesen oder verfügten über keine oder nur unvollständige Begleitdokumente. Pakete mit Stimmzetteln befanden sich des Weiteren, so die OAS, in mit Klebeband verschlossenen Plastiktüten, die Urnen waren demnach verschwunden.

Es habe zudem Bündel von angekreuzten Wahlzetteln gegeben, die nicht vom Block abgerissen und weder gefaltet noch abgestempelt worden wären, wie das bei der Stimmabgabe sonst üblich ist. Manche Wahlpakete kamen dem Bericht zufolge ohne den obligatorischen Begleitschutz durch das Militär bei der Empfangsstelle an. Es gab keinerlei Protokolle, um festzustellen, was auf dem Transportweg mit dem Wahlmaterial geschah.

Die fehlenden Sicherheitsgarantien für die Wahlurnen haben die europäischen Teams in den bisherigen Stellungnahmen ignoriert.

Insgesamt weist der Bericht der OAS-Beobachter auf bedeutende Mängel hin. Vor allem der Umgang mit dem elektronischen System zur Datenübermittlung und Stimmenhochrechnung steht in der Kritik. Experten der Mission führten demnach eine begrenzte Systemanalyse durch und kamen zu überraschenden Ergebnissen.

Lockerer Umgang mit Daten bei Systemcheck

Die verwendeten Server hatten ihren Aussagen zufolge eine viel zu geringe Speicherkapazität. Die vorhersehbare Datenmenge, die mit dem Wahlvorgang verbunden wäre, hätte objektiv nicht von ihnen bewältigt werden können. Das hätte den Betreibern zuvor bekannt gewesen sein müssen.

Auch hätten die Verantwortlichen den Primärserver der Datenbank nach dem Systemunfall vom 29.11. nicht aufbewahrt, was weltweit zur "guten Praxis" bei Informatikzwischenfällen gehöre. Die Ursachen für die Unfälle rund um die Server seien nicht nachvollziehbar, die Opposition argwöhnt, man habe Spuren verwischt. Die Daten wurden demnach im Zuge der Reparaturen umgeladen und die ursprünglichen Dateien gelöscht, ohne diese zuvor zu kopieren.

Die Analyse stellte auch fest, dass sowohl die Betreiberfirma als auch die Techniker des Obersten Wahlgerichtes einen privilegierten Zugang zum Server gehabt hätten. Obwohl kein konkreter Eingriff in die Datenverarbeitung nachgewiesen wurde, ist die Tatsache sicherheitsrelevant. Während der Systemausfälle blieb der Zugang zum Server offen, so heißt es im Bericht.

Darüber hinaus wären 464 Archive unbekannter Herkunft mit Wahlniederschriften in die Datenbank integriert worden. Diese drangen dem Bericht zufolge über einen nicht vorgesehenen Datenfluss in das System ein. Der dazugehörige Vorgang sei nicht korrekt registriert und setze die Transparenz des ganzen Systems aufs Spiel.

Der für die Wahlen vorprogrammierte Informationsfluss sei in einer großen Zahl von Fällen verändert worden. Eingespeicherte Wahlniederschriften habe man umgeleitet, abseits der vorgesehenen Lagerstätten aufbewahrt und erst zu einem späteren Zeitpunkt wieder bearbeitet.

Insgesamt konnte keine konkrete Datenfälschung nachgewiesen werden, doch die Sicherheitsmängel hätten dazu geführt, dass man Versuche dieser Art nicht hätte verhindern können, endet der Bericht zu diesem Thema.

Ein Verdacht auf Datenmanipulation wird an anderer Stelle wissenschaftlich belegt.

In der zweiten Hälfte des Wahltags verzeichneten drei Departments in Honduras einen sprunghaften Anstieg der Wahlteilnahme. Gleichzeitig gab es dort einen besonders hohen Stimmenanteil für die regierende Nationalpartei und einen entsprechenden Stimmenrückgang der bislang führenden Oppositionsallianz. 

Venezuela und Nicaragua ernteten für weniger Unstimmigkeiten schärfere Kritik

Der US-amerikanische Statistikexperte Dr. Irfan Nooruddin, Professor an der Universität Georgetown, erstellte am 17. Dezember für die OAS-Mission ein wissenschaftliches Gutachten.

Er fasst sein Ergebnis folgendermaßen zusammen:

[...] das Abstimmungsmuster, insbesondere in Bezug auf die Wahlbeteiligung, ist verdächtig. Wie oben dokumentiert, gibt es einen deutlichen Bruch in den Daten, der schwer als reiner Zufall zu erklären ist. Auf der Grundlage dieser Analyse würde ich die Auffassung ablehnen, dass die Nationale Partei die Wahl legitim gewonnen hat.

Auch zahlreiche weitere Unregelmäßigkeiten finden in den OAS-Berichten Erwähnung. Auch wenn es nur Indizien, aber keine Beweise für tatsächliche Manipulationen gibt, tritt im Fall von Honduras ein deutlicher Unterschied im Umgang mit angeblichen oder realen Wahlfälschungen vonseiten der USA und Europas zutage. Nach Wahlen in Nicaragua und Venezuela wurde unter Hinweis auf angebliche Unregelmäßigkeiten sogar mit militärischen Interventionen gedroht, wobei sich die Anschuldigungen im Nachhinein als nicht haltbar erwiesen und/oder weit unter dem Niveau der Probleme in Honduras lagen. Auch wird die Frage der Menschenrechte nicht als Grund für Sanktionen gegen das Land herangezogen.

Honduras ist unser einziger verlässlicher Partner in Mittelamerika",

verdeutlichte Donald Trump unmissverständlich bereits im Vorfeld der Wahlen seinen Wunsch nach einem Wahlsieg von Juan Orlando Hernández. Die USA haben entsprechend auch als erstes Land die neuerliche Präsidentschaft von Hernández anerkannt.

Während der vergangenen Regierungszeit von 2014 bis 2017 wurden Vorwürfe gegen Hernández laut, 350 Millionen Dollar aus dem Fonds der Sozialversicherung veruntreut zu haben.

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